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Zug

Auf Pendler-Wanderschaft durch den Kanton Zug

Wohn- und Arbeitsort lagen auch schon im vergangenen Jahrhundert nicht immer nah beieinander. Anhand von Cham wurden die sogenannten Pendelwanderungen analysiert.

Andrea Muff

Zwischen Arbeits- und Wohnort zu pendeln, ist nicht etwa ein Phänomen der heutigen Zeit. Hermann Steiner beschäftigt sich in den 1980er-Jahren in seinem Werk «Seltene Berufe und Menschen im Zugerland» mit den «Chamer Pendelwanderern und ihren Bruttoeinkommen um 1950». Die Geschichte der Pendelwanderung beginnt mit dem Aufschwung und der Entwicklung von Handels- und Industriezentren am Ende des 19. Jahrhunderts und mit der Verbesserung des öffentlichen Verkehrs. Zunehmend fanden die Leute in ihrer ländlichen Wohngemeinde nur ungenügende Erwerbsmöglichkeiten und suchten deshalb etwa eine Arbeitstelle in den Industrien von Cham.

Dabei handelte es sich oft um angelernte Fach- und Hilfsarbeiter, denen gerade die Papierfabrik verhältnismässig günstige Arbeitsmöglichkeiten bot. Die damit gemeinte Schichtarbeit ermöglichte den Angestellten einen kleinen landwirtschaftlichen Nebenerwerb – als sogenannte Rucksackbauern – oder zumindest die Arbeit im eigenen Garten, dessen Ertrag für einen gewissen Grad an Selbstversorgung ins Gewicht fiel. Da aber viele Einpendler, aus dem Freiamt vor allem, in den nasskalten Wintermonaten einen sehr beschwerlichen Weg zurücklegen mussten, ermunterte die Fabrikleitung zur Benützung von Bahn und Autobus durch freiwillige Beiträge.

Rückgang der Zupendler während der Weltwirtschaftskrise

Während der Jahre 1930 bis 1941 verzeichnete Cham einen Rückgang der Zuwanderung aus den Gemeinden des Freiamtes, Hünenberg, Steinhausen, Knonau und Maschwanden. Die Gründe lagen einerseits in der Schliessung des Chamer Nestlé-Betriebes, andererseits in der Weltwirtschaftskrise jener Jahre. In den 1950er-Jahren, so stellt Hermann Steiner in seinem Buch die These auf, würde sich «ein erheblicher Teil der Auspendler nie dazu eignen, die Arbeitsplätze der Einpendler einzunehmen». Denn ein grosser Teil der Auspendler übe einen gelernten Beruf in der Metall- und Maschinenindustrie aus oder befände sich in diesen Branchen in der Ausbildung. So überquere «ein volles Viertel» der Chamer täglich die Kantonsgrenze. Das gesamte Bruttoeinkommen der Auspendler betrug 1955 rund drei Millionen Franken, «das, unter Berücksichtigung der gesetzlichen Abzüge in der Wohngemeinde Cham, zur Besteuerung herangezogen wurde».

Laut einer Statistik aus dem Jahre 1970 gingen damals 3223 Chamer in ihrer Wohngemeinde einer Beschäftigung nach. Die Statistik ist aber auf die Stadt Zug ausgelegt, deshalb erfährt man lediglich, dass 244 Chamer aufgrund ihrer Arbeitsstelle in die Stadt pendelten. 139 Stadtzuger fanden im Gegenzug in der Ennetseegemeinde eine Arbeit. Den grössten Anteil an Zupendlern hatten die Baarer, so waren 2466 in der Stadt beschäftigt; nur 386 Stadtzuger fanden in Baar eine Stelle. 4160 Beschäftigte mussten nicht pendeln, sie arbeiteten in Baar selber. Übrigens waren es lediglich 6 Stadtzuger, die 1970 in Oberägeri arbeiteten. Insgesamt zeigt die Statistik für die Stadt Zug 796 sogenannte Wegpendler und 5694 Zupendler aus dem Kanton Zug. 10483 Stadtzuger hatten ihre Arbeitsstelle an ihrem Wohnort.

ÖV: Immer mehr konnten sich diesen leisten

Doch wie sieht das gesamtschweizerische Bild im 20. Jahrhundert aus? Dem Eintrag im Historischen Lexikon der Schweiz zum Thema Pendler ist zu entnehmen, dass anlässlich der Volkszählung von 1910 eine erste gesamtschweizerische Zählung der Pendler durchgeführt wurde. Damals wurden bereits über 150000 Personen erfasst, die ihre Wohngemeinde zum Arbeiten täglich verliessen. Das entsprach 9 Prozent aller Erwerbstätigen. 1950 waren es bereits 17 Prozent. Denn dank der sinkenden Fahrpreise bei gleichzeitig steigendem Einkommen konnten sich immer mehr Erwerbstätige die öffentlichen Transportmittel leisten und somit längere Arbeitswege zurücklegen.

Die Serie «Zuger Gewerbe-Geschichte(n)» setzt sich mit Themen aus der wirtschaftlichen Vergangenheit auseinander. Quelle: Seltene Berufe und Menschen im Zugerland, Hermann Steiner, 1984.

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