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Zug

«Paracetamol-Pärchen»: Bundesgericht hebt Zuger Urteil auf

Eine Frau soll gemeinsam mit ihrem Liebhaber versucht haben, ihren Ehemann mit Medikamenten umzubringen. Sie wurden dafür zu einer hohen Freiheitsstrafe verurteilt. Der Nachweis gestaltet sich jedoch schwierig – trotz Gutachten.

Medikamente mit Paracetamol gibt es in jeder Apotheke zu kaufen, entsprechend ungefährlich ist der schmerzlindernde Wirkstoff – sofern er in geringer Menge verabreicht wird. Hohe Dosen hingegen können die Gesundheit oder gar das Leben gefährden. Ein Umstand, den sich eine Frau gemeinsam mit ihrem Liebhaber zunutze gemacht haben soll, um ihren Ehemann zu ermorden. So jedenfalls lautet die Anklage. Ihr Plan: Sie sollte ihrem Gatten heimlich hochdosiert Paracetamol verabreichen – zusätzlich zur Menge, die er regelmässig einnehmen musste. Dies hätte angesichts seines hohen Alkoholkonsums und seiner schlechten körperlichen Verfassung zu einem tödlichen Leberschaden führen sollen. Nur durch Zufall konnte der Mord verhindert werden. Die Zuger Strafverfolgungsbehörden kamen dem Duo auf die Schliche, weil sie wegen eines Kreditkartenbetrugs gegen den Komplizen der Frau ermittelten und dabei auf den gemeinsamen Whatsapp-Chat der Beschuldigten stiessen, in welchem sie sich über den vermeintlichen Mordplan austauschten. Diesen Ablauf der Tat erachten sowohl die Staatsanwaltschaft als auch beide Zuger Gerichte als erwiesen. Wir berichteten darüber.

Das Strafgericht und später auch das Obergericht verurteilten die Angeklagten wegen versuchten Mordes. Die Freiheitsstrafe von 11 Jahren für die Frau sowie 13 Jahren und 7 Monaten für ihren Komplizen wurde von der zweiten Instanz um ein Jahr beziehungsweise um rund drei Jahre reduziert. Auch mit diesem Urteil wollten sich die Beschuldigten nicht abfinden, weshalb sie sich mit einer Beschwerde ans Bundesgericht wandten.

Das umstrittene Gutachten

Die Kritik der Rumänin und des Schweizers richtet sich gegen die Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Zürich. Untersucht wurden dort Haare des Ehemanns, der in der Zwischenzeit an akutem Herzversagen verstorben ist – ohne Zusammenhang zur übermässigen Einnahme des Medikaments. Mit einer neu entwickelten Methode versuchten die Forscher am Institut herauszufinden, welche Mengen an Paracetamol sich im Körper des Mannes befunden haben. Sie ermittelten dabei einen stark erhöhten Wert. Die Verteidigungsstrategie der Angeklagten: Sie ziehen das Vorgehen der Wissenschaftler in Zweifel, bezeichnen die Gutachten als «unklar und inhaltlich mangelhaft» und beurteilen die angewandte Methode als nicht verlässlich. Auf keinen Fall lasse sich der tägliche Konsum des Ehemanns auf diese Weise feststellen, kritisieren sie und verlangen Freisprüche.

Zwar ist es aus Sicht der Bundesrichter nicht zu beanstanden, dass das Institut für Rechtsmedizin eine neue Methode entwickelt hat, um die Menge des eingenommenen Paracetamols zu bestimmen. Doch sie weisen auf die grossen Unterschiede zwischen dem Ergebnis aus der ersten und jenem aus der zweiten Messung hin. Durchaus denkbar erscheine, dass bei einer weiteren Optimierung der Methode der gemessene Wert nochmals deutlich sinke, heisst es im Urteil. Es verblieben erhebliche Zweifel, ob die Methode in Bezug auf die konkrete Fragestellung aussagekräftig sei beziehungsweise ob sie zuverlässige Messwerte ergebe. «Damit liegen Umstände vor, welche die Schlüssigkeit der Gutachten, namentlich des Ergänzungsgutachtens, ernsthaft erschüttern.» Die Beschwerden der Ehefrau und ihres Komplizen werden von den Bundesrichtern gutgeheissen. Die Folge: Das Urteil wird aufgehoben, der Fall geht zurück ans Zuger Obergericht. Es müsse ausgeschlossen werden können, dass eine erneute Haaranalyse einen Wert ergeben könnte, der gegen die hochdosierte Einnahme des Wirkstoffs spreche, lautet die Aufforderung aus Lausanne. «Falls dies nicht möglich sein sollte, wird die Vorinstanz zu entscheiden haben, ob ein Schuldspruch auch ohne verlässliches Gutachten über den Paracetamol-Konsum des Geschädigten anhand der übrigen Beweismittel willkürfrei erfolgen kann.»

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