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Nidwalden

Zwiespalt zwischen Ursprung und Fortschritt im Nidwaldner Museum

Junge Künstler sorgen im Nidwaldner Museumssommer für eine frische Brise. In den Fokus gerückt: Graffitikunst oder digitales Gestalten.
Im Berliner Atelier hat der Nidwaldner Sprayerkünstler Adrian Gander neue, fast explosive Werke geschaffen. (Bild: Romano Cuonz (Stans, 22. August 2021))

Romano Cuonz

«Das Nidwaldner Museum ist nicht nur altbekannten und bestandenen Kunstschaffenden wie etwa Johann Melchior Wyrsch, Hans und Annemarie von Matt oder Jos Näpflin vorbehalten», akzentuiert Museumsleiter Stefan Zollinger. Als Nidwaldner Kulturförderer sei er darauf bedacht, auch jungen Protagonistinnen und Protagonisten mit neuen Positionen eine Chance zu geben. So kämen auch die von ihnen benutzten zeitgenössischen Gestaltungsmittel und digitalen Medien zum Zuge.

Jedoch: Viele dieser Kunstschaffenden wären überfordert, wenn sie den anspruchsvollen Pavillon beim Winkelriedhaus allein bespielen müssten. «Mitunter deshalb haben wir den Sommer im Museum ins Leben gerufen», erklärt Zollinger. Da lassen sich während eines ganzen Monats auch Projekte realisieren, die zwar ein kleineres Publikum interessieren, für Nidwalden aber trotzdem wichtig sind. Museen würden sich häufig an ein bildungsbürgerliches Publikum richten. «Im Sommer möchten wir die Schwelle niedrig halten und unser Haus zum lebendigen Begegnungsort mit Gartentischen, Getränken und Snacks machen», bekundet Zollinger.

Adrian Ganders Berliner Inspirationen

Einer, der dieses Jahr davon profitiert, ist der wohl bekannteste junge Nidwaldner Graffitikünstler Adrian Gander. Von Oktober 2020 bis Januar 2021 weilte er im Berliner Atelier der Zentralschweizer Kantone. Im Winkelriedhaus zeigt er nun eine Auswahl seiner dort entstandenen Arbeiten. Im Aussenraum der Millionenstadt blieb Gander – solange es Corona erlaubte – der Graffititechnik treu. Höhepunkt: eine grossflächige Wandzeichnung, die er auf dem Berliner Teufelsberg realisierte.

Später, im zweiten Lockdown, entdeckte und erprobte er im 200 Quadratmeter grossen Atelier auch neue Stil- und Gestaltungsmittel. «Der Fokus dieser Ausstellung ist auf zeichnerische und malerische Werke gerichtet und ermöglicht einen neuen Blick auf den Graffitikünstler», befindet Kuratorin Jana Bruggmann. Gander selber gibt zu verstehen: «Berlin erlebte ich als Inspirationsquelle.» Den Ausstellungstitel «Dämmerung» möchte er als Gesellschaftsdiagnose verstanden wissen. Bewährte Wirtschafts- und Lebensweisen würden heute hinterfragt, für die Zukunft seien neue tragfähige Modelle gesucht. «Adrian Gander geht es, mit hell und dunkel als auffälligem Gestaltungsmittel, um die Widersprüchlichkeit der menschlichen Existenz», stellt Jana Bruggmann fest.

Gleich ins Auge sticht das grossformatige Bild «Lost 2021». Darin zeigt Gander, bedrückend und betörend, wie sich heutzutage auch Junge im Wirrwarr eigener Gedanken verlieren können. Explosiv wirkt das Bild. Wirr nachgerade. Interessant – und für Gander neu – sind mehrteilige Serien. Damit thematisiert er filigran – mit Grafit, Tusch oder Ölkreide – das Aufeinandertreffen von Natur und Technologie. Hier mit kaum erkennbaren Gesichtern, dort mit Zeichnungen zum stetigen Zerfall. Besonders frappant sind gegossene, japanisch angehauchte Roboterfigürchen in einer Vitrine. «Ich schaffe hier Schutzhüllen für Menschen», erklärt Gander dazu. Und die Fragen dahinter: Wie verletzlich ist unser Körper? Welche Schutzmechanismen drängen sich in der Pandemie auf?

Natur auf Handys aus Beton

Mit dem Zwiespalt zwischen Ursprung und Fortschritt setzt sich das Atelier Zweievierzg im Pavillon auseinander. Naomi Mathys, Yanick Monaco, Christoph Schmidt und Raphael von Matt – jede und jeder von ihnen beherrscht eine andere Sparte der digitalen Technik oder Anwendung – haben an der Wand 136 iPhones befestigt. Alle sind sie aus Beton gegossen und exakt angeordnet.

Mit den Kameras ihrer eigenen Mobiltelefone haben die jungen Leute Aufnahmen der Natur in ihrer Einfachheit gemacht. In einem aufwendigen Verfahren werden sie auf die Betonhandys projiziert. Zu den Naturbildern, die sich laufend verändern, gibt es eine Soundcollage aus ursprünglichen Tonaufnahmen. Carmen Stirnimann – sie hat diese Schau kuratiert – sagt: «Die Künstlerinnen und Künstler zeigen eine Perspektive der digitalen Realität, die tagtäglich unsere Wahrnehmungen beeinflusst und formt.»

Museum Nidwalden: Adrian Ganders «Dämmerung» bleibt bis zum 31. Januar 2022 installiert. Die Ausstellung des Ateliers Zweievierzg mit jungen Kunstschaffenden ist bis zum 10. September zu sehen.

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