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Zug: Wo einst Gastarbeiter sich zankten

Warum der unauffällige, kurze Strassenzug zwischen Baarerstrasse und Bahnlinie in Zug «Tirolerweg» heisst, vermag niemand mit Gewissheit zu sagen. Doch gibt es einen plausiblen Ansatz.
Hinsichtlich seines Namens schweizweit ein Unikum: der Tirolerweg in Zug. (Bild: Stefan Kaiser (31. Januar 2019))

Andreas Faessler

In vielen Städten des deutschsprachigen Raumes findet man Quartiere, die sich hinsichtlich ihrer Strassennamen thematisch klar definieren. Der Bezug ist häufig geografischer Natur: So ist beispielsweise in Stuttgart ein ganzes Grätzel der Region Allgäu, Tirol und Vorarlberg gewidmet. Da tragen Strassen die Namen von Bergen, Tälern und Ortschaften dieser Regionen. Oder in Berlin Lichterfelde nehmen zahlreiche Strassen und Wege Bezug auf Schweizer Ortschaften wie auch Schweizer Persönlichkeiten.

Flur- und Strassennamen sind meist mehr als simple Kennzeichnungen. Sie sind identitätsstiftend und je nach Anschauungsweise auch wertvolles Kulturgut, das von der wechselvollen Geschichte eines Dorfes oder einer Stadt zeugt. Manche Strassennamen geben jedoch auch Rätsel auf, was sie umso spannender macht. In Zug gehört etwa der Tirolerweg zu diesen Besonderheiten. Er ist naturgemäss in der Kategorie Strassennamen mit dem geografischen Bezug anzusiedeln. Aber im Gegensatz zu den weiter oben angeführten Beispielen aus Deutschland ist der Tirolerweg nicht in einen thematischen Strassenverbund einzuordnen, sondern steht sprichwörtlich allein auf weiter Flur.

Weg existiert seit rund 60 Jahren

Ein möglicher Bezug zur Geschichte der Stadt als einst habsburgischen Besitz scheint zu abwegig, zumal der Tirolerweg erst seit etwas mehr als 60 Jahren existiert, denn der Blick auf historische Zuger Luftbilder zeigt, dass die Parzelle im südwestlichen Winkel von Äusserer Güterstrasse und Baarerstrasse vor 1950 eine Brache war, nur die Gebäude zwischen dem späteren Tirolerweg und der Bahnlinie hatten seit Anfang der 1930er-Jahre bestanden. Und die damalige Erschliessung dieser Häuser war eine Fortsetzung des Lüssiweges jenseits der Baarerstrasse. Es ist wohl davon auszugehen, dass der Tirolerweg erst nach dem Bau der Gebäude Baarerstrasse 87-91 und Äussere Güterstrasse 1 offiziell so benannt worden ist. Seither ist der kurze Strassenzug zwischen Baarerstrasse und der Bahnlinie gar landesweit ein Exot, denn es gibt nirgends sonst in der Schweiz einen Weg, eine Gasse, eine Strasse oder einen Platz, die/der sich offiziell-namentlich auf das österreichische Bundesland bezieht.

Bis die Polizei kommen musste

Wie also kam der Tirolerweg in Zug zu seinem Namen? Die Erklärung ist im Prinzip so simpel wie kurz, bezieht man sich auf die Erkenntnisse des Zuger Sprachwissenschaftlers und Ortsnamenforschers Beat Dittli. Dieser nämlich weiss – seinerseits auf die Angaben von Gewährsleuten sich stützend – dass entlang des nachmaligen Tirolerweges Arbeiter der Firma Landis Bau untergebracht waren, welche hauptsächlich aus Österreich, respektive aus dem Tirol stammten. Wann genau das war, ist nicht genauer bekannt. In einem Artikel in der «Neuen Zuger Zeitung» vom Juli 2001, der sich ebenfalls mit dem Tirolerweg befasst, hat die ehemalige Redaktorin Annemarie Setz zudem herausgefunden, dass sich die in Holzbaracken wohnenden Gastarbeiter aus Österreich des öfteren in die Haare geraten sein sollen, weshalb die Polizei immer mal wiederholt ausrücken musste, um für Ruhe zu sorgen. Das könnte die Episode mit den «Tirolern» in den Köpfen der Zuger zusätzlich eingeprägt haben, weshalb man im Zuge der baulichen Entwicklung den neu entstandenen Strassenzug nach diesen Gastarbeitern benannt hat.

Mit «Hingeschaut» gehen wir wöchentlich Fundstücken mit kulturellem Hintergrund und Zuger Bezug nach.

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