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Zug

Im Dienst der Allgemeinheit: die Geschichte der Korporation Zug

Das Beispiel der Korporation des Kantonshauptorts zeigt, wie diese schweizerische Eigenheit entstanden ist und wieso es sie heute noch gibt.
Zuger Korporationsmitglieder im Jahr 1919 mit ihrem ersten Traktor im Herrenwald. (Bild: Archiv Korporation Zug/PD)
Korporationsmitglieder im Jahr 1919 im Zuger Herrenwald. (Bild: Archiv Korporation Zug/PD)
Die Förster der Korporation Zug räumen im Januar 2018 die Schäden durch Sturm Burglind auf.  (Bild: Jakob Ineichen)
Die Korporation Zug hat grosse Pläne für das Quartier an der Zeughausgasse, unter anderem sollen Wohnungen und ein Restaurant entstehen. (Bild: Maria Schmid)
Die Korporation Zug hat die drei Brunnen in der Arena des Eidgenössischen Schwing- und Älplerfests 2019 in Zug gefertigt. (Bild: Stefan Kaiser)

Fabian Gubser

Fabian Gubser

Fabian Gubser

Fabian Gubser

Fabian Gubser

Der Badeort Brüggli, die Wasserversorgung der Gemeinde Baar und fast der ganze Wald im Kanton: Diese Orte und diese Infrastruktur sind bekannt. Weit weniger bekannt sind ihre Eigentümer und deren Geschichte: die Zuger Korporationen. Man fragt sich: Wie entstanden sie? Wem gehören sie? Wie funktionieren sie? Das Beispiels der Korporation der Stadt Zug verdeutlicht dies.

In ihrer bis ins Mittelalter zurückreichenden Geschichte hat diese reichlich Akten und Fotos hinterlassen. Um diese kümmert sich heute Christian Raschle. Der Historiker ist Archivar der Korporation Zug. Er erzählt vom Anfang dieser Institution, der in eine unsichere Zeit fiel.

Die «Urgemeinde» entsteht

Stadt Zug, Anfang des 16. Jahrhunderts. Praktisch alle Einwohner waren zu dieser Zeit in der Landwirtschaft tätig. Das beste Land gehörte dabei als Privatbesitz einzelnen Bürgerfamilien. Das minderwertige Land hingegen gehörte allen Bürgern. Dieses minderwertige Land nannte man Allmend, also allgemeines Land. Es wurde gemeinsam verwaltet und als Acker genutzt.

Jeder Bürger hatte ein Anrecht auf den gleichen Anteil des Ertrags. An einem unbekannten Stichtag schlossen sich die in der Stadt führenden bürgerlichen Geschlechter zusammen, um die Allmend nicht mit anderen teilen zu müssen. Nur sie waren Teil dieser «Urgemeinde». Wer waren diese Bürger? Christian Raschle zeigt auf:

«Die Bewohner der Stadt nannte man Bürger, weil sie bei feindlichen Angriffen den Schutz der Burg in Anspruch nehmen konnten.»

Die umgebenden Mauern schützten sie. Bürger war, wer hier aufwuchs und wohnte. Fremde gehörten nicht dazu – hatten also auch kein Anrecht auf die Allmend.

Frauen sind noch nicht vertreten

Weil die Stadt wuchs, beanspruchten immer mehr Personen ein Anrecht auf das Bürgerrecht und somit auch auf das Allmendland. Das führte 1848 zur Aufteilung der «Urgemeinde» in die «alte» Korporationsgemeinde und in die neu geschaffene Bürgergemeinde. Die Korporationsbürger nannte man übrigens auch Genossen – erst viel später übernahmen die sozialistischen Parteien diesen Begriff. Frauen waren nicht erlaubt.

