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Zug

Zweite Frau im Kanton Zug schliesst ihre Maurerlehre ab

Sie ist erst die zweite Frau im Kanton Zug, die ihre Lehre als Maurerin abschliesst. Alischa Fähndrich setzt sich in ihrer Vertiefungsarbeit mit der Rolle der Frau in einer Männerdomäne auseinander und räumt mit Vorurteilen auf.
Die junge Handwerkerin Alischa Fähndrich fühlt sich wohl auf der Baustelle. Bild: Christian Herbert Hildebrand (Zug, 27. März 2019)

Cornelia Bisch

Schon als kleines Mädchen begeisterte sich Alischa Fähndrich für Baustellen, die sie mit ihrem Vater – selbst Maurer – oft und gerne besuchte. Barbie und Co. waren nicht ihr Ding. Bagger und Traktoren mussten für die hübsche, blonde Tochter her. «Als ich laufen lernte, war das erste, was ich mir schnappte, ein ausklappbarer Meter», erzählt die 20-Jährige. «Dieses Mädchen wird einmal Maurerin», orakelte ihr Vater weise, als er das sah. Genau so sei es schliesslich auch gekommen, kommentiert Fähndrich schmunzelnd.

In wenigen Wochen schliesst sie ihre Lehre beim Baugeschäft Ineichen AG Zug ab. In ihrer Vertiefungsarbeit «Frau auf Bau» (siehe Box) untersucht sie die Rolle der Frau in dieser bis heute unangefochtenen Männerdomäne.

Entscheidung nie bereut

Die junge Handwerkerin traf ihre Berufswahl nicht leichtfertig. «Ich schnupperte in viele andere Berufe hinein: Fachangestellte Gesundheit, Kinderbetreuung, Landschaftsgärtnerei.» Sie habe alles ausprobiert, aber nichts habe ihr so richtig den Ärmel reingezogen. Schliesslich kehrte sie zu ihrem ursprünglichen Plan zurück, eine Maurerlehre zu beginnen. «Ich machte ein Praktikum und wusste sofort, das ist es.» Diesen Entscheid hat sie nie bereut.

Die Firma Ineichen AG Zug bildete bereits eine Maurerin im zweiten Lehrjahr aus, die erste Frau überhaupt im Kanton Zug. «Wir waren als Firma immer sehr offen», erzählt Kathrin Renggli, Kaufmännische Leiterin und Mitglied der Geschäftsleitung. Leider seien aber nur sehr wenige Frauen an einer Arbeit auf dem Bau interessiert. «Indem wir Alischas Vertiefungsarbeit etwas publik machen, hoffen wir, mehr Frauen für Berufe auf dem Bau anzusprechen», so Renggli. Die ersten zwei bis drei Monate seien hart gewesen, erinnert sich Fähndrich. «Ich fiel abends um sieben todmüde ins Bett.» Das sei nicht ungewöhnlich, betont Renggli. «Auch die männlichen Lernenden müssen sich erst an den Rhythmus gewöhnen.» Denn auf dem Bau beginnen die Tage früh, sommers arbeitet man neun, winters acht Stunden täglich.

Man darf nicht zimperlich sein

Der Ton auf der Baustelle sei zwar rau, aber nicht so schlimm wie allgemein angenommen, nimmt Fähndrich ihre Kollegen in Schutz. Man dürfe nicht zimperlich sein, müsse auch mal was schlucken können. Ähnliche Erfahrungen schildern auch die vier Frauen, die Alischa Fähndrich für ihre Arbeit interviewte. Man müsse sich als Frau erst beweisen, um ernst genommen zu werden. Auch Respekt müsse man sich erarbeiten, berichten die Frauen.

«Für die Männer ist es halt eine Umstellung. Sie müssen sich erst an Frauen auf der Baustelle gewöhnen», sagt Fähndrich. «Man wird oft unterschätzt. Das nervt manchmal.» Es ist der jungen Maurerin lieber, einen Kollegen zu fragen, wenn sie Unterstützung braucht, als dass man ihr die Arbeit einfach abnimmt. «Auch Männer brauchen manchmal Hilfe. Das ist ja nichts Besonderes.» Mangelnde Körperkraft würden Frauen durch Geschicklichkeit ausgleichen, stellen die befragten Fachleute einhellig fest. Als Kranführerinnen oder Maschinistinnen seien Frauen klar im Vorteil.

An der Oberstufenschule, an der Alischa Fähndrich ihren Beruf vorstellte, erntete sie zwar Bewunderung seitens der Mädchen, jedoch zeigte die anschliessende Umfrage, dass nur sehr wenige sich einen Beruf auf dem Bau vorstellen könnten. Die befragten Fachleute stellen allgemein rückläufiges Interesse an Bauberufen fest. «Die heutigen Jugendlichen sind einfach ziemlich faul», glaubt Fähndrich. Ausserdem hätten die Bauberufe ein schlechtes Image.

«Es heisst immer, wenn du schlecht bist in der Schule, gehst du auf den Bau.» Auch sie selbst habe nicht damit gerechnet, dass die Gewerbeschule sie derart fordern würde. «Es wird wirklich viel verlangt.»«Die Karrieremöglichkeiten, welche Bauberufe bieten, werden häufig unterschätzt», ergänzt Kathrin Renggli. Eine Karriere zum Vorarbeiter, Polier und schliesslich Bauführer sei nach der Maurerlehre möglich. «Diese Fachleute verdienen gut und sind sehr gefragt.» Auch Alischa Fähndrich hat vor, sich zur Polierin weiterzubilden. «Viele Frauen entscheiden sich dafür, weil damit mehr administrative Aufgaben verbunden sind. Dadurch gestaltet sich der Arbeitsalltag etwas weniger streng.»

Neue Modelle sind gefragt

Ein weiteres grosses Thema ist die Familienplanung. Eine der befragten Frauen wird ihren Beruf ganz aufgeben, weil sie Mutter werden möchte. «Als Polierin ist es fast unmöglich, Teilzeit zu arbeiten», ist Fähndrich überzeugt. «Ausserdem ist eine Schwangerschaft im Baugewerbe gefährlich.» Dem stimmt auch Kathrin Renggli zu. «Andererseits müssen Teilzeitpensen heute möglich sein», stellt sie klar. Die Gesellschaft befinde sich im Wandel. «Auch junge Väter wollen sich an der Erziehungsarbeit beteiligen und verlangen nach neuen Modellen.»

Übrigens: Wenn Alischa Fähndrich ihre Bauhandschuhe auszieht, kommen wunderschön manikürte und lackierte Nägel zum Vorschein. Sie lacht. «Ich fange jetzt nicht an zu heulen, wenn einer abbricht. Aber es ist mir wichtig, trotz Baustelle Frau zu sein.»

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