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Silenen

Bereitschaft zum Verzicht bringt Erfolg

Linda Indergand setzt einen neuen Meilenstein in ihrer erfolgreichen Karriere. Die erst 23-jährige Bikerin reist nach Rio. Ihre Eltern blicken zurück und voraus.
Der Radsport begeisterte Linda Indergand schon als sechsjähriges Mädchen.
Bild: Bild Familienarchiv
Mit 23 Jahren bestreitet Linda Indergand 2016 in Rio ihre ersten Olympischen Spiele.
Bild: Bild Dominik Baur
Doris und Sepp Indergand präsentieren das Weltmeistertrikot ihrer Tochter Linda.
Bild: Bild Josef Mulle

Josef Mulle

Dass Linda und Reto, die beiden Kinder von Doris und Sepp Indergand, dereinst vom Velosportvirus befallen würden, war fast vorauszusehen. Vater Sepp war selber ein begeisterter und auch erfolgreicher Radsportler, der nach seiner Karriere ins J+S-Leitermetier wechselte. «Hans Traxel, der Gründer der IG Traxel, der Vorgängerin der heutigen IG Radsport Uri, animierte mich, bei seinem Projekt mitzumachen, um meine Kenntnisse und Erfahrung der Urner Radsportjugend weiterzugeben», erinnert sich Sepp Indergand. «Reto durfte mich dann auch an die Trainings begleiten, und es ging nicht lange, da wollte Linda natürlich auch dabei sein.» Bei den Abendrennen um den EWA-Cup lernte Linda zusammen mit den andern IG-Fahrerinnen und -Fahrern das Abc des Radsports – samt taktischem Verhalten bei Rennen. Den Kilometertest, und vor allem den «Güggeli»-Cup in Seedorf, bezeichnet sie noch heute als ihre «ersten richtigen Rennen». Die nationale Feuertaufe erlebte das Talent aus Silenen beim Swisspower-Cup, als sie nach taktisch kluger Streckenwahl gewinnen konnte – notabene vor ihrer Olympia-Begleiterin Jolanda Neff.

Schule und Training vereinbart

Das Training der IG Radsport Uri war für den Nachwuchs äusserst vielseitig angelegt, und zwar mit dem Schwerpunkt, Freude und Motivation zu fördern. «Linda bestritt auch sehr gerne Strassenrennen, und sie beherrschte auch dieses Metier sehr schnell», weiss Vater Sepp. «Im letzten Schülerjahr brachte sie das Kunststück fertig, alle obligatorischen Geschicklichkeitsparcours mit Nullfehlerfahrten abzuwickeln und dabei auch noch mit den schnellsten Zeiten sämtliche Knaben hinter sich zu lassen.» Die Doppelbelastung Lehre und Sport konnte Linda Indergands Weg nach oben nicht stoppen. Sie schloss die Lehre als Kauffrau Profil M mit einer Spitzennote ab.

«Sicher wurde es manchmal eng», erinnern sich die Eltern. «Neben den vielen Trainings, der Arbeit und dem Lernen kamen die Erholung und die persönliche Freizeit hie und da schon ein bisschen zu kurz.» In der Winterpause holte sie dann etwas vom «verlorenen Ausgang» zurück, indem sie sich jeweils Spiele des HC Ambri-Piotta anschaute.

Linda Indergands Bereitschaft, schon in der Jugendzeit für den Sport auf vie­les zu verzichten, machte es der Sportlerin selber, aber auch dem ganzen Umfeld sicher etwas leichter, zumal mit dem Aufstieg in die höheren Kategorien der Aufwand für Training, Wettkampf und Materialpflege immer grösser wurde. Waren es am Anfang mit einem Strassenvelo und einem Bike noch zwei Gerätschaften, so sind es heute fünf Velos, die gewartet werden müssen.

Grandioses Teamwork als Basis

Die grossen Erfolge der jungen Urner Radsportlerin riefen natürlich die Verantwortlichen von Swiss Cycling auf den Plan, und Linda Indergand wurde sowohl in die Nationalmannschaft der Strassenfahrerinnen als auch in die­jenige der Bikerinnen berufen. «Früher organisierten wir zusammen mit dem SRB Uri die Trainingslager, die immer in den Osterferien stattfanden», sagt Sepp Indergand. «Als Linda in das regionale Kader der Zentralschweiz aufgenommen wurde, stellte ich mit Andreas Kurmann die Trainingspläne und den Rennkalender zusammen.» Sepp Indergand war in dieser Phase an den Rennen in der Techzone tätig, während Mutter Doris sich um «alles Übrige» kümmerte. Das grandiose Teamwork aller Beteiligten hatte sicher grossen Anteil an den sportlichen Erfolgen der jungen Urnerin.

Mit dem Weltmeistertitel im Jahr 2011 in Champéry setzte sie den ersten Glanzpunkt. «Trösten mussten wir Linda selten», sagen Doris und Sepp Indergand, obwohl Niederlagen ja auch zum Sport gehören. «Sie war aber immer eine gute Zuhörerin und befolgte Weisungen und Ratschläge der Trainer, ja sogar diejenigen von mir als Vater», nennt Sepp Indergand eines der Erfolgsrezepte. «Ein Schlüsselerlebnis in dieser Hinsicht gab es vor der Strassen-Schweizer-Meisterschaft 2009 in Nyon, als wir bei der Streckenbesichtigung den Punkt zu einem Angriff festlegten, wenn es zu einer Sprintentscheidung kommen sollte. Keine zwölf Stunden später schlug Linda nicht nur ihre direkten Konkurrentinnen, sondern gewann den Sprint auch gegen die ältere Kategorie und feierte damit ihren ersten Schweizer-Meister-Titel.»

Blick in die Zukunft

«Wenn man bereits mit 23 Jahren das Traumziel Olympia erreicht hat, scheint es nur logisch, Olympia 2020 in Tokio ins Auge zu fassen», blickt Vater Sepp in die Zukunft. «Doch im Sport kann sich schnell etwas ändern. Die Rennen zeigen ja immer wieder, wie nahe Glück und Pech beieinanderliegen können.»

Wichtiges vierblättriges Kleeblatt

 Für die Eltern Doris und Sepp Indergand wurden mit dem stetigen sportlichen Aufstieg ihrer Tochter Linda die Herausforderungen im zeitlichen wie auch im finanziellen Bereich immer grösser, zumal bereits ihr Bruder Reto auf der Erfolgsleiter sehr schnell nach oben gestiegen war und Medaillen an Schweizer, Europa- und Weltmeisterschaften sammelte. Es kam daher nicht selten vor, dass Linda am Samstag und Reto am Sonntag Rennen zu bestreiten hatten. «Weil die Zeit nicht immer reichte, um nach Silenen zurückzufahren, mussten wir wohl oder übel oft in Hotels übernachten», sagt Vater Sepp Indergand.

Anfänglich hatten die Eltern auch noch für die Wartung der Fahrräder und den Ersatz der Verschleissteile besorgt zu sein. Die Bekleidung war hingegen nie ein Problem, denn der VMC Silenen kann seine Fahrer – dank grosszügiger Sponsoren – mit einheitlichen Trikots ausrüsten. Heute haben Linda und Reto mit der Urner Kantonalbank, Auto Brand, der Mobiliar-Versicherung und Fuss Uri ein sehr gutes vierblättriges Kleeblatt, das die beiden schon lange als «Gesamtpaket» unterstützt. Linda hat zudem mit der Schweizer Armee, bei der sie zu 50 Prozent als Zeitsoldatin angestellt ist, einen weiteren guten Sponsor.

jm

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