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Zug

Hingeschaut: Ein kleines Fest fürs Auge in der sonst eher schlichten Kapelle St. Jost

Da lohnt sich ein Blick ins Innere: Die Kapelle St. Jost in Oberägeri lockt den Ästheten mit schönstem Rokoko.
Die Kapelle St. Jost (rechts). (Bild: PD)
Verspielt: Das Altarretabel in der Bergkapelle St. Jost. (Bild: Andreas Faessler (Oberägeri, 24. Mai 2020))

Andreas Faessler

Andreas Faessler

Die einstige Einsiedelei St. Jost hoch über dem Ägerital ist ein beliebtes Ziel von Spaziergängern, Wanderern, Radfahrern und natürlich Pilgern auf ihrem Weg von oder nach Einsiedeln. So manche Vorbeikommenden – bis auf die Pilger – mögen von der landschaftlichen Schönheit dieses Ortes so eingenommen sein, dass sie einen Blick ins Innere der Kapelle versäumen oder ein solcher bloss flüchtig ausfällt. Doch er lohnt sich – sie birgt ein kleines Glanzstück des Rokoko.

Das in seiner heutigen Form ab 1653 errichtete Kapellchen ist allgemein schlicht und sein Inneres sehr einfach wie schmucklos gehalten – bis auf das bemerkenswerte Altarretabel, entstanden um 1759. Gliederung und Aufbau sind so aufwendig, wie man es eher – natürlich in einer grösseren Ausführung – in einer Pfarrkirche erwarten würde, nicht aber in einer so kleinen Bergkapelle. Die Opulenz dieses Altars lässt sich wohl mit der Bedeutung als Pilgerstation in nächster Nähe zu Einsiedeln erklären. So handelt es sich bei der zentralen Figur um eine Nachahmung der schwarzen Madonna, jedoch gestalterisch mit Zügen des Rokoko und ohne Umhang. Zu ihrer Linken steht der heilige Wendelin, zu ihrer Rechten der Kapellenpatron Jodok/Jost. In den Kartuschen über den Köpfen der beiden Heiligen sind ihre Namen als Hinterglasmalerei zu lesen, eine kleine Besonderheit.

Verspieltes Zierwerk mit vier Säulen

Durch seinen Aufbau und seine Gestaltung wirkt das Retabel – im Sinne des Rokoko – ungemein lebendig. Neben den Rocaillen und Blumenranken als verspieltes Zierwerk sind insbesondere die vier Säulen hervorzuheben, welche so in die Architektur eingebracht sind, dass ihre Podeste und Konsolen übereck in den Raum ragen, was wiederum die Plastizität wie auch die Dreidimensionalität optisch verstärkt.

Dieses Gestaltungselement findet sich im Aufsatz mit geschwungenen Formen wieder. Von dort schaut Gottvater herab, unter ihm der Heilige Geist in einem Durchbruch, dahinter fällt durch ein kleines Ochsenauge Licht ein. Tiefenwirkung generieren auch die goldenen Gloriolen, welche die Heilig-Geist-Taube und die Madonna umspielen. In der Kartusche über der Gottesmutter ist zu lesen: «Refugium Peccatorum» – «Zuflucht der Sünder».

Aus namhafter Hand geschaffen

Die drei grossen Hauptfiguren – wenn nicht gar das gesamte Retabel – sind mit hoher Wahrscheinlichkeit das Werk des bedeutenden Schweizer Barockbildhauers Johann Baptist Babel (1716–1799), der ab 1777 in Einsiedeln tätig war.

Das kunsthistorisch nicht ganz ungeübte Auge wird bemerken, dass die vier kleineren Figuren auf den Podesten über den Säulen nicht aus der Entstehungszeit des Altars stammen, sondern älter sind. Sie waren aus dem Inventar des Vorgängerbaus übernommen worden und zeigen die Heiligen Antonius von Padua, Petrus, Paulus und Franz von Assisi.

Mit «Hingeschaut» gehen wir wöchentlich Fundstücken mit kulturellem Hintergrund und Zuger Bezug nach.

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