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Zug

Hingeschaut: Ein Baarer Jesuit auf Urwaldmission

Der Sohn eines Ratsherrn aus Baar hat im 18. Jahrhundert Erstaunliches geleistet – mitten im Urwald Südamerikas. Sein kulturelles Erbe ist lange nach seinem Tod wiederentdeckt worden. In Luzern erinnert eine Tafel an den Zuger.
Die Steintafel in der Luzerner Jesuitenkirche erinnert an den Jesuiten Martin Schmid aus Baar. (Bild: Andreas Faessler (28. August 2020))

Andreas Faessler

Die Jesuitenkirche in Luzern betritt man meist durch die kleineren Türen links und rechts vom Hauptportal. Somit mag den meisten Besuchern die rechteckige Gedenktafel an der seitlichen Innenwand des Mittelportals entgehen. Sie erinnert an einen illustren Mann aus dem Dorfe Baar, welcher vor über 250 Jahren als Geistlicher in der Neuen Welt Wesentliches zur Kulturentwicklung beigetragen hat. 1694 als Sohn eines Baarer Ratsherrn geboren, wusste Martin Schmid bereits zu seiner Gymnasialzeit am Luzerner Jesuitenkolleg, dass er dereinst dem Orden beitreten will. Nach seinem Theologiestudium in Bayern und im Tirol empfing er im Jahre 1726 in Dom zu Eichstätt die Priesterweihe. Das Missionieren schien er im Blut zu haben, zumal Schmid schon früh sein Ziel geäussert hatte, in den seit 1609 bestehenden Jesuitenreduktionen in Südamerika zu wirken und Kultur sowie den Glauben zu verbreiten. So kam es: Nach einer beschwerlichen Reise traf Martin Schmid 1730 in der Jesuitenreduktion von Chiquitos mitten im Urwald auf dem Gebiet des heutigen Bolivien ein. Hier betreuten die Jesuiten die Urwaldvölker, beschützten sie und bekehrten sie zum christlichen Glauben.

Pater Martin verfügte über ausgesprochen hohe Fähigkeiten in Kunst und Handwerk. Er entdeckte die Offenheit der Einheimischen für Musik. Der Baarer sorgte dafür, dass die Indigenen Musikunterricht erhielten, und er gründete Chöre und Orchester. Martin Schmid schrieb einen Grossteil der Musik selbst. Das umfangreiche Material zeigt, dass der Geistliche aus Baar ein wahrlich begnadeter Komponist war. Seine Barockmusik interpretierten die Einheimischen auf Instrumenten, welche sie unter Anleitung von Schmid selber bauten. Der Pater verstand fast jegliche Art von Handwerk meisterhaft – nicht minder versiert war er auf dem Gebiet der Architektur. Er plante und baute mehrere Kirchen in der Region um Chiquitos, auch für die opulente Ausstattung im Stil der Zeit zeichnete er eigenhändig verantwortlich.

Glücklicher Zufallsfund

Fast 40 Jahre lang wirkte der Baarer als missionierender Jesuit im Urwald Südamerikas, ehe er 1767 nach einem Dekret des Spanischen Königreiches mit allen seinen Brüdern das Land schweren Herzens verlassen und nach Europa zurückkehren musste. Über Spanien und Bayern führte ihn sein Weg im Frühjahr 1771 schliesslich zurück nach Baar. Seinen Lebensabend verbrachte er am Ort seiner Jugend, im Jesuitenkolleg Luzern. Hier starb er im März 1772.

Dass die Nachwelt über ein erstaunlich reiches musikalisches Erbe des jesuitischen «Urwald-Barock» verfügt, ist einem puren Zufall zu verdanken: Als der Schweizer Architekt Hans Roth in den 1970er-Jahren die ehemaligen Jesuitenreduktionen in Südamerika besuchte, um das erhaltene Gebäudeinventar zu begutachten, stiess er in der Kirche von San Rafael auf ein grosses Bündel von Musiknoten. Dieses lag verstaubt tief in einer unscheinbaren, uralten Kiste auf der Empore. Es handelte sich um umfangreiche Partituren aus der Feder Martin Schmids.

Nach Jahrhunderten wieder gespielt

Ein ambitiöses Projekt in Paraguay sollte dieses Notenmaterial wieder zum Klingen bringen. Ein engagiertes Orchester hat die Partituren einstudiert und auf Tonträger aufgenommen. Somit ist die lebensbejahende Musik des Baarer Jesuiten Martin Schmid nach fast drei Jahrhunderten wieder zum Leben erwacht. Und sie darf – neben der Gedenktafel in Luzern als sichtbares – als hörbares Denkmal für den bemerkenswerten Missionar aus dem Zugerland verstanden werden.

Hinweis: Mit «Hingeschaut» gehen wir wöchentlich Fundstücken mit kulturellem Hintergrund und Zuger Bezug nach.

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