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Zug

Zuger Parteien stehen Cannabis-Legalisierung offen gegenüber – wenn Jugendliche geschützt werden

In Deutschland soll der Konsum der Droge nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden. In der Schweiz wurde die gesetzliche Grundlage für Pilotversuche geschaffen. Welche Haltung hat die Zuger Politik zum Thema?
In Hanfpflanzen steckt nicht nur THC, das berauschend wirkt, sondern auch CBD, welchem entzündungshemmende und entkrampfende Wirkungen nachgesagt werden. (Symbolbild: Severin Bigler (Ennetbaden, 21. Februar 2021))
Virginia Köpfli.
Gesundheitsdirektor Martin Pfister. (Bild: Stefan Kaiser (Zug, 10. November 2021))
Frank Kleiner

Tijana Nikolic und Vanessa Varisco

Tijana Nikolic und Vanessa Varisco

Tijana Nikolic und Vanessa Varisco

Tijana Nikolic und Vanessa Varisco

Tijana Nikolic und Vanessa Varisco

Cannabis soll in Deutschland legal werden. Das haben SPD, Grüne und FDP in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten. Wann die Umsetzung erfolgt, ist noch offen. Auch in der Schweiz laufen auf nationaler Ebene Pilotversuche zur kontrollierten Abgabe zu «Genusszwecken». Wie stehen die Zuger Kantonalparteien zu einer Legalisierung?

Grundsätzlich sehr offen. «Für uns von der GLP ist klar: Der ‹War on Drugs› ist gescheitert. Die repressive Drogenpolitik nach dem Motto ‹Strafverfolgung führt zu weniger Konsum› hat keine Wirkung gezeigt, sondern hohe Gesundheits- und Sicherheitskosten verursacht», schreibt Tabea Estermann, Präsidentin der GLP. Weiche Drogen wie Cannabis sollen daher «unter Berücksichtigung des Jugendschutzes legalisiert und analog zu Tabak und Alkohol besteuert werden». Cannabis-Konsum sei aber nicht in jedem Fall harmlos. Darum soll die Cannabis-Steuer laut GLP in die Prävention, ein flächendeckendes Netz für Therapien und in die Sozialwerke investiert werden.

Ebenfalls befürworten die ALG, FDP, Mitte und SP eine Legalisierung. Aus ähnlichen Gründen wie die GLP. Gemäss Mitte-Präsidentin Laura Dittli sei das Thema derzeit noch nicht besprochen worden, man sehe eine Legalisierung bei angemessenem Jugendschutz als denkbar. Andreas Lustenberger (ALG) findet, dass Cannabis ab 18 legal sein soll, damit könne auch «den mafiösen Schwarzhandel» der Cannabis-Szene der Gar ausgemacht werden können. Die SVP hat auf unsere Anfrage nicht reagiert.

Durch eine kontrollierte Abgabe könnte zum Beispiel die Qualität des Cannabis gewährleistet werden, findet Virginia Köpfli (SP):

«Denn gestrecktes Cannabis wurde in den letzten Jahren immer häufiger zu einem Gesundheitsrisiko.»

Man knüpft jedoch gewisse Bedingungen daran. Zu einer Entkriminalisierung sagt der kantonale FDP-Präsident Cédric Schmid beispielsweise: «Die FDP ist der Meinung, dass der Jugendschutz als wichtige Präventionsmassnahme nur über die Entkriminalisierung durchgesetzt werden kann. Das jetzige Verbot von Cannabis zeigt offenbar nicht die erhoffte Wirkung: Der Konsum stabilisiert sich seit Jahren auf hohem Niveau.»

Kantonale Zahlen fehlen

Die kantonale Gesundheitsdirektion verfügt über keine Zahlen zum Cannabis-Konsum in Zug. «In der Schweiz liegen die abschliessenden Gesetzgebungskompetenzen im Bereich der Betäubungs- und Heilmittel beim Bund», sagt der Zuger Gesundheitsdirektor Martin Pfister. Mit der Frage nach einer allfälligen Legalisierung von Cannabis-Produkten würde sich daher primär der Bundesrat respektive das eidgenössische Parlament befassen. «Der Zuger Regierungsrat hat sich im Juli 2018 im Rahmen einer Interpellation zu dieser Frage geäussert, diese Aussagen gelten nach wie vor», so Pfister weiter.

Diese Interpellation kam von Kantonsrat Andreas Lustenberger (ALG). Der wollte unter anderem wissen, welche Vorteile der Regierungsrat in der Liberalisierung von Cannabis sehe, wie der Regierungsrat die Tatsache begründe, dass gewisse berauschende Substanzen wie Alkohol legal konsumiert werden können und wie es um die Situation des Schwarzmarktes mit Cannabis in Zug stehe.

Eine Gefahr für junge Konsumenten

«Da Cannabis in einem Schwarzmarkt gehandelt wird, sind kriminelle Strukturen verbreitet und eine Trennung des Cannabis-Marktes von anderen Drogenmärkten ist kaum möglich», war damals ein Teil der Antwort des Regierungsrats. Dadurch sei unvermeidlich, dass Cannabis-Konsumentinnen und -Konsumenten auch direkt in Kontakt zu anderen illegalen Drogen gerieten.

