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Zug

«Die Arbeitslosenquote wird leider weiter steigen» – so erlebt die Zuger Volkswirtschaftsdirektorin die Coronazeit

Regierungsrätin Silvia Thalmann (CVP) war und ist während Corona gefordert. Die Gespräche mit den betroffenen Unternehmerinnen und Unternehmern empfand sie teilweise als sehr emotional.
Hat ein eher buntes Büro im Vergleich zum Rest des Verwaltungsgebäudes: Volkswirtschaftsdirektorin Silvia Thalmann. (Bild: Maria Schmid (Zug 16. September 2020))

Fabian Gubser

Fabian Gubser

Silvia Thalmann, sind Sie froh, dass Sie während der Coronazeit Regierungsrätin sind – und nicht wie vorher in der Wirtschaft?Nein, denn als Regierungsrätin trage ich eine ganz grosse Verantwortung. Im Kollegium des Zuger Regierungsrates gute und ausgewogene Entscheide zu fällen – und dies erst noch unter Zeitdruck –, ist hinsichtlich der Unvorhersehbarkeit der wirtschaftlichen Situation sehr anspruchsvoll. Ausserdem ging auch bei uns das Arbeitsvolumen im Frühling steil nach oben. Was hat das für Sie bedeutet?Ich war gefordert, weil unter anderem unsere Abteilung die vielen Anfragen und Anträge für Kurzarbeit rasch und trotzdem gründlich bearbeiten musste. Ich war sehr oft abends und auch samstags im Büro und habe mit meinem Team durchgearbeitet – oder ich habe von zu Hause aus gearbeitet. Von frühmorgens bis spätabends. Die Gespräche mit betroffenen Zuger Unternehmerinnen und Unternehmern waren zum Teil sehr emotional.Gab es auch bei der Volkswirtschaftsdirektion Fälle von Corona?Nein, mir sind keine Fälle bekannt.Wie war die Atmosphäre in der Verwaltung während der heissen Phase?Man hat toll zusammengearbeitet. Gewisse Ämter hatten aufgrund der Situation sehr viel weniger Arbeit, andere sehr viel mehr. Wenn wir zusätzliche Hilfe brauchten, konnten wir Kolleginnen und Kollegen aus anderen Bereichen unkompliziert anfragen. Was ging Ihnen beim Kontakt mit der Wirtschaft durch den Kopf?Freiheit bedeutet im wirtschaftlichen Bereich, sich eine finanzielle Unabhängigkeit zu sichern. Sei es als Privatperson, als Unternehmen oder als Staat. Wer in Krisenzeiten nicht auf Reserven zurückgreifen kann, wird nicht gut schlafen. Ich nehme zuweilen eine Tendenz wahr, verdientes Geld sehr rasch wieder auszugeben. Der Lockdown ist jetzt einige Monate her. Wie ist die heutige Situation auf dem Zuger Arbeitsmarkt?Wir stellen erstaunt fest, dass sich der Arbeitsmarkt zurzeit robust und stabil verhält – denn wir haben mit schlechteren Zahlen gerechnet. Natürlich hat sich die aktuelle Arbeitslosenquote im Vergleich zum August im Vorjahr erhöht – von 1,9 auf 2,7 Prozent. Im Schnitt liegt sie im Kanton Zug meist etwa 0,5 Prozentpunkte unter dem nationalen Durchschnitt. Aktuell müssen viele Unternehmen beurteilen, wie lang die Durststrecke noch anhält, was schwierig vorauszusagen ist. Sie nehmen Umstrukturierungen vor und machen entsprechende Mittel frei, um die Krise zu überstehen. Das kann auch Kündigungen zur Folge haben. Viele Betriebe setzten auf Kurzarbeit. Wie viele Betriebe sind aktuell angemeldet?Den Höchststand erreichten wir im Kanton Zug im Juni mit über 6000 Anmeldungen. Jetzt sind es ungefähr 1200. Die Firmen haben drei Monate Zeit, um ihre effektiven Fehlstunden einzureichen. Das heisst, wir wissen erst in drei Monaten, wie viele Unternehmen wie viel Geld für den jetzigen Monat tatsächlich benötigt haben. Im August zählte der Kanton fast 3000 Stellensuchende (siehe Grafik). Mussten Sie die Kapazitäten beim RAV aufstocken?Ja, im Team arbeiten zurzeit rund 30 Mitarbeiter – die Grösse variiert jedoch. Kurzfristig konnten einige pensionierte Mitarbeitende wieder engagiert werden. Zurzeit laufen Rekrutierungen. Im Regelfall betreut eine Beraterin oder ein Berater rund 120 Dossiers.Welche Branchen leiden besonders unter Corona?Es sind viele Einzelfirmen betroffen, besonders in der Eventbranche. Dazu Schausteller und die Musikbranche. Grundsätzlich geht es denjenigen Branchen schlecht, die mit Reisen zu tun haben: Car-Unternehmen, Reisebüros, aber auch die Gastronomie. Insbesondere Restaurants und Hotels, die sich auf Geschäftsreisende und Geschäftsessen spezialisiert haben, leiden.Gab es Unerwartetes?Erstaunt hat mich, dass auch die Reinigungsbranche betroffen ist. Eventuell besteht da ein Zusammenhang mit Homeoffice. Sind alle Arbeitnehmenden gleich stark betroffen?Schwieriger haben es die eher geringqualifizierten Arbeitnehmenden oder dann Kader-Mitarbeitende wie beispielsweise Expats; bei Letzteren speziell die über 45-Jährigen. Überrascht hat uns, dass jüngere Personen in der Statistik bis jetzt nicht aufgefallen sind. Wieso?Wir gehen davon aus, dass dieses Jahr beispielsweise Maturandinnen und Maturanden nach ihrem Abschluss direkt mit einem Studium begonnen haben, statt erst zu reisen. Dafür spricht, dass etwa die Universität Luzern im Vergleich zum Vorjahr mehr Studienanfängerinnen und Studienanfänger zählte.Wie wird sich die Zuger Wirtschaft in nächster Zeit schlagen?Voraussagen und Prognosen sind extrem schwierig. Der deutsche Ökonom Hans-Werner Sinn hat dazu einen treffenden Vergleich gemacht, als er die aktuelle Entwicklung als umgekehrtes Wurzelzeichen beschrieb. Die Wirtschaft hat sich etwas erholt, aber noch nicht das Niveau vor Corona erreicht. Bezüglich der Arbeitslosenquote werden wir leider höhere Zahlen sehen.
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