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Zug

Eine Kongregation setzt ihrer eigenen Geschichte ein Denkmal

Seit fast 180 Jahren wirken die Menzinger Schwestern im Zuger Bergdorf und auf der ganzen Welt. Eine aufwendig konzipierte Ausstellung im Mutterhaus wirft einen facettenreichen Blick auf die Geschichte der Ordensgemeinschaft.
Freut sich, die Geschichte ihrer Kongregation einem interessierten Publikum näherzubringen: Provinzoberin Schwester Antoinette Hauser. (Bild: Stefan Kaiser (Menzingen, 18. Januar 2022))
Stephanie Müller, wissenschaftliche Assistentin, und Ueli Kaufmann, Projektleiter und Ausstellungsgestalter. (Bild: Stefan Kaiser (Menzingen, 18. Januar 2022))
«Eine Klostergemeinschaft gründen», «Ordensfrau werden». Zwei Themen, welche einleitend ins Herz der Ausstellung führen. (Bild: Stefan Kaiser (Menzingen, 18. Januar 2022))

Andreas Faessler

Andreas Faessler

Andreas Faessler

Es waren hehre Ziele, welche Pater Theodosius Florentini anno 1844 dazu bewogen, gemeinsam mit Sr. Bernarda Heimgartner und zwei Mitschwestern die Kongregation der Schwestern vom Heiligen Kreuz zu gründen: Der Pater wünschte sich eine bessere, gerechtere Welt und eine im Glauben gefestigte Gesellschaft. Seine Kongregation sollte vorderhand karitative und pädagogische Aufgaben wahrnehmen, um seine Visionen umzusetzen. Zentrum dieses Wirkens sollte das Zuger Bergdorf Menzingen sein, wo unmittelbar nach Niederlassen der ersten Ordensfrauen eine Mädchenschule gegründet wurde.

Obschon der Start schwierig war, wuchs die Kongregation sehr schnell an. Die um 1860 bereits 100 Schwestern zählende Gemeinschaft war ausserordentlich aktiv und ihr Wirken im erzieherischen Bereich durch und durch fruchtbar. Pater Florentini verlangte von Mutter Bernarda, dass ihre Ordensschwestern im Bereich der Krankenpflege mit gleicher Intensität tätig sein sollten, doch die Oberin sah ihre primäre Aufgabe in der Erziehung. Sie setzte sich durch. Früh schwärmten die Schwestern sprichwörtlich aus, um ihre Aufgaben jenseits der Landesgrenzen bis in Übersee wahrzunehmen.

Rüsten für die Zukunft

Menzingen wuchs zu einem Zentrum der Bildung mit grosser Ausstrahlung heran – und ist es heute noch; mit dem stolzen Mutterhaus in seinem Dorfzentrum, von wo aus die Geschichte der Gemeinde in den vergangenen fast 180 Jahren massgeblich mitgeschrieben worden ist. Und sie ist noch lange nicht zu Ende: Das Institut rüstet sich für die Zukunft – trotz tendenziell abnehmender Anzahl Ordensschwestern wird es weiterhin deren Heimat bleiben und mit einem umfangreichen Nutzungskonzept, welches mit der grossen Renovation von 2018 bis 2020 seinen Anfang genommen hat, für die Zukunft gerüstet sein.

Mitten im Herz dieses geistigen Zentrums – im ehemaligen wunderbar renovierten Festsaal direkt unter der Institutskirche – hat sich die Kongregation nun ein «Denkmal» gesetzt in Form einer aufwendig konzipierten Ausstellung. Unter der Überschrift «Wo man mich braucht – Die Schwestern vom Heiligen Kreuz» werden Geschichte und Wirken der Menzinger Schwestern seit den Anfängen bis ins Heute anschaulich abgebildet. «Seit Jahren ist die Zukunft des Hauses Thema», sagt Thomas Odermatt, Geschäftsführer Institut Menzingen. «Diese Ausstellung ist ein Teil des Konzepts, bei dem das Mutterhaus weiterhin das geistige Zentrum sein wird.»

