notifications
Zug

Sommerklänge: Ein Konzert wie Phönix aus der Asche – mit «phänomenaler Akustik» trotz des improvisierten Konzertsaals

Das Zuger Ensemble Chamäleon macht den Auftakt der beliebten Sommerklänge, welche 2020 trotz Corona stattfinden können. Der brandneue Zephyr Hangar der V-Zug als Konzertort für alle fünf Vorstellungen beeindruckt mit einer hervorragenden Akustik.
Viel Platz für das Publikum und beste klangliche Verhältnisse: Der Zephyr Hangar der V-Zug hat seine «Feuerprobe» als Bühne der «Sommerklänge» 2020 bestanden. (Bilder: Patrick Hürlimann (Zug 5. Juli 2020))
Das Zuger Ensemble Chamäleon machte den Auftakt.

Dorotea Bitterli

Dorotea Bitterli

«Für uns ist es wie eine Fata Morgana, unwirklich und doch wirklich», leitet Peter Hoppe vom Festivalteam Sommerklänge das erste Konzert dieses Jahres ein. Klassische Musik in Echtzeit! Nach der langen Ungewissheit im Lockdown dürfen Musikerinnen und Musiker, die davon existenziell betroffen waren, wieder spielen: «Wir brauchen eure Bühnenpräsenz, eure Ausstrahlung und das geheimnisvolle, stumme Zwiegespräch mit dem Publikum, wie es nur im Livekonzert möglich ist», so heisst das diesjährige Programmheft sie willkommen. Zugleich feiern die Sommerklänge ihr zwanzigjähriges Bestehen unter der künstlerischen Leitung der Pianistin Madeleine Nussbaumer.

Traditionell finden die Konzerte je an verschiedenen geschichtsträchtigen Orten des Kantons Zug statt. Aber «extreme Zeiten erfordern ausserordentliche Massnahmen», schreibt das Jubiläumsteam und packt eine einmalige Alternative am Schopf, nämlich alle fünf Anlässe im Zephyr Hangar, dem neuen Fabrikationsgebäude der V-Zug, zu planen.

Die Krone des Hangars ist eine Halle aus Fichtenholz mit augenfälligem Scheddach – einer gezackten Konstruktion, die in klassischen Industriebauten grosse Grundflächen ermöglicht, weil das Gewicht riesiger Spannweiten säulenlos auf viele seitliche Stützen abgeleitet wird.

«Nicht beabsichtigte, glückliche Fügung»

Das Publikum des ersten Konzertabends ist zahlreich erschienen, verliert sich aber fast im gewaltigen Raum von 40 auf 90 Metern – in welchem Stühle um das Konzertpodium stehen, die man selber platzieren darf. Michael Roth vom Architekturbüro Diener und Diener erzählt begeistert, wie Ende 2019 der Holzbau in Rekordzeit entstanden ist, dass er nun seiner Vollendung entgegengehe und just nach dem letzten Konzert vom 2. August der Fabrikation übergeben werde. «Und wie sich bei den Musikproben gezeigt hat, ist auch die Akustik phänomenal, und das ist für mich eine nicht beabsichtigte, glückliche Fügung, ein Geschenk!»

Das Motto des Abends – «Phönix aus der Asche» – fasst all dies zusammen. Und so steht ein modernes Werk der kanadischen Komponistin Kelly-Marie Murphy im Zentrum, «Give Me New Phoenix Wings To Fly» (1997), nach einem Gedicht des britischen Dichters John Keats. Das Ensemble Chamäleon mit Madeleine Nussbaumer am Piano, Tobias Steymans an der Violine und Luzius Gartmann am Cello lässt mit bald hackenden, bald schleppenden Dissonanzen das Feuer züngeln, das den Phönix verbrennt. Die Musik des ersten Satzes «Fire» malt das flatternde, zitternde Verglühen des antiken Vogels und am Ende seinen wilden Sturz in die Tiefe.

«Desolation» (Verwüstung) heisst die folgende Klage, voller langer Bogenstriche und Getriller im Piano – als ob noch der Staub der Zerstörung in der Luft hinge. In «Rebirth» (Wiedergeburt) aber regen sich die Flügel wieder, sinken zurück, zucken erneut. Und dann setzt machtvoll das Piano ein, die Streicher gleiten nach oben, und dramatisch erhebt sich der Vogel, das Leben aus der Asche – noch unharmonisch, hämmernd, unaufhaltsam. «Da bin ich wieder!» signalisiert den plötzlichen Forte-Schluss.

Existenziell wichtige Fragen als Thema

Wer in der lichtdurchfluteten Halle verstünde die Botschaft Murphys nicht: «Egal, wie zerstörend ein Ereignis sein mag, man kann sich davon erholen und von vorne anfangen»? Der Konzertabend thematisiert existenziell wichtige Fragen und ist «glücklichen Werken» gewidmet. Zwei Dvorák-Bagatellen (op. 47), vom Volkslied inspirierte Miniaturen, bezaubern in ihrer natürlichen Herzlichkeit. Mit Nadezhda Korshakova kommt dabei eine zweite Violine ins Spiel. Und für Gustav Mahlers Klavierquartettsatz a-Moll braucht es zusätzlich Alexander Besa mit seiner Viola; auch er ist seit Jahren mit von der Partie. Das «Glück» liegt hier darin, dass überhaupt ein kammermusikalisches Werk Mahlers erhalten ist, und dass der eine noch verfügbare Allegro-Satz des damals sechzehnjährigen Hochbegabten von berückender, mal sehnsüchtig schwebender, dann wieder temperamentvoll drängender Schönheit ist.

Sich in «unendlicher Musik» verlieren

Nach der Pause aber erklingt Dvoráks Klavierquintett A-Dur Nr. 2 op. 81, und als Zuhörer verliert man sich während vierzig Minuten im Universum dieser «unendlichen Musik», die immer weiterspinnt, moduliert, neue Motive findet, tanzt, singt, fast mutwillig eine Vignette an die andere reiht. Das dialogisch feine Spiel der fünf Musizierenden bekommt am Ende einen bewegten Applaus.

Hinweis
www.sommerklaenge.ch

Kommentare (0)