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Zug

«Seitenblick»: Aus dem Leben eines Vogels

Neujahrsvorsätze sind schnell gefasst. Ob sie auch in Extremsituationen gewahrt werden, beschreibt unsere Autorin Vanessa Varisco.
Vanessa Varisco.

Vanessa Varisco

Neulich gegen’s Bett geknallt. Volle Kanne. Schienbeinhöhe. Wunderbar. Erster Gedanke: losfluchen wie ein Rohrspatz. Aber ich habe mir fürs neue Jahr vorgenommen, nicht gleich alles negativ einzuordnen, sondern der positiven Seite des Unvorhersehbaren eine Chance zu geben. Aber was zum Kuckuck soll gut daran sein, das Schienbein an die Bettkante zu zimmern? Dass ich jetzt weiss, wie viele Schritte zwischen Schlafzimmertür und einem Schlag, der mich das Licht am Ende des Tunnels sehen lässt, liegen? Humbug.

Also rationale Analyse: Beim Hausaufgabenlösen und Umherwandern mit dem Laptop bin ich gedankenverloren gegen die Bettkante gescheppert, leide an höllischen Schmerzen im Schienbein und habe ein Hühnchen zu rupfen mit diesem verflixten Bettgestell. Alles klar, Sie haben Recht, da ist noch nicht genug Distanz zur Situation drin. Eine gezähmte Zunge ist eben ein seltener Vogel. Ich habe mir beim Lernen das Bein angestossen, weshalb sich dort jetzt ein blauer Fleck bildet. Man könnte behaupten, das Wissen wurde mir damit eingebläut. Dieser Gedanke hat dann gereicht für ein Schmunzeln. Ich weiss, mit dem Spruch hab ich den Vogel komplett abgeschossen. Aber immerhin: Ente gut, alles gut. Der Schmerz verflog.

Ja, ich bin zeitweise ein Vogel. Bewege mich oft ähnlich ungeschickt. Vögel haben kein extrapyramidalmotorisches System - anders als Primaten, lehrte man uns in der Kanti - und bewegen sich deshalb etwas gehetzter, haben nicht die runden Muskelbewegungen wie Menschen. Sie können sich ein Huhn vorstellen, welches über den Hof stolziert, mit den zuckenden Schritten. Ein Paradebeispiel für den Bewegungsunterschied zwischen Primaten und anderen Vertebraten. Wobei; ich habe schon Betrunkene gesehen, die wie Hühner nach Hause staksen.

Aber genug herumgeeiert, die Moral der Geschichte fehlt noch! Das mit den Vorsätzen. Funktioniert so weit. Aber - die Spatzen pfeifen es von den Dächern - im Januar klappt bekanntlich alles noch einigermassen. Februar bröckelt die Motivation, und im März sind sie manchmal bloss noch eine verblasste Erinnerung. Aber deswegen jetzt schon aufgeben? Ich? Da lachen ja die Hühner. Und falls ich doch scheitere mit meiner neuen positiven Einstellung, werde ich Federn lassen müssen.

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