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Zug

Zwei Zugerinnen erinnern sich an den ersten Frauenstreiktag vor 28 Jahren

Nach dem ersten Schweizer Frauenstreiktag am 14. Juni 1991 findet am Freitag, 14. Juni der zweite statt. Anna-Valeria Ferrara und Sybilla Schmid Bollinger nahmen und nehmen an beiden teil. Sie erinnern sich mit gemischten Gefühlen.
Am Frauenstreiktag 1991 in Baar kochten die Männer für die Frauen ein Mittagessen. (Bild: Sybilla Schmid Bollinger)

Cornelia Bisch

Die eine Historikerin, die andere Pflegefachfrau, beide Gewerkschaftsmitglieder und Frauenrechtsaktivistinnen: Sybilla Schmid Bollinger und Anna-Valeria Ferrara, beide 62 Jahre alt, nahmen am Streiktag vom 14. Juni 1991 in Zug federführend teil. «Es ist frustrierend zu sehen, wie sehr sich die damaligen und heutigen Anliegen gleichen», bedauert Schmid.

Am augenfälligsten ist natürlich die Gleichstellung, die trotz Gesetz bis jetzt nicht durchgesetzt wurde. «Die Gleichstellungsbüros, die nach dem Streik von 1991 eröffnet wurden, haben ausser der Sensibilisierung durch Kampagnen nicht viel erwirkt.»

Weitere Forderungen von damals, die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs beziehungsweise das Recht auf den eigenen Körper, sowie die Mutterschaftsversicherung wurden teilweise erfüllt. «Es entstanden Geburtshäuser, Frauenhäuser und Frauenambulatorien, deren Fachpersonal ausschliesslich weiblich war», berichtet Ferrara. Aber auch weitere, globalere Themen seien damit angesprochen worden, Frauenbeschneidung etwa oder Zwangsheirat, Gewalt gegen Frauen ganz allgemein. «Man hat begonnen, sich damit auseinanderzusetzen.»

Als Pflegefachfrau setzte sich Ferrara auch für bessere Lohn- und Arbeitsbedingungen für Pflegeberufe ein. «Es gab keine Regelung für die Nachtarbeit, keine Vorschriften zur Einhaltung von Ruhezeiten.» Viele Pflegende arbeiteten Teilzeit, weil der Beruf sie so stark forderte. «Das ist auch heute noch so. Die finanziellen Konsequenzen im Arbeitsleben und im Rentenalter tragen wir aber selbst.» Es sei ihnen bezüglich Pensionskassengelder das Blaue vom Himmel herunter versprochen worden. «Die Realität allerdings ist ernüchternd. Als Teilzeitangestellte sind wir unterversichert.»

Engagierte Gewerkschafterinnen

Als Tochter einer Mutter ohne Berufsbildung wurde das «Tschinggeli», wie Ferrara wegen ihrer italienischen Herkunft abfällig genannt wurde, früh von deren Wunsch geprägt, ihren drei Töchtern eine gute Ausbildung zu ermöglichen. Das gelang ihr auch.

«Wir gehörten einer aufmüpfigen Generation an», erzählt Ferrara. «Wir beide waren 14 Jahre alt, als das Frauenstimmrecht eingeführt wurde. Das war eine Riesensache für uns.» Nach Beendigung ihrer Ausbildung entschied sie sich, in die Gewerkschaft VPOD (Verband des Personals öffentlicher Dienste) einzutreten und sich für die Frauenrechte zu engagieren. Sybilla Schmid Bollinger wuchs in Cham auf, lebte lange in Baar und zog vor zwölf Jahren nach Erstfeld. Trotzdem wird sie heute gemeinsam mit der Stadtzugerin Anna-Valeria Ferrara am zweiten Frauenstreiktag in Zug teilnehmen. Sie besuchte das Gymnasium und studierte Geschichte. «Ich engagierte mich in der politischen Linken. Wir waren der Überzeugung, direkt bei den Arbeitnehmern in Produktionsbetrieben am meisten bewegen zu können.» Also nahm sie eine Stelle als Informatikerin bei V-Zug an, während sie sich berufsbegleitend mit Kursen im IT-Bereich weiterbildete. Sie trat in die Gewerkschaft Unia ein und wurde Angestelltenvertreterin.

Mehrere hundert Teilnehmerinnen

«Ich war eine der Organisatorinnen des Zuger Frauenstreiktags», erzählt sie. «Ich dachte zuerst, die Frauen hätten Schiss zu kommen, aber es versammelten sich dann doch mehrere hundert auf dem Landsgemeindeplatz zur abendlichen Kundgebung.» Zuvor hatte sie gemeinsam mit Ferrara ein Mittagessen für die Baarer Frauen auf dem Platz hinter dem Rathaus organisiert, an dem ebenfalls zirka hundert Personen teilnahmen. «Das heisst, die Männer kochten, Frauen und Kinder waren eingeladen, und wir betrieben unsere Kundgebungsstände.»

Die beiden Freundinnen erinnern sich gerne an diesen Tag und werden heute in Zug ebenfalls am Streik teilnehmen. «Als Frühpensionierte und als angehende Rentnerin stehen wir heute für die Interessen der älteren Generation ein», sagt Ferrara. Auch die Haus-, Familien- und Freiwilligenarbeit, die grösstenteils von Frauen geleistet wird, ist ein grosses Thema für die beiden. «Diese Arbeit wird weder anerkannt noch wertgeschätzt. Eine Rente erhält man dafür erst recht nicht», bedauert Schmid. «Die ganze Arbeitsverteilung in der Gesellschaft sollte man neu überdenken.»

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