notifications
Zug

Ständeratskandidatin Barbara Gysel: «Wir sind doch nicht naiv»

Barbara Gysel tritt bereits zum zweiten Mal für die SP bei einer Ständeratswahl an. Demokratie heisse eben, einen langen Atem zu haben.
SP-Ständeratskandidatin Barbara Gysel lässt sich eine Kugel Glace am Zugerseeufer schmecken. (Bild: Maria Schmid, Zug, 25. Juli 2019)

Interview: Christopher Gilb

Die Präsidentin der Zuger SP, Barbara Gysel, hat sich fürs Interview für die Speck Gelateria am See entschieden. Sie habe nicht das eine Lieblingsrestaurant, sondern sei mal hier mal da. Aber wenn es so heiss sei, wie an diesem Tag Mitte Juli, halte sie sich gerne am See auf und esse gerne Glace, das passe doch. Sie bestellt eine Kugel Nougateis und ein Mineral.

2018 wollten Sie Regierungsrätin werden, nun bewerben Sie sich als Ständerätin. Was kommt als Nächstes?Barbara Gysel: Ich bin nicht auf das eine Mandat oder das eine Amt fixiert, sondern flexibel; sowohl Aufgaben in der Exekutive als auch in der Legislative und lokal sowie national erfüllen einen gesellschaftlichen Auftrag und reizen mich. Ich bin übrigens auch mit meinem Job bei der Stiftung Kinderschutz Schweiz sehr zufrieden und bin deshalb nicht auf ein politisches Amt angewiesen. Mein Umfeld und ich sind aber der Überzeugung, dass ich eine gute Regierungs- oder eben Ständerätin sein könnte. Zudem führe ich nicht ungern Wahlkampf. Wieso das?Weil man mehr als sonst mit den Bürgerinnen und Bürgern in Kontakt kommt, auch mit solchen, die sich eigentlich weniger für Politik interessieren. Als ich im letzten Wahlkampf Flyer verteilte, sprachen mich beispielsweise gleich mehrere Passanten auf ein Zuger Problem an, dass ich bis anhin nicht auf dem Radar hatte: den Lärm. Ihre Lebensqualität leide darunter, wenn etwa ständig Leute in ihren Boliden den Zugerberg hochrasen. Ein anderer Passant war über 50 und verzweifelt, weil er keinen Job mehr findet, und wollte wissen, was die SP für ältere Arbeitslose macht. Ich traf mich dann noch mit ihm. Einige der Leute konnte ich auch generell dazu motivieren, überhaupt wählen zu gehen. Das ist bitter nötig, schliesslich geht die Mehrheit nicht wählen.Ihre Konkurrenten um einen Ständeratssitz sind der aktuelle Finanzdirektor und der ehemalige Volkswirtschaftsdirektor des Kantons. Haben Sie da überhaupt Chancen?Zug ist ein bürgerlicher Kanton, deshalb ist es klar, das wir dieses Jahr nicht das Rennen machen werden, da sind wir doch nicht naiv. Aber ich bin mit Überzeugung dabei. (Anmerkung der Redaktion: Gysel zeigt eine Tabelle: Diese führt chronologisch die Anzahl SP-Vertreter im Ständerat auf. Im Jahr 1922 hatte die Partei einen im Jahr 2015 zwölf). Sehen Sie, es ging fast 100 Jahre, bis die SP zwölf Ständerätinnen und Ständeräte hatte, früher oder später kommt jemand aus Zug dazu. Man braucht einen langen Atem. Demokratie heisst nicht immer anzutreten, um zu gewinnen. Es geht auch darum, Auswahl zu ermöglichen, und dazu leiste ich meinen Beitrag. Was würden Sie denn anders als die aktuellen Zuger Ständeräte machen?Vermutlich vieles. Ich nehme zwar nicht in Anspruch, die gesamte politische Arbeit inklusive jedes Abstimmungsverhalten der aktuellen Ständeräte Joachim Eder und Peter Hegglin zu kennen, aber ich trete klar für mehr Verdichtung, gegen den ruinösen Steuerwettbewerb und für tiefere Krankenkassenprämien ein. Ich bin zudem überzeugt, dass Zug nur erfolgreich ist, weil es eine lange Tradition gibt, dass wir hier zu denen schauen, die nicht soviel haben. Dieses Zug will ich in Bern vertreten. Ich bin also weder für eine Lobhudelei auf Zug noch für nationales Zug-Bashing, sondern will Zug mit all seinen Facetten ehrlich repräsentieren.Es gibt die Theorie, dass das Beste für die SP wäre, wenn Heinz Tännler gewählt wird.Weil dann ein Sitz im Regierungsrat frei wird? Wir haben immer die Machtpolitik der CVP kritisiert. Und da wir uns eben für den freiwilligen Proporz einsetzen, können wir der SVP aufgrund ihrer Grösse den Anspruch auf zwei Regierungsratssitze nicht absprechen. Schliesslich ist sie kantonal gesehen sogar stärker als die FDP. Aber natürlich würden wir bei einer Nachwahl antreten, wir spekulieren aber sicher nicht auf dieses Szenario. Im Wahlkampf für die Regierungsratswahl haben Sie Brillentücher mit Ihrem Namen verteilt. Mit welcher Strategie wollen Sie im aktuellen Wahlkampf Aufmerksamkeit erregen? Das mit den Brillentüchern ist ein gutes Beispiel dafür, dass Wahlkampf gar nicht so teuer sein muss. Diese entstanden in einer Spontanaktion bei mir zu Hause. Alle, Freunde und Familienmitglieder, halfen mit, meinen Namen auf jedes einzelne Tuch im Flyer zu sticken, das war ein ganz schöner Aufwand. Die Tücher kamen anscheinend gut an, ich sehe heute noch Leute, die sie nutzen. Aber nein, dieses Jahr gibt es keine Tücher. Ich werde aber beispielsweise wieder rege Flyer verteilen und Interessenten anrufen und meine Ziele erklären. Sie sind nicht die einzige linke Kandidatin. Gesetzt den Fall, es gäbe einen zweiten Wahlgang. Würden ALG und SP dann mit nur noch einer Kandidatin antreten?Die Wahrscheinlichkeit dafür ist wirklich nicht sehr hoch. Deshalb beschäftigen wir uns mit diesem Szenario auch erst, wenn es so weit wäre. Aber natürlich, im zweiten Wahlgang hätten wir nur eine Chance, wenn wir ein Stimmensplitting vermeiden würden.

Die «Zuger Zeitung» stellt die Kandidatinnen und Kandidaten für die Ständeratswahlen vom 20. Oktober vor.

Kommentare (0)