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Zug

Hingeschaut: Die Lagerscheune der Luthigers

Ein einzigartiger Holzbau an versteckter Lage erinnert an eine Episode aus der Geschichte des Zuger Gewerbes.
Architektonisch auffallend: die schlanke Holzscheune mit ausladendem Dach und Aussentreppe. Das Lagergebäude gehörte einst zur Drogerie Luthiger. (Bild: Stefan Kaiser (Zug, 10. Juli 2020))

Andreas Faessler

Zugs Altstadt gehört wohl zu den ruhigeren ihrer Art. Geschäftigeres Treiben findet man heute eher jenseits des Postplatzes. Dennoch birgt das historische Zentrum noch den einen oder anderen besonders stillen Winkel, wo man schnell vergisst, dass man sich mitten im Herzen einer Stadt befindet.

Zu diesen beschaulichen Winkeln gehört das Grundstück Geissweid hinter dem Haus Zentrum zwischen Hirschenplatz und dem Hügelfuss, auf dem das ehemalige Kapuzinerkloster steht. Es ist eine der letzten – wenn nicht die letzte – typischen Hinterhofsituationen in der Altstadt Zug, erschlossen ist sie über die Sankt-Antons-Gasse. Hier steht eine historische Gebäudegruppe, von denen uns ein Bauwerk ganz besonders auffällt wegen seines einzigartigen Erscheinungsbildes. Die hohe, schlanke Holzscheune, zur Adresse Zeughausgasse 9a gehörend, ist ein durchaus bemerkenswertes Baurelikt aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert.

Die Scheune als Teil des «Negerdorfes»

Gemeinsam mit dem gegenüberliegenden Holzbau diente sie einst gewerblichem Nutzen. Anno 1895 als einfacher Stall errichtet, wurde das Gebäude wohl bereits im Folgejahr aufgestockt und ausgebaut. Der Schuppen diente der Drogerie Luthiger – welche 1987 nach über 170 Betriebsjahren ihr Geschäft schloss – als Magazin und Lager. Das markante, teilunterkellerte Holzgebäude barg auch Waschküche und Bad mit Duschen, wovon eine verblichene Beschriftung heute noch zeugt. Diese Installationen dürften hauptsächlich von den Mitarbeitern genutzt worden sein. Im Lagerbuch der Gebäudeversicherung findet sich eine Notiz, dass die Luthigers in besagtem Holzschuppen auch ihre seit 1924 betriebene Kaffeerösterei untergebracht hatten. Mittlerweile ist es gemäss Denkmalamt jedoch als nicht gesichert einzustufen, ob sich die eigentliche Rösterei wirklich jemals in dieser Scheune befunden hat und nicht stets in einem der Nebengebäude. Alt Stadtrat und «Mundartecke»-Autor Andreas Bossard, der in einem Haus an der Schanz mit Garten zur Geissweid aufgewachsen ist, erinnert sich jedenfalls daran, dass die Rösterei zu seiner Jugendzeit im Gebäude südlich der Holzscheune eingerichtet war. «Einmal in der Woche durchzog ein angenehmer Kaffeegeruch das ganze Quartier», erzählt er und führt zugleich etwas Delikates an: «Die alten Zugerinnen und Zuger haben damals die Häuser hinter dem Hirschen ‹Negerdorf› genannt.» Es sollen in diesem Hinterhof in den 1920er-Jahren um die 50 Menschen gelebt haben, die meisten davon Italiener, also Fremde. Das habe dann zu dieser heute politisch inkorrekten Bezeichnung geführt.

Viel originale Bausubstanz

Aus architektonischer Sicht ist das ehemalige hölzerne Lagergebäude der Luthigers einzigartig in Zug. Durch das auf alle vier Seiten und besonders hofseitig stark vorkragende Giebeldach wirkt der Bau voluminöser, als er ist. Es handelt sich um einen schmalen dreigeschossigen Gerüstbau, verschalt mit Brettern. Die typischen Sprossenfenster mit sechs Glasfeldern stammen mit Sicherheit aus der Bauzeit. Die Funktion des Gebäudes als Lager erkennt man an der in Teilen noch sichtbaren Aufzugseinrichtung an der Südseite. Der Dachstock steht auf beiden Seiten offen. Auch auffallend ist – neben den langen Fallrohren der Dachrinnen – die hofseitig aussen angebrachte Treppe, welche das erste und zweite Obergeschoss erschliesst.

Das Denkmalamt bezeichnet den bemerkenswerten, sowohl innen wie aussen weitgehend im Originalzustand erhaltenen Holzbau als «optisch besonders prägend und geschichtlich bedeutend» innerhalb dieses ehemaligen Gewerbeensembles.

Hinweis
Mit «Hingeschaut» gehen wir wöchentlich Fundstücken mit kulturellem Hintergrund und Zuger Bezug nach.

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