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Zug

Die Baarer Bürgerschrecke vom Sportplatz feiern Jubiläum

Der Satus Baar ist vor 100 Jahren gegründet worden. Auf Feierlichkeiten muss derzeit verzichtet werden – ein Blick zurück ist aber möglich.

Der Name «Schweizerischer Arbeiter­Turn- und Sportverband» (mittlerweile kurz «Satus» genannt) wirkt heute eher sperrig. In den ersten Jahrzehnten nach der Wende vom 19. zum 20.Jahrhundert verfügte er allerdings über Zugkraft und vereinte die Arbeiterturnvereine unter seinem Dach. Das galt auch für den Kanton Zug, wo es vier Vereine gab. Der standhafteste unter ihnen ist derjenige in Baar. 1920 wurde er gegründet – vor 100 Jahren also. Grund genug für eine Feier.

Doch da das Datum für den Jubiläumsanlass auf den 21.März fiel, muss dieser aus bekannten Gründen noch warten. Er werde, wenn möglich, im Herbst stattfinden, sagt Roland Bart. Der 63-Jährige wird sich an der dann ebenfalls stattfindenden GV mit Beata Staub zur Wahl zum Co-Präsidenten stellen. Er ist seit 1970 Mitglied. Staub und Bart lösen Ernst Hug ab, der seit der GV 2016 das Amt interimistisch ausübt. Der 75-Jährige hat einen wesentlichen Teil der Vereinsgeschichte mitgestaltet – seit über 60 Jahren ist er Teil davon. Die offizielle Zahl liegt bei 58 Jahren. Dies, weil man einst für einen Vereinsbeitritt mindestens 16 Jahre alt gewesen sein muss. Den Rekord bezüglich Vereinstreue hält übrigens der 93-jährige Jakob Strebel, der seit 75 Jahren im Satus Baar ist.

Wer die zum 100-Jahr-Jubiläum erschienene obligate Chronik liest, erkennt weniger das politische als vielmehr das abenteuerliche Element, das der Verein für seine jüngeren Mitglieder bereithielt. Sowohl Ernst Hug als auch Roland Bart erinnern sich jedenfalls besonders gern an mehrtägige Vereinsausflüge zu Wettkämpfen respektive Turnieren. «Vielen bot sich zum ersten Mal die Gelegenheit, von zu Hause wegzugehen», schildert der ehemalige Handballer Bart. Überdies gebärdeten sich Satus-Mitglieder wegen ihrer Gleichstellungsbemühungen als Bürgerschrecke. Schon beim Schweizerischen Verbandsfest 1930 in Aarau wurde nämlich die Freiübung von Frauen und Männern gemeinsam geturnt, wird die linksgerichtete «Wochenzeitung» in der Chronik zitiert. Und weiter heisst es: «Turnerisch manifestiert sich das Selbstbewusstsein der Arbeiterklasse auch an der äusseren Erscheinung der Teilnehmer. Die lange Turnerhose der Männer und die Röcke der Frauen werden zu Gunsten einheitlicher Kleidung aufgegeben: Kurze schwarze Hosen und weisse Leibchen gibt es für die Teilnehmer beiderlei Geschlechts.» Zwei Jahre später nahmen Satus-Mitglieder an den sogenannten Genfer Unruhen vom 9.November teil. Bei diesen lieferten sich Links- und Rechtsextreme Strassenkämpfe. Die herbeigerufene Armee schoss in eine Menschenmenge, wodurch 13 Personen starben, heisst es im Historischen Lexikon der Schweiz. Daraufhin strich der Bund dem Satus Schweiz vorübergehend die Subventionen, was auch die einzelnen Sektionen spürten.

