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Zug

Das Stadtorchester Zug tritt mit Musik aus dem nordischen «Innern» zum ersten Mal wieder vor Publikum auf

Nach vielen Monaten Konzert-Abstinenz wartet das Stadtorchester am kommenden Sonntagvormittag im Theater Casino mit nordischen Klängen auf. Zusammen mit seinem neuen Dirigenten Joonas Pitkänen hat es ein coronataugliches Streicherkonzert zusammengestellt.
Das Stadtorchester probt mit dem neuen Dirigenten Joonas Pitkänen im Pfarreizentrum St.Michael.
(Bild: Matthias Jurt (Zug, 13. Juni 2021))
Dirigent Joonas Pitkänen hat sich gegen 66 Konkurrenten durchgesetzt. (Bild: Matthias Jurt (Zug, 13. Juni 2021))

Dorotea Bitterli

Dorotea Bitterli

«Wissen Sie, wir Finnen sind nicht so dramatisch wie die Russen», sagt Joonas Pitkänen und spielt die Gefühlsdramatik kurz vor. «Wir weinen drinnen, in uns selbst. So muss diese Musik sein!»

Er sitzt auf seinem niedrigen Dirigentenpodest und erklärt in perfektem Deutsch, aber mit offensichtlich finnischer Sprachmelodie, welchen Ausdruck er sich für das «Lebewohl» in Jean Sibelius’ Rakastava-Suite wünscht. Die etwas mehr als 30 Streichmusikerinnen und Streichmusiker des Stadtorchesters Zug hören aufmerksam zu, heben erneut ihre Bögen und, tatsächlich, jetzt «weint» die Musik sehr zart und verhalten. Und gerade dies führt dazu, dass man förmlich zu sehen glaubt, wie schmerzlich der Abschied zwischen den beiden Liebenden ist, um die es in Sibelius’ Werk geht. «Rakastava» bedeutet «der Liebende».

Inmitten der coronabedingt konzertfreien Zeit hat sich im Stadtorchester Zug, das nächstes Jahr sein 100-Jahr-Jubiläum feiern wird, ein markanter Wandel vollzogen. Nach 25 Jahren erfolgreicher Zusammenarbeit mit dem britischen Dirigenten Jonathan Brett Harrison suchte das Orchester einen neuen musikalischen Leiter. Aus einer Auswahl von 67 Bewerbungen und nach Probedirigaten von fünf Kandidierenden entschieden sich seine Mitglieder im August 2020 mit überwältigendem Mehr für den 35-jährigen Finnen Joonas Pitkänen. Sie waren begeistert von seiner Persönlichkeit und Ausstrahlung.

Der junge Dirigent weiss, was er will und warum

Dass ihm Charisma zugeschrieben wird, ist auch bei der Probe nachzuvollziehen. Pitkänen ist jünger als die meisten, über denen sein Taktstock schwebt, überzeugt aber mit einer Autorität, die sich aus selbstverständlicher musikalischer Kompetenz, Natürlichkeit und Zugänglichkeit zusammensetzt. Wenn der versierte Konzertmeister Alin Velian Vorschläge macht, hört Pitkänen zu, integriert das Gesagte oder vertritt kurz sachlich seine Perspektive. Es gibt keine Diskussionen, Pitkänen weiss, was er will und warum.

Er arbeitet hochkonzentriert und gleichzeitig entspannt, scheint unermüdlich. Leichtigkeit und Luft zum Atmen ist im Raum. Der Konzertflyer attestiert ihm denn auch, dass er seine Aufgabe darin sehe, «die Musik und die Musiker in den Vordergrund zu stellen». Diese scheinen dem ausdrucksvollen Tanz der dirigierenden Hände gerne zu folgen.

Pitkänen ist ursprünglich Cellist, schloss sein Studium bei Thomas Demenga in Basel 2013 mit Auszeichnung ab. Seinen Master im Orchesterdirigieren machte er 2016 bei Ari Rasilainen an der Hochschule für Musik in Würzburg. Inzwischen ist er international unterwegs, mit seinem Instrument und dirigierend.

«Als Orchestermusiker schätze ich es selber, am Dirigentenpult jemanden zu haben, der die Seite der Instrumentalisten aus eigener Erfahrung kennt»,

erklärt er im Gespräch. Pitkänen ist im Kommen: Geplant sind unter anderem Engagements im Rahmen der Gstaad Conducting Academy, mit dem Sinfonieorchester Biel-Solothurn oder dem Basler Festival Orchester. Basel ist, bei aller Internationalität der Karriere, sein Lebensmittelpunkt geworden. Dort hat er 2014 auch die spannende finnische Konzertreihe «Feeling blue & white» mitbegründet.

Bekannte Komponisten und überraschende Neuentdeckungen

Das Zuger Début des neuen Stadtorchester-Dirigenten ist von seiner Affinität zu skandinavischer Musik geprägt und hält ein publikumswirksames spätromantisches Programm bereit. Bekannten Komponisten wie Edvard Grieg, Jean Sibelius und Gustav Holst werden der Finne Einojuhani Rautavaara und der Amerikaner Victor Herbert gegenübergestellt. Überraschende Neuentdeckungen für manche Ohren: Rautavaara steht mit seiner Pelimannit-Suite (The Fiddlers) für tonale Experimente und unerhörte Harmonien; von Victor Herbert werden der glücksversponnene Wiener Walzer «Air de ballet» und ein grandioser Filmmusik-Sonnenuntergang zu hören sein.

Sommerkonzert «Nordische Klänge» des Stadtorchesters Zug am Sonntag, 20. Juni, 10.30 Uhr, Theater Casino Zug. Aus Pandemie-Gründen bitte unbedingt den Vorverkauf benutzen. Die obligatorischen Schutzmassnahmen werden auf der Website publiziert: www.stadtorchsterzug.ch. Infos zu Joonas Pitkänen: www.joonaspitkanen.com.

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