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Zug ist Spitzenreiter bei Konkursen, die durch den Kanton ausgelöst werden – sind die vielen Briefkastenfirmen der Grund?

Der Kanton Zug ist im schweizweiten Vergleich ganz oben bei jenen Konkursen, die wegen Organisationsmängeln durch das Handelsregisteramt ausgelöst werden. Weshalb, können sich die Behörden nicht erklären. Die Datenanalyse unserer Zeitung zeigt jedoch auffällige Indizien.
Derzeit publiziert das Konkursamt auf seiner Website gleich zwei Firmen, die wegen Organisationsmängeln aufgelöst werden. (Bild: Screenshot Konkursamt Zug, 25. Februar 2021)
Andreas Hess, Leiter Handelsregister- und Konkursamt Kanton Zug. (Bild: PD)

Zoe Gwerder

Zoe Gwerder

Zwei grosse, rot umrandete Anzeigen zieren derzeit die Homepage des Zuger Konkursamtes. Zwei Firmen – beide in Liquidation. Doch es sind keine «regulären» Konkurse, sondern beide wurden wegen Organisationsmängeln vom Handelsregister- und Konkursamt ausgelöst.

Konkurse wegen Organisationsmängeln betreffen Firmen, bei welchen beispielsweise kein Verwaltungsrat im Handelsregister eingetragen ist oder ein Eintrag zur Revisionsstelle fehlt. Werden diese Mängel innert der vom Handelsregisteramt festgelegten Frist nicht behoben, kann der Staat einen Konkurs einleiten. Dies erlaubt der Obligationenrechts-Artikel 731b, der 2008 in Kraft getreten ist.

Die Gründe für diese Mängel seien äusserst vielseitig, erklärt der Leiter des Handelsregister- und Konkursamtes Andreas Hess: Firmen, die niemanden mehr für die Leitung fänden, oder solche mit zerstrittenen Aktionären, die sich nicht auf einen Verwaltungsrat einigen können. Es gebe Fälle, bei welchen noch viel Geld und gar Liegenschaften in die Konkursmasse flössen. Bei vielen konkursiten Firmen mit Organisationsmängeln sei jedoch kein Geld mehr vorhanden.

Starke Zunahme von OR 731b-Konkursen

Grosse Fälle, wie sie derzeit auf der Homepage zu sehen sind, seien jedoch selten, sagt Hess.

«Das Vorgehen mit diesen Publikationen ist sehr aussergewöhnlich, da die beiden Verfahren sehr umfangreich und komplex sind und wir externe Unterstützung hinzuziehen mussten.»

Doch im kleineren Format gehören Konkurse wegen Organisationsmängeln im Kanton Zug zum Alltag. Alleine im vergangenen Jahr wurden 45 Prozent aller Konkurse aus diesem Grund eingeleitet. Und in den letzten zwei Jahren hat die Anzahl solcher Konkurse im Kanton Zug – nach einem Rückgang – wieder stark zugenommen, wie die folgende Grafik zeigt:

Wieso die Zahlen der Konkurse wegen Organisationsmängeln im Kanton Zug so hoch sind und tendenziell wieder ansteigen, sei eine schwierige Frage, sagt Hess. «Wir wissen es schlichtweg nicht.» Er sieht mögliche Gründe bei der Arbeit seines Amtes: «Die rigorose Verfolgung der 731b-Fälle durch das Handelsregisteramt trägt natürlich auch zur hohen Fallzahl bei.» Dies führe zu einer «sehr hohen Datenqualität und Datenzuverlässigkeit», was wiederum dem Wirtschaftsstandort Zug zugutekomme.

Zug gehört zu den Spitzenreitern

Alleine anhand der Arbeit des Handelsregisteramts sind die vielen Konkurse wegen Organisationsmangel wohl aber nicht zu erklären. So verzeichnet der Kanton Zug schweizweit den höchsten Anteil an solchen Konkursen. Im Durchschnitt über die Jahre 2011 bis 2019 sind es 45 Prozent, wie eine Auswertung der Konkurszahlen des Bundesamtes für Statistik zeigt:

Auch was die absoluten Zahlen betrifft, ist der Kanton Zug mit durchschnittlich 204 Konkursen wegen Organisationsmängeln zwischen 2011 und 2019 ganz oben. Nur Zürich (205), Genf (267) und das Tessin (291) zählen noch mehr solche Fälle:

Diese Zahlen können nicht einzig mit den vielen Firmen im Kanton Zug erklärt werden: So wurden im Jahr 2019 0,5 Prozent aller eingetragenen Firmen nach OR 731b von Amtes wegen aufgelöst – im schweizweiten Vergleich liegt dies ebenfalls im vorderen Bereich.

Auf der Suche nach Antworten, wieso der Anteil solcher Konkurse im kantonalen Vergleich stark variiert, zeigt sich, dass deren Hintergrund wenig untersucht ist. Weder bei der Eidgenössischen Finanzkontrolle, welche kürzlich die Datenzuverlässigkeit des Handelsregisters geprüft hat, noch beim Bundesamt für Justiz, welches auch das Eidgenössische Amt für das Handelsregister unter sich hat, kann zu den Konkursen nach OR 731b etwas gesagt werden. Auch dem Kompetenzzentrum Wirtschaftskriminalistik der Hochschule Luzern Wirtschaft sind keine entsprechenden Untersuchungen bekannt.

Zusammenhang mit Briefkastenfirmen «ist naheliegend»

Eine mögliche Erklärung könnte ein hoher Anteil an Sitzgesellschaften und anderen substanzlosen Unternehmen sein. So fällt auf, dass auch die anderen Kantone an der Spitze dieser Auswertung als attraktive Standorte für solche Unternehmen bekannt sind.

Andreas Hess sagt, diese Vermutung sei naheliegend. «Aber wir haben nie eine Erhebung gemacht.» Beim Handelsregisteramt werden alle neuen und veränderten Einträge von Mitarbeitern überprüft:

«Wären grossmehrheitlich Sitzgesellschaften unter den mangelhaften Firmen, wäre uns das aufgefallen.»

Doch es sei kein Muster zu erkennen.

Ein Blick auf die Steuerbelastung für Firmen in den Kantonen scheint jedoch die Vermutung bezüglich Briefkastenfirmen zu untermauern. So ist die Belastung in denselben Kantonen am tiefsten, die auch den höchsten Durchschnitt an Konkursen infolge Organisationsmängeln aufweisen.

Eingestellte Fälle kosten mehrere tausend Franken

Doch Hess vermutet einen anderen Grund, der zumindest die erneut steigenden Zahlen im Kanton Zug erklären könnte: einen Trend, der mit der «Wegwerfmentalität unserer Gesellschaft» zu tun habe.

«Für einen Geschäftsführer einer GmbH oder einen Verwaltungsrat einer AG ist es einfacher, wenn er bei einem maroden Unternehmen von seinem Posten zurücktritt und das Konkursamt dann die Arbeit machen lässt. So können diese Leute Kosten und Zeit sparen.»

Dies zu Lasten des Konkursamts. Wie viel das den Kanton kostet, sei nicht bekannt, erklärt Hess. Es gebe keine solche Daten zu Konkursen nach OR 731b. Doch auch Konkursverfahren, die mangels Geldes eingestellt werden, kosten: Zwischen 2500 und 3000 Franken, wie Andreas Hess auf Nachfrage sagt – bezahlt vom Zuger Steuerzahler.

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