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Die schlaflosen Nächte im Steinhauser Volleyballclub waren nicht nötig

Nach langer Zeit hat eine NLB-Saison ohne den VBC Steinhausen begonnen. Wie wirkt sich der Teamrückzug auf den Verein aus?
Es steht in den Sternen, ob ein Steinhauser Volleyballteam jemals wieder in der zweithöchsten Liga jubeln kann. (Bild: Maria Schmid, Steinhausen, 16. März 2019)

Michael Wyss

Am vergangenen Wochenende haben die ersten Matches der NLB-Spielzeit 2019/20 stattgefunden. Nicht vertreten ist der VBC Steinhausen – erstmals seit der Saison 2009/10. Anfang September hatte der Verein bekanntgegeben, sein höchstklassiertes Team zurückzuziehen. Begründet wurde dieser Schritt mit dem Fehlen von Akteurinnen mit ausreichend Potenzial für die zweithöchste Liga. Priorität geniessen nun die Jugendförderung und der Breitensport im Verein. Die neue erste Mannschaft, die zuvor die zweite war, spielt in der 2. Liga. Die Saison beginnt für sie am kommenden Wochenende mit dem Cupspiel in Steinen.

Die 21-jährige Steinhauserin Dijana Radulovic gehörte zu den verbliebenen Spielerinnen, die höhere Ambitionen haben. Sie hat deshalb den Verein verlassen und beim ehemaligen NLB-Kontrahenten Aadorf eine neue Herausforderung gefunden. Radulovic wird emotional, wenn sie über ihr ehemaliges Team spricht:

«Der Rückzug des Nationalliga-B-Teams war ein Schock für mich, denn Steinhausen ist der Verein, wo ich die Freude zum Volleyball entdeckte – eine Herzenssache.»

Radulovic versteht den Entscheid allerdings: «Wir hatten nicht genügend Spielerinnen mit NLB-Niveau. In der jüngeren Vergangenheit hatten wir immer wieder Fluktuationen von Leistungsträgerinnen und immer mehr externe Spielerinnen im Kader gehabt. Der Nachwuchs fehlte», führt sie aus. «Ich freue mich auf die neue Spielzeit in der NLB, Steinhausen bleibt aber immer der Verein meines Herzens. Ich kann mir gut vorstellen, früher oder später wieder für Steinhausen zu spielen – in welcher Liga auch immer».

Auch der Ex-Trainer ist enttäuscht

Für Amir Mustafic sei die Entwicklung nicht überraschend gewesen. Der damalige Trainer des Steinhauser NLB-Teams hätte den Vorstand «schon im Januar vor diesem möglichen Szenario gewarnt. Viele Spielerinnen bekamen gute Angebote. Da die Nationalliga B Ende Saison 2019/20 auf zwölf Teams reduziert wird, wurde um die Spielerinnen gebuhlt». Mustafic sei aber versprochen worden, weitermachen zu dürfen, «auch mit einem schwächeren Team in der NLB». Während der Sommerferien hätte er mehrere Probetrainings organisiert und parallel die Juniorinnen trainiert.

«Wir konnten einige neue Spielerinnen gewinnen, dazu einige Nachwuchsspielerinnen. Doch Ende August zerplatzte diese Seifenblase, das Interesse des Nachwuchses war nicht mehr da.»

Mustafic sei dann vom neuen Sportchef mittels einer Whats­app-Mitteilung darüber informiert worden, dass man ohne ihn plane. «Ich bin persönlich sehr enttäuscht über dieses Verhalten. Ohne persönliches Gespräch und Andeutung wurde ich vor vollendete Tatsachen gestellt.» Es war aber nicht alles schlecht, betont Mustafic: «Die vergangene Saison war mit positiven Eindrücken verbunden. Die Zusammenarbeit und der Austausch mit dem ehemaligen Sportchef und jetzigen Präsidenten Beat Orler war hervorragend. Ich bekam auch viele positive Rückmeldungen von Spielerinnen und vielen Eltern, was mich in meiner Arbeit bestätigte. Meine Vision ist es nun, in der Ostschweiz eine Volleyballschule zu aufzubauen.»

Der angesprochene Beat Orler blickt zurück auf die anstrengende Zeit, bevor der Entscheid zum Teamrückzug gefällt werden musste. So hätten sich durchaus Spielerinnen für einen Wechsel nach Steinhausen interessiert – allerdings nur gegen Geld.

«Ich bekam Anfragen und Video-Bewerbungen aus Südosteuropa, Brasilien und Amerika. Letztlich mussten wir uns also entscheiden, ob wir Spielerinnen gegen Bezahlung für den VBC Steinhausen spielen lassen wollen, oder ob wir in unseren Nachwuchs und den Breitensport investieren sollen. Die finanzielle Situation des Vereins hat uns sicher bei dieser schwierigen Entscheidung geholfen».

Apropos Finanzen: Hat der Rückzug Konsequenzen für Sponsoringverträge? «Die zu erwartende Reaktion unserer Sponsoren hat uns tatsächlich einige schlaflose Nächte bereitet», sagt Orler offen, «weil wir mit dem Rückzug des Teams laufende Verträge nicht mehr erfüllen konnten.» Obwohl noch einige Gespräche laufen würden, «lässt sich jetzt schon sagen, dass alle im Boot geblieben sind. Bei den Sponsoren herrschte grosses Bedauern wegen des Verlusts des Teams, doch grosses Verständnis und viel Lob für den mutigen Entscheid.»

Die Reduktion der NLB wirkt sich aus

Eveline Limacher-Emmenegger (44) kennt die Situation. Die Ex-Nationalspielerin erlebte vor einem Jahr das gleiche Schicksal als Akteurin bei ihrem Stammverein Fides Ruswil, der sich freiwillig vom NLB-Betrieb zurückzog. Sie zeigt die Zusammenhänge auf: «Das Niveau ist in der Nationalliga B in den letzten Jahren gestiegen, ebenso der Anteil an ausländischen Spielerinnen. Schweizerinnen, die keinen Platz mehr in einem Nationalliga-A-Kader finden, suchen sich ebenfalls einen NLB-Verein aus.» Der Markt an interessanten Spielerinnen sei ausgetrocknet, weshalb Vereine, die keine finanziellen Anreize setzen würden, kaum Chancen hätten. Dazu komme, dass Teams in Stadtzentren attraktiver seien.

Kann ein Neustart, wie nun im Fall des VBC Steinhausen, auch eine Chance sein? Limacher: «Absolut. Ein grosses Engagement, auch von Ehrenamtlichen, ist die Voraussetzung dafür. Ich glaube ausserdem, dass eine Zusammenarbeit mit anderen Vereinen in der Region die Chance wesentlich erhöhen könnte, dass es wieder aufwärtsgeht.»

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