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Sport

Der freundliche Onkel und die tibetischen Fussballer: Wie der FC Tibet Sarnen-Pilatus Flüchtlingen eine Heimat gibt

Die Mannschaft des FC Tibet Sarnen-Pilatus trotzt schwierigen Umständen für Flüchtlinge. Michel Ouwehand ist mehr als nur der Trainer.
Michel Ouwehand (Mitte) umringt von den tibetischen Fussballern. Sie nennen ihn «Ashang» – es bedeutet «freundlicher Onkel».
(Pius Amrein (Sarnen, 7. September 2020))
Tashi Palden, Captain des FC Tibet Sarnen-Pilatus, hat sich das Kochen via Youtube-Videos selber beigebracht. «Er kocht vorzüglich», sagt sein Trainer. (Pius Amrein (Sarnen, 7. September 2020))
Tashi Woeser (links) spielt nicht nur gut Fussball, er versteht auch  Schweizerdeutsch und ist sehr glücklich, eine Aufenthaltsbewilligung erhalten zu haben.  (Pius Amrein (Sarnen, 7. September 2020))

Daniel Wyrsch

Daniel Wyrsch

Daniel Wyrsch

Eine der grössten Vorzüge des Teamsports ist dessen Kraft, Menschen zusammenzubringen. Zuzüger werden meist unkompliziert in lokalen Vereinen integriert. Beim FC Tibet Sarnen-Pilatus ist es etwas anders. Die jungen Männer stammen alle aus Tibet. Sie wohnen in den Kantonen Luzern, Nidwalden und Obwalden. Ihnen hilft das Team als stützende Gemeinschaft bei der Integration.

Jeweils am Montagabend findet das Fussballtraining auf dem Kunstrasen des FC Sarnen im Seefeld statt. 17 Spieler sind erschienen, sechs davon gelten als abgewiesene Flüchtlinge, die seit mehreren Jahren hier leben. Der Traditionsverein aus dem Obwaldner Hauptort hat das tibetische Team 2016 integriert. «Dafür sind wir dem FC Sarnen sehr dankbar», sagt der 59-jährige Michel Ouwehand auf dem Weg zum Spielfeld. Der unaufgeregte Mann ist der Trainer.

Die Tibet-Reise hat Spuren hinterlassen

Michel Ouwehand ist vor über 30 Jahren aus den Niederlanden in die Innerschweiz gekommen. In Buochs heiratete er, gründete er eine Familie, wurde sesshaft. Die Kinder sind längst erwachsen. 2013 machte Michel Ouwehand mit seiner Frau eine Tibet-Reise. Die Erfahrungen haben sein Leben nachhaltig verändert: «Es hat mich zutiefst erschüttert, erfahren und spüren zu müssen, wie freundliche und friedliche einheimische Menschen von einer diktatorischen Fremdmacht beherrscht und überwacht werden, und wie sie darunter leiden müssen.»

Kurz nach der Rückkehr lernte Ouwehand tibetische Flüchtlinge in Nidwalden kennen. Er bot seine Hilfe an, half bei der Arbeitssuche, dem Wohnungsbezug oder bei Problemen mit den Behörden. Ein etwas anderes Anliegen hatte ein junger Tibeter. «Er wollte, dass ich als langjähriger Trainer ein tibetisches Fussballteam gründe.»

Seit sechs Jahren trainiert Michel Ouwehand die Tibeter. Er ist viel mehr als nur deren Trainer. Tingle Geltsen, der wegen seiner ruhigen, bedächtigen Art ein bisschen an den Dalai Lama erinnert, sagt: «Michel verdanken wir viel, er hilft uns seit Jahren immer wieder. Wir nennen ihn auch Ashang.» Die Bezeichnung bedeutet freundlicher, hilfsbereiter Onkel. So bezahlt er dem einen oder anderen seiner Spieler ein Passepartout-Ticket, damit dieser täglich von der Flüchtlingsunterkunft zum Gemeindehaus fahren kann, um sich registrieren zu lassen. Ein anderer Flüchtling hatte starke Zahnschmerzen, musste sich behandeln lassen. Der Kanton wollte die Kosten nicht übernehmen, da hat Michel Ouwehand von einem Zahnarzt erfahren, der die Behandlung günstiger ausführe. Mit Hilfe einer Gruppe von Spendern konnte er das Honorar gerade so begleichen.

Handelsvertrag mit China hat die Situation verändert

Schon seit den 1960er-Jahren nimmt die Schweiz tibetische Flüchtlinge auf. Nachdem 2013 ein Handelsvertrag mit China abgeschlossen wurde, stellen die Betroffenen eine Veränderung fest: Erst seit diesem Abschluss seien viele Tibeter abgewiesen worden. Ein erfreuliches Beispiel ist dagegen der Weg, den der 25-jährige Tashi Woeser gehen konnte. Er lebt seit sieben Jahren im Land, versteht Schweizerdeutsch. In diesem Jahr hat er die Aufenthaltsbewilligung B erhalten, arbeitet in einem vegetarischen Restaurant im Bahnhof Luzern.

Über dieses Glück der Aufenthaltsbewilligung plus einer Arbeitsstelle sagen die Tibeter in der Schweiz: «Das ist wie ein Sechser im Lotto», wie Tingle Geltsen erzählt. Er selber wartet immer noch, dass ihn das Glück findet. Dem Captain des FC Tibet Sarnen-Pilatus, Tashi Palden, geht es nicht besser. Der 28-Jährige ist seit fünf Jahren in der Schweiz, ohne die Aufenthaltsbewilligung bekommen zu haben. So kann er nicht arbeiten. «Er hat sich das Kochen mit Youtube-Videos beigebracht – ist ein vorzüglicher Koch», versichert Ouwehand.

Am nächsten Samstag (ab 10 Uhr) lädt er mit dem Team zum Turnier im Sarner Seefeld ein. 17 tibetische Equipen aus der ganzen Schweiz nehmen teil. Es soll auch Platz zum Austausch mit Besuchern bei tibetischem Essen geben. Die Sorgen der Abgewiesenen sollen einen Moment in den Hintergrund rücken.

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