Dorotea Bitterli
Dorotea Bitterli
Dorotea Bitterli
Dorotea Bitterli
An einem der ersten lauen Sommerabende versammeln sich rund um das Open-Air-Kino am See viele interessierte Zugerinnen und Zuger. Geladen hat der Verein «50 Jahre Frauenstimmrecht Zug», der 2020 unter der Federführung des Stadtarchivs und der Bibliothek Zug ins Leben gerufen worden ist, um die Jubiläumsfestivitäten zu bündeln und zu koordinieren. Auf dem Programm steht eine ungewöhnliche Talkrunde mit sieben Zuger Politikerinnen aus verschiedenen Parteien – etwas, von dem die Geschäftsleiterin Nicolett Theiler sagt:
«Das war nicht so leicht zu bewerkstelligen. Wir wollten nämlich nicht die übliche Konfrontation, sondern ein Gespräch über Grenzen hinweg.»
Obwohl an diesem Abend also die Frauen das Wort haben, moderiert die Runde ein Mann, der junge Zuger Dokumentarfilmer Remo Hegglin, dem es, kommunikationsgewandt und selbstbewusst, gelingt, das Parteien-Bashing zu vermeiden. Er hält galant das Mikrofon für die Begrüssungsrede der Vereinspräsidentin Iris Blum. Die Zuger Historikerin und Stadtarchivarin beginnt mit einem Zitat von Rosa Luxemburg: «Es ist und bleibt immer die revolutionärste Tat, das laut zu sagen, was ist.» Und stellt daher die Frage: Was feiern wir eigentlich? Denn «unverschämt lange wurde uns Frauen das Stimm- und Wahlrecht verweigert», und Länder wie etwa «Äquatorialguinea, die Türkei, die Fidschi-Inseln» besassen es vor der Schweiz.
Wenn es etwas zu feiern gäbe, so Blum, dann all die Vorkämpferinnen, die seit dem 19. Jahrhundert bis 1971 dafür kämpften – «mit List, Lust und Frust», ohne aufzugeben, oft ein Leben lang. Seit Frauen endlich an der aussergewöhnlichen Demokratie der Schweiz teilhätten, bewirkte ihre Stimmbeteiligung schon so manches, unter anderem das neue Eherecht. Blums Wunsch ist es, «dass wir Sorge tragen zu den errungenen Rechten; sie fallen nicht vom Himmel». Denn die alte Ordnung – gemeint ist: Männer regieren Frauen und Staaten – sei eben «nicht göttlich».
Die Anliegen sind bekannt
Immer noch gibt es viel zu tun punkto Gleichberechtigung und Geschlechtergerechtigkeit. Das wird während der etwas mehr als halbstündigen Talkrunde erneut klar. An zwei Stehbar-Tischchen befragt Hegglin eine um die andere der jüngeren und älteren Politikerinnen unter dem Motto «Was bewegt diese Menschen im Alltag?».
Es kommen die bekannten Anliegen: Gleichstellung vor dem Gesetz und im Alltag, gleiche Renten, gleiches Rentenalter, gleiche Vorsorge, daher Individualbesteuerung, Frauenförderung, Frauenmut, Frauensolidarität, Frauen in Kadern und Leitungsgremien, Vereinbarkeit von Beruf und Kindererziehung, daher Betreuungsplätze für jedes Kind, Lohngleichheit, bessere Entlöhnung typischer Frauenberufe wie Care-Arbeit oder Kinderbetreuung, Gewalt gegen Frauen und deren gesetzliche Ahnung, Elternzeit für Männer, gendergetrennte Bildung und so weiter.
Jill Nussbaumer (FDP), Anna Bieri (Die Mitte), Brigitte Wenzin Widmer (SVP), Monika Mathers-Schregenberger (CSP), Virginia Köpfli (SP), Tabea Zimmermann Gibson (ALG) und Tabea Estermann (GLP) unterscheiden sich in ihren Voten teilweise, aber überblickt man diese, ahnt man den gemeinsamen Fluss, die gemeinsame Energie darunter. Und eine von ihnen drückt es so aus:
«Wir müssen die Konzepte in den Köpfen verändern und Frauen als das nehmen, was auch Männer sind: einfach nur Menschen.»
Sinnfällig und hautnah zeigt am Ende des Abends der Schweizer Film «Die göttliche Ordnung» von Petra Volpe (2017), der in einem kleinen Appenzeller Dorf spielt und sich mit der Abstimmung von 1971 auseinandersetzt, wie sich Frauenemanzipation entwickelt und angefühlt hat.
Der Verein «50 Jahre Frauenstimmrecht Zug» plant im Verlauf des Jahres 2021 weitere Veranstaltungen. Alle Infos auf www.frauenstimmrecht-zug.ch.