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Zug

Die neue Asylunterkunft soll Tatsache werden – und keine abgewiesenen Personen mehr beherbergen

Der Gemeinderat verabschiedet demnächst das zweite Baugesuch für das Vorhaben im Industriegebiet Bösch. Bevor es aufliegt, will er in dieser emotional stark aufgeladenen Sache auf die Gegner zugehen.
Die marode Unterkunft im Industriegebiet Bösch besteht seit 1992 und wird seit längerem von abgewiesenen Asylsuchenden bewohnt. (Bild: Maria Schmid (Hünenberg, 1. März))
2016 standen die Profile für die neue Unterkunft während der Auflage des ersten Baugesuchs. (Bild: Werner Schelbert (Hünenberg, 21. September 2016))

Raphael Biermayr

Raphael Biermayr

Der Neubau der Asylunterkunft im Industriegebiet Bösch könnte doch noch Realität werden. Der Hünenberger Bauchef Thomas Anderegg (CVP) sagt, dass ein überarbeitetes Projekt vorliege, das demnächst abschliessend im Gemeinderat behandelt werde. Bevor das Baugesuch aufgelegt wird, werde die Bauabteilung das Gespräch mit den Einsprechern suchen, die das im Herbst 2016 aufgelegte Vorhaben zu Fall brachten. Ihre Beschwerde gegen den Entscheid des Gemeinderats, ihre Einsprachen abzuweisen und die Baubewilligung zu erteilen, hiess der Regierungsrat im Dezember 2018 gut.

Allerdings nicht wegen sachbezogener Beanstandungen am Projekt an sich, sondern aus formellen Gründen. Laut der Zuger Regierung sei nämlich der Bebauungsplan, der seit Herbst 1993 im Gebiet Bösch-Rothus gilt, nicht berücksichtigt worden. In diesem heisst es unter anderem, dass es sich um ein «landschaftlich empfindliches Gebiet» handeln würde. «Der Gemeinderat kann daher im Interesse des Landschafts-, Natur- und Heimatschutzes bei der Beurteilung der einzelnen Baugesuche strengere Massstäbe ansetzen, als dies sonst für Bauten in der Wohn- und Gewerbezone üblich ist.»

Die Einschätzung der Schutzwürdigkeit der Landschaft mag etwas seltsam anmuten angesichts des eher herben Charmes des Industriegebiets Bösch. Thomas Anderegg erklärt, dass beim Bebauungsplan auch die angrenzenden Gebiete Schlössli und Langrüti in die Gesamtsicht einbezogen würden. Da im Bebauungsplan allerdings steht, dass der Gemeinderat strengere Massstäbe ansetzen kann – also nicht muss – waren die Hünenberger davon ausgegangen, dass die Bewilligung in ihrem Ermessen liegen würde. Das war offensichtlich ein Irrglaube, der eine Überarbeitung der geplanten Asylunterkunft zur Folge hatte.

Unwürdige Verhältnisse

Die aktuelle Unterkunft ist sogar älter als erwähnter Bebauungsplan. Ihr – unschwer zu erkennender – armseliger Zustand brachte ihr die Bezeichnung «Baracke» ein. Der heutige Gemeinderat Hubert Schuler sprach als damaliger SP-Ortsparteienpräsident im Zusammenhang mit der Abstimmung über den Neubau an der Gemeindeversammlung von einem Gebäude, dass nur noch knapp als menschliche Unterkunft betrachtet werden könne.

Das war im Dezember 2015, also vor über fünf Jahren. Damals sagte die Versammlung deutlich Ja zum Kredit über 1,4 Millionen Franken. Das überarbeitete Projekt fusst laut Thomas Anderegg auf diesem Betrag, weshalb es nach heutigem Stand nicht nochmals vor die Gemeindeversammlung kommen würde. Wie viele Plätze die neue Unterkunft bieten würde, sei Gegenstand der aktuellen Diskussionen im Gemeinderat. Beim ursprünglichen Vorhaben war zunächst von 28 und später von mindestens 35 Bewohnern die Rede.

Razzien wegen Drogenhandels

Dass der Gemeinderat vor der Auflage des neuen Baugesuchs das Gespräch mit den Gegnern sucht, sei rechtlich nicht nötig, jedoch ein Anliegen des Gremiums. «Unser Ziel ist es, eine einvernehmliche Lösung zu finden», sagt Thomas Anderegg. Mit anderen Worten: Zu verhindern, dass es erneut Einsprachen gibt, die die im Sommer 2009 erstmals veröffentlichten Absichten für einen Ausbau der Asylplätze gefährden. Die Einsprecher hätten auch Gestalterisches bemängelt, «über das wir hinsichtlich des neuen Projekts gern reden können».

Tatsächlich stellte sich die Interessengemeinschaft Bösch-Rothus, deren Mitglieder nur anonym Auskunft gaben, laut einer Mitteilung vom Mai 2017 nicht grundsätzlich gegen eine neue Asylunterkunft im Bösch. Allerdings wünschten sie sich mehr Einbezug. Und sie forderten, dass es sich nicht mehr um eine Nothilfeunterkunft handelt. Darin sind abgewiesene Asylbewerber untergebracht, die die Schweiz verlassen müssen. Diese aussichtslose Situation birgt ein grosses Konfliktpotenzial, weshalb der für das Asylwesen zuständige Kanton Zug die Unterkunft seit längerem nicht mehr voll belegen lässt.

Die IG Bösch-Rothus wies ausserdem auf die in früheren Jahren nachweislich erfolgten Polizeieinsätze im Zusammenhang mit Drogenhandel hin. Laut Thomas Anderegg ist der Gemeinderat beim Kanton mit dem Wunsch vorstellig geworden, keine Nothilfebezüger mehr im Bösch unterzubringen. Damit ist man auf offene Ohren gestossen. Jris Bischof, die Leiterin des zuständigen kantonalen Sozialamts, schreibt auf Anfrage:

«Der Kanton hat dafür Verständnis und wird sich anderweitig um Nothilfe-Plätze bemühen.»

Suche nach anderem Standort scheiterte

Bleibt die Frage, was der Gemeinderat Hünenberg seit dem Entscheid des Regierungsrats vor über zwei Jahren gemacht hat. Die Überarbeitung des Projekts, das dem ursprünglichen ähnlich ist, dürfte nicht so viel Zeit in Anspruch genommen haben. Der Bauchef wehrt sich gegen den Eindruck, man sei in dieser emotional aufgeladenen Angelegenheit untätig geblieben. Er verrät: «Wir suchten nach einem neuen Standort für die Unterkunft, waren aber erfolglos.» Diese Suche sei vor dem Hintergrund erfolgt, dass für das Gewerbegebiet Bösch in der Zwischenzeit ein Entwicklungskonzept mit einer tiefgreifenden Neugestaltung erarbeitet wird.

Es sei dem Gemeinderat jedenfalls «ein grosses Anliegen», die Situation bezüglich neuer Asylunterkunft zu lösen. Laut Zeitplan soll das Baugesuch bis im April vorliegen und das Bewilligungsverfahren im Herbst abgeschlossen sein. Baustart wäre Ende des Jahres 2021.

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