Die Bürgergemeinde setzte sich gegen die Korporation durch – Letztere erhielt nur, wie es Raschle nennt, die aus damaliger Sicht «minderwertigen W»: Wald, Wiese, Wasser. Ein Beispiel dafür bildet die damalige «Härteallmend»(«hartes Land»). Vor allem die Wiesen gewannen später an Wert. Die Bürgergemeinde behielt die Schule, das Spital, die Türme, Tore, Mauern und Brunnen.

Der Bund erzwingt die Einwohnergemeinde

In der Zwischenzeit wuchs die Stadt Zug weiter – auch durch Zugezogene. Weil diese ohne jegliche Rechte blieben, zwang der Bund 1874 die Kantone, eine Einwohnergemeinde zu schaffen. Sie trennte sich von der Bürgergemeinde ab. Wieder gab es Streit darüber, wer was erhielt. Ironischerweise verlor dabei die Bürgergemeinde just jene Güter, die sie gegen die Korporation Zug verteidigen konnte: Beispielsweise die Schule, das Spital, das Zeughaus, die Stadtbibliothek, die im Zurlauben-Pfrundhaus untergebracht war, oder gewisse alte Türme und Mauern.

Der Bürgergemeinde blieben etwa das Rathaus in der Altstadt, das Bürgerheim an der Chamerstrasse (heute Seniorenzentrum Mülimatt in Oberwil) sowie das ehemalige Verwaltungshaus des Klosters Kappel (heute Restaurant Rathauskeller).

Über Jahrhunderte waren die Korporationen in Männerhand. Mit der Einführung des Frauenstimmrechtes in der Schweiz im Jahr 1971 erwarben die Frauen die gleichen Rechte, wie sie die Männer bereits zuvor besessen hatten. Nachteile ergaben sich für Frauen, die in einer Korporationsfamilie geboren waren, aber durch Heirat mit einem Nichtbürger: Sie büssten ihr Korporationsbürgerrecht ein.

Ende des 20. Jahrhunderts änderte sich dies. 1991 beschwerte sich eine Frau beim Verwaltungsgericht des Kanton Schwyz erfolgreich, sodass sie wieder Korporationsbürgerin wurde, nachdem sie dieses Recht durch Heirat verloren hatte. In der Folge passte die Korporation ihre Statuten an. Andere Korporationen machten es ihr bald gleich. «Frauen konnten aber das sogenannte Genossenrecht, wenn sie ihren Nachnamen aufgrund einer Heirat abgeben hatten, nicht weitervererben», sagt Raschle.

2012 entschied das Bundesgericht, dass die Korporation Zug damit das von der Bundesverfassung garantierte Grundrecht auf Gleichbehandlung verletzte. Damit zwang es die Korporation, ihre Statuten anzupassen. In Walchwil geschah das erst im Jahr 2019.

Zwei Mal pro Jahr treffen sich die Korporationsbürgerinnen und -bürger zur Genossenversammlung. Der Verwaltungsrat der Korporation besteht aus fünf Mitgliedern und dem Korporationsschreiber. Die Verantwortungsbereiche lauten Finanzen, Forst, Bodenallmend, Bergallmend sowie Hausverwaltung. Laut Raschle finanzierte sich die Korporation früher vor allem durch die Erträge aus der Forstwirtschaft. Dieser Bereich ist noch heute mit 15 Forstwarten und Förstern am personalintensivsten.

Gegenwärtig verdient die Korporation aber vor allem durch ihr Land – beispielsweise durch die Vergabe von Baurechten oder das Bauen von eigenen Mietshäusern, vor allem im Gebiet der Hertiallmend. Die Wohnungen sollen laut eigenen Angaben für den Mittelstand erschwinglich sein.

Die Korporationen mussten sich im Kanton Zug immer wieder legitimieren. In den 1960er- und in den 1980er-Jahren wollten Kantonsräte aus Unterägeri sie gar abschaffen. Die verwalteten Güter gehörten der Allgemeinheit, lautete das Argument. Diese Versuche scheiterten. Die Korporationen konnten offenbar glaubhaft machen, dass sie noch immer der Allgemeinheit dienen.

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