Seit Jahren ist bekannt, dass zahlreichen von so genannt «fürsorgerischen Zwangsmassnahmen» betroffenen Personen Unrecht geschehen ist – auch im Kanton Zug. Doch ein umfassendes Bild über die damaligen Geschehnisse, Gesetze und Ausführungsbestimmungen und insbesondere über das Ausmass fehlt. Es besteht eine grosse Forschungslücke. Eine vertiefte wissenschaftliche Aufarbeitung dieses wichtigen Kapitels Zugerischer Sozialgeschichte im Zeitraum von 1850 bis 1980 drängt sich somit auf, heisst es in einer Mitteilung der Direktion des Innern.
Missstände und Überforderung
Es geht um Fremdplatzierungen, Zwangsadoptionen, -abtreibungen und -sterilisationen, um physische und psychische Gewalt, aber auch um die Überforderung von Personal in Kinder- und Jugendheimen, das kaum oder gar nicht für diese anspruchsvolle Aufgabe ausgebildet, von den Behörden häufig allein gelassen und entsprechend überfordert war. Es geht aber auch um Privatpersonen und Behördenmitglieder, die Missstände in Familien und Heimen festgestellt und sich engagiert für das Wohl von Kindern und Jugendlichen eingesetzt haben. «Die Notwendigkeit für eine auf den Kanton Zug fokussierte Untersuchung ergibt sich nicht nur aus der bestehenden Forschungslücke, sondern in erster Linie, weil wir als Gesellschaft den Opfern und deren Angehörigen eine Aufarbeitung schuldig sind», lässt sich Staatsarchivar Ignaz Civelli in der Medienmitteilung zitieren.
«Die Zusagen sind für mich ein klares Zeichen, dass man die betroffenen Menschen und das Thema ernst nimmt.»
Ehemalige Verdingkinder und andere Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen erhalten vom Bund auf Gesuch hin einen Solidaritätsbeitrag von 25000 Franken. «Dieses Zeichen ist wichtig, ersetzt aber eine historische Aufarbeitung nicht», betont Frau Landammann Manuela Weichelt.
Archivquellen und Interviews für ein differenziertes Bild
Die Forschungsarbeit wird sich auf zahlreiche Archivquellen und Interviews mit Beteiligten und Betroffenen stützen und sich auf alle Gemeinden des Kantons Zug erstrecken. Erforscht werden nicht nur einzelne Fälle, sondern auch die Strukturen, Werte und Normen, nach denen damals gehandelt wurde. Dies erlaubt es, die Geschehnisse in einen gesellschaftspolitischen Kontext zu stellen. «Es geht nicht um Anprangern, sondern um Verstehen und Aufklären. Wir möchten ein differenziertes Bild des damaligen Handelns erhalten und auch etwas für die Zukunft lernen», betont Weichelt.
Im Sommer 2018 hat die Zuger Regierung für die historische Aufarbeitung 400000 Franken aus dem Lotteriefonds gesprochen. Seither läuft die Suche nach weiteren Finanzierungsquellen. Beiträge in der Höhe von 13000 Franken zugesagt haben zwischenzeitlich die Stadt Zug, die Gemeinden Menzingen und Risch. Auch die Gemeinde Baar steht dem Projekt positiv gegenüber und ist - bei Gutheissung des Budgets 2019 und nach Prüfung eines konkreten Gesuchs - bereit, einen Beitrag zu sprechen. Weitere Gemeinden, mit denen der Kanton im Gespräch ist, haben signalisiert, dass sie das Vorhaben unterstützen werden.
Mit 20000 Franken beteiligt sich die Reformierte Kirche Kanton Zug. Einen substanziellen Beitrag wird auch die Vereinigung der Katholischen Kirchgemeinden des Kantons Zug (VKKZ) sprechen. Die «Guido Fluri Stiftung» beteiligt sich mit einem Betrag von 100000 Franken am Projekt. «Die Zusagen sind für mich ein klares Zeichen, dass man die betroffenen Menschen und das Thema ernst nimmt», so Frau Landammann Manuela Weichelt.
Suche nach weiteren Finanzierungsquellen
Das Ziel besteht darin, den Finanzbedarf von 950 000 Franken zu decken. Darum ist der Kanton mit weiteren Einwohner- und Bürgergemeinden sowie Stiftungen im Gespräch. «Ich danke allen Gemeinden und Institutionen, welche die für den Kanton Zug wichtige Aufarbeitung unterstützen und hoffe, dass wir noch weitere Zusagen erhalten», so Frau Landammann. (haz/PD)