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Zug

Sommerklänge: Ungeplante Uraufführung für ein Vokalquintett in Zug

Trotz ausgereifter künstlerischer Leitung: Man spürte auch im zweiten «Sommerklänge»-Konzert die coronabedingten Einschränkungen.
Das Calmus Ensemble sorgte für eine ausserplanmässige Uraufführung im Zephyr Hangar der V-Zug. (Bild: Roger Zbinden (12. Juli 2020))

Jürg Röthlisberger

Für die fünf Mitwirkenden im Calmus Ensemble (Anja Pöche, Sopran, Stefan Kahle Countertenor, Friedrich Bracks, Tenor, Ludwig Böhme, Bariton, sowie Manuel Helmeke, Bass) war Zug der erste Auftritt nach 4 Monaten Zwangspause. Dies bescherte dem Publikum gleich noch eine Uraufführung.

Man hatte während längerer Zeit nicht gemeinsam auftreten können; aber offensichtlich hatten die einzelnen Mitglieder auch privat intensiv gearbeitet. Der Gesamteindruck bestätigte die schon bei früheren «Sommerklänge»-Auftritten bekannten Qualitäten: Ein ausgewogenes Klangverhältnis zwischen den einzelnen Stimmen, tadellose Intonation und prägnante Aussprache, welche im Zephyr Hangar der V-Zug angemessen zur Geltung kam. Vor allem bestand immer der sichere Eindruck, dass sich die Interpretation stets in den Dienst der Kompositionen stellte und nie zum Selbstzweck wurde.

Collage nahe an der Bachkantate «Wer nur den lieben Gott lässt walten»

Das Konzertmotto «Heimat» bedeutete die Umgebung von Leipzig, genauer die Musikausbildung in dieser Stadt, welche alle fünf Mitwirkenden entscheidend geprägt hat. Die erste Hälfte des Programms war daher dem Umfeld von Johann Sebastian Bach gewidmet. Wenn seine musikalischen Einfälle stark überarbeitet wurden, so konnten sich die Ausführenden darauf berufen, dass der berühmte Thomaskantor mit den eigenen und manchmal sogar mit fremden Werken dies auch getan hat. Das als «Collage» bezeichnete «Wer nur den lieben Gott lässt walten» stand nach Stimmungsgehalt und Form nahe der gleichnamigen Bachkantate BWV 93.

Verdienstvoll war es auch, den Blick auf weniger bekannte Thomaskantoren zu werfen, wie Johann Gottfried Schicht (1753-1823), Ernst Friedrich Richter (1808-1879) und Gustav Schreck (1849-1918). Wie die Kostprobe zeigte, war Johann Christoph Altnikol (1720-1759, Schwiegersohn von Johann Sebastian Bach) nicht nur als Kopist für die späten Bachwerke musikgeschichtlich wichtig; er zeigte in den wenigen erhaltenen Notenblättern auch grosses eigenständiges kompositorisches Talent.

Nach der Pause folgten weltliche Werke, angefangen mit Felix Mendelssohn, der das Konservatorium Leipzig 1843 gegründet hat. «Heimat» bedeutete im 19. und 20. Jahrhundert ebenfalls einen wichtigen Kulturkreis mit Komponisten wie Wilhelm Weismann (1900-1980), Kurt Thomas (1904-1973) und Max Reger (1813-1916). Neben Besinnlichem erlebte das Publikum auch humoristische und zum Teil sogar makabre Texte.

Treues Stammpublikum

Als Auftragskomposition hatte das Calmus Ensemble von Fredo Jung (geb. 1949) einen Gedichtzyklus mit Gedichten von Robert Gernhardt bestellt. Nachdem alle Auftrittsmöglichkeiten in Deutschland ausgefallen waren, gelangte das Zuger Publikum so noch zu einer Uraufführung. Die unterhaltsamen Texte erklangen in leicht erweiterter Tonalität, teilweise mit stilistischen Anleihen aus Boogie-Woogie und Blues. Auch hier: Ohne geringste Ermüdungserscheinungen – nach fast zwei Stunden Präsenz mit nur wenigen kurzen Unterbrüchen – beeindruckte nochmals die Sangesfreude über die verschiedensten Stilbereiche, die sich auch vor extremen Lagen nicht scheute.

Obwohl man alle polizeilich überhaupt erlaubten Plätze angeboten und verkauft hatte, wirkte der grosse Saal nicht sehr besetzt. Aber eines ist jetzt sicher: Das in 20 Jahren aufgebaute Stammpublikum folgt den Ausführenden nicht nur an die entlegendsten Orte; es lässt sich auch von seuchenpolizeilichen Restriktionen nicht abhalten.

Hinweis
www.sommerklaenge.ch

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