Die Erfahrungen mit Alkohol zeigen folglich auf, dass ein Verbot der Abgabe an Minderjährige keinen ausreichenden Jugendschutz biete. Während der Konsum von Suchtmittel wie Alkohol oder Tabak durch Jugendliche im Allgemeinen sehr kritisch betrachtet werden müsse, sei diese Problematik bei Cannabis, einer psychoaktiven Substanz, in erhöhtem Masse vorhanden.

Doppelt so hohes Psychose-Risiko durch Cannabis

«Jugendliche befinden sich mitten in der körperlichen und psychischen Entwicklung und sind dadurch deutlich anfälliger für schädliche Auswirkungen von Cannabis als Erwachsene», führte der Regierungsrat damals in der Antwort weiter aus. Je früher mit dem Cannabis-Konsum begonnen wird und je intensiver der Konsum ist, desto höher ist das Risiko für negative Folgen. Der Regierungsrat verwies in der Antwort auf die Interpellation aus dem Jahr 2018 ausserdem auf eine Metastudie, welche sämtliche relevanten Ergebnisse der weltweiten Forschung der letzten 20 Jahre ausgewertet hatte und die Gefahren des Cannabis-Konsums gerade bei Jugendlichen deutlich aufzeigte.

Das doppelt so hohe Psychose-Risiko bei Cannabis-Konsumierenden zeige laut der Metastudie, dass es sich bei Cannabis keinesfalls um ein harmloses Genussmittel handelt. Eine Psychose könne bei Jugendlichen zu Langzeitfolgen führen, die etwa in einer Unfähigkeit, in den Arbeitsprozess einzusteigen, münden könnten. Neben dem persönlichen Leid würde dies auch zu finanziellen Mehrkosten für die öffentliche Hand führen, da diese für das Aufkommen der betroffenen Personen sorgen muss, beispielsweise durch die IV oder Sozialhilfe.

Ausdruck des Volkswillens

«Cannabis ist in der Schweiz seit dem Jahr 1951 als Betäubungsmittel gelistet und somit verboten. In der Vergangenheit gab es mehrere Versuche, Cannabis durch politische Vorstösse zu entkriminalisieren oder zu legalisieren», so Pfister. Sowohl mehrere Vorstösse im eidgenössischen Parlament als auch eine Volksinitiative im Jahr 2008, die eine Entkriminalisierung von Cannabis forderten, seien abgelehnt worden. Die Volksinitiative mit 63 Prozent Nein-Stimmen.

«Eine gewisse Lockerung der gesetzlichen Grundlage fand im Jahr 2013 im Zuge der Revision des Betäubungsmittelgesetzes statt. Seitdem wird der Besitz von Cannabis bis maximal zehn Gramm mit einer Ordnungsbusse geahndet und auf eine Verzeigung verzichtet, falls die Busse akzeptiert wird», fährt Pfister fort. Die Tatsache, dass der Anbau, Handel, Besitz und Konsum von Cannabis in der Schweiz illegal seien, stelle somit einen politischen Entscheid dar und ist Ausdruck des Volkswillens.

Weniger Kontrollen wegen Corona

Im Jahr 2020 haben die Betäubungsmitteldelikte im Vergleich zum Vorjahr um 25 Prozent abgenommen. «Eine definitive Erklärung für diesen Rückgang gibt es nicht. Möglich wäre zum Beispiel, dass aufgrund der Massnahmen gegen die Pandemie sich phasenweise weniger Jugendliche und junge Erwachsene im öffentlichen Raum aufhielten, was weniger Delikte ergab», sagt Frank Kleiner, Mediensprecher der Zuger Polizei.

Die Zuger Polizei führte zudem aufgrund der ihr durch die Pandemie zugewiesenen Überprüfung der Schutzmassnahmen (Covid-Kontrollen) weniger Kontrollen im Bereich Betäubungsmittel durch. «Nach einer kurzen Zeitspanne, insbesondere nach dieser von der Pandemie geprägten Zeit, jedoch von einer Trendumkehr zu sprechen, würde nicht die Realität wiedergeben», betont Kleiner. Dafür bedarf es eines längeren Beobachtungszeitraums.

Zuger Polizei sehr präsent im öffentlichen Raum

Eine eigentliche Betäubungsmittel-Szene existiere in Zug nicht. Der Handel mit Betäubungsmittel macht jedoch nicht an der Kantonsgrenze halt.

«Betäubungsmittelstraftaten aufzudecken und anzuzeigen, fordert die Polizei. Die verschiedenen Drogenszenen in der Schweiz sind keineswegs statisch. Vielmehr verändern sie sich ständig»,

erklärt Kleiner. Doch die Zuger Polizei sei im öffentlichen Raum sehr präsent: «Dadurch gelingt es uns, eine offene Drogenszene zu verhindern.»

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