Auch Skifahren gehörte zum Sportangebot

Die Baarer turnten dennoch munter weiter – und entdeckten das Skifahren. 1933 gründeten sie mit den Ägerern und Zugern die Kantonale Arbeiterskivereinigung und pachteten winters die Skihütte Hürital. Die Skisektion im Satus Baar sollte bis 2016 bestehen bleiben. Sie stand für die grosse Bandbreite von Sportangeboten. Ernst Hug beispielsweise war auch begeisterter Leichtathlet. «Man konnte dabei auch für die Aushebung üben», erinnert er sich und lacht. Besonders populär war der Handball. Der Satus Baar führte das internationale Kleinfeldturnier ab 1963 während 32 Jahren durch. Das Turnen geriet dabei immer mehr in den Hintergrund. Und auch die politische Brisanz nahm zunehmend ab. «Am Anfang war es klar: Die Arbeiter sind im Satus, die Gewerbler im Eidgenössischen Turnverein und die Katholiken im Katholischen Turnverein», erinnert sich Ernst Hug. Der Langzeitpräsident und SP-Gemeinderat Josef Süess (siehe Meilensteine der Vereinsgeschichte auf dieser Seite) habe jeweils vor Gemeindeversammlungen ausgegeben, wie die «Satüsler» abzustimmen hätten. Hug sagt mit einem Schmunzeln auf den Lippen:

«Zum Glück konnte er nicht überprüfen, ob wir uns daran hielten.»

Mit dem Erstarken der Handballer sei die Zeit des politischen Tunnelblicks endgültig vorüber gewesen. Die attraktive Handballsektion brachte den Satus mit der Zeit in Nöte. Denn sie spielte in den Meisterschaften des Handballverbands mit. Dieser verlangte – wie der Satus – Beiträge von seinen Mitgliedern. Die Handballer bezahlten also zwei Mitgliederbeiträge pro Jahr. Die Bereitschaft dazu nahm laufend ab. Schliesslich lösten sie sich als Handballspielgemeinschaft (HSG) vom Satus. 1997 wechselten auch die Fitness- und die Jugendriege zur HSG.

In diesem Jahr übernahm der Baarer SP-Gemeinderat Ruedi Hug, der Cousin von Ernst Hug, das Präsidentenamt. Er ist massgeblich mitverantwortlich dafür, dass der Satus Baar sein 100-jähriges Bestehen überhaupt erlebt. Denn Hug gehörte zu jenen, die gegen den Antrag des Vorstands auf Auflösung des Satus votierten – und sich für das Fortbestehen einsetzten. 1998 bestand der Verein noch aus 29 Aktiven (Faustballern und Seniorinnen) sowie 65 Passivmitgliedern. Im Folgejahr wurde die Unihockeysektion UHC Satus Zugerland integriert, bestehend aus den vormals eigenen Vereinen UHC Rainbow Cham und UHC Satus Zug-Baar. Dadurch wurden auf einen Schlag 150 aktive Spieler gewonnen. Die Unihockeyaner handelten, wie man in ihren Kreisen vernahm, allerdings weniger aus Solidarität mit dem aus ihrer Sicht antiquierten Satus. Sie waren auf den Zugang zu Turnhallen aus, die der in der Baarer Turn- und Sportkommission gewichtige Verein ihnen garantierte – insbesondere zur kurz vorher eröffneten Waldmannhalle, dem Prunkstück im Kanton Zug. Die enttäuschten Satus-Verantwortlichen kündigten die Zusammenarbeit mit den Unihockeyanern im Jahr 2003 auf.

Eine alte Sportart rettet einen alten Verein

Diese Episode liess erkennen, dass der Satus nach wie vor offen für Neues war. Damit lag er ganz auf der Linie des Schweizer Verbands. Dieser stellte anlässlich der Feier zu seinem 125-jährigen Bestehen auch Trends wie Ropeskipping oder Retrotrends wie Rhönrad vor. Ruedi Hug war begeistert vom Rhönradturnen und holte die Schweizer Meisterschaft 2005 nach Baar. Daraufhin entstand die heute einzige noch aktive Riege, die rund 50 Personen umfasst – die Hälfte aller Mitglieder. Es ist ein amüsanter Zufall, dass ausgerechnet das Rhönradturnen zum Überleben des Satus Baar beigetragen hat: Diese Sportart kam erstmals in den 1920er-Jahren auf.

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