Wie die Bienen

Ein Blick in und durch die Ausstellung zeigt schnell: Hier ist mit viel Fleiss und nicht weniger Herzblut etwas Schönes und für die Kongregation Identitätsstiftendes entstanden. Provinzoberin Sr. Antoinette Hauser ist sehr zufrieden: «Wir freuen uns, damit den Einsatz unserer Schwestern der vergangenen 180 Jahre aufzuzeigen.» Die ganze Ausstellung ist mit zeitgemässen Elementen gestaltet, welche sämtliche Sinne ansprechen, insbesondere das Auge.

«Wir wollen einen aufschlussreichen Blick hinter die Kulissen der Kongregation gewähren»,

sagt Projektleiter Ueli Kaufmann und erklärt das Bienenschwarm-Motiv, welches sich thematisch immer wieder findet. Es soll das «Ausschwärmen» der Schwestern in aller Herren Länder symbolisieren und so auch das Heimkehren mit wertvollem Erfahrungsschatz und neuen Erkenntnissen, welche zum Gedeihen des geistigen Zentrums in Menzingen, dem «Bienenstock», beigetragen haben und es immer noch tun.

Die Ausstellung beginnt insofern chronologisch, als die Eintretenden alles über die Ordensgründung erfahren – und den Weg einer Novizin zur Ordensfrau. Schliesslich steht man mitten im vielseitigen Wirken der Kongregation – thematisch sauber eingeteilt und mit Bild, Audio, Text sowie physischen Exponaten sehr anschaulich erklärt. Die Kernausstellung umfasst die fünf inhaltlichen Schwerpunkte Mission, Berufsbildung, Seminar, Krankenpflege und Heimwesen. Dass die Ausstellung nicht einfach nur eine Hommage des Klosters an sich selbst ist, sondern dass es die eigene Geschichte auch mit kritischem Auge betrachtet, wird im letztgenannten Themenschwerpunkt deutlich: Im Heimwesen lief bei weitem nicht immer alles so, wie es sollte. Züchtigung und Strenge heillos überforderter Schwestern gegenüber den Kindern waren dunkle Seiten dieses Tätigkeitsbereiches. So ist denn auch die Überschrift «Gratwanderung zwischen Geborgenheit und Kälte» auf gewisse Weise ein Zugeständnis. «Dieses Kapitel wollten wir ganz bewusst mitthematisieren», sagt Ueli Kaufmann dazu, «weil es eben auch zur Geschichte gehört.»

An mehreren Hörstationen und Bildschirmen kommen Ordensschwestern zu Wort, berichten von ihrer Missionsarbeit. Oder Einheimische erinnern sich an ihre Jugendzeit und ihre Beziehung zum Institut genauso wie ehemalige Schülerinnen und Schüler. So kommt denn auch die Sicht von aussen auf das Kloster und die Kongregation zum Zuge.

Etwas Völkerkunde innerhalb der Ausstellung

Besonders viel Raum wird dem Bereich Mission zuteil, welcher seit jeher ein wesentliches Tätigkeitsgebiet der Menzinger Schwestern war. Noch heute sind sie in zahlreichen Niederlassungen in Afrika, Asien und Südamerika aktiv und gehen ihrer fruchtbaren Arbeit nach, um das geistige Erbe von Mutter Bernarda fern von daheim weiterzutragen. Als kleine Besonderheit werden innerhalb dieses Bereiches exotische Exponate gezeigt, welche heimkehrende Missionarinnen im Laufe der Zeit mitgebracht haben. Figuren, Masken, Fetische, Schmuck. Kultgegenstände ... Auch hier hatte man sich um kritische Hinterfragung zu bemühen. «Da es sich um originale Gegenstände aus fremden Ländern handelt, drängte sich das Thema des Kulturgüterraubes auf», erklärt Stephanie Müller, assistierende Kuratorin, dazu.

«Man ist nach eingehender Abklärungsarbeit jedoch zum Schluss gekommen, dass die Objekte unproblematisch sind.»

Fazit: Die der Öffentlichkeit zugängliche Ausstellung ist mehr als nur ein geschichtlicher Abriss des Instituts in Bild und Ton. Sie markiert symbolisch die Schwelle von der Vergangenheit in die Zukunft der Kongregation. Und sie richtet sich nicht nur an Aussenstehende, sondern soll mit ihrer identitätsstiftenden Komponente genauso die Menzinger Schwestern in nah wie fern ansprechen, um sie im Bewusstsein zu festigen, wo ihre geistige Heimat war, ist und sein wird.

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