notifications
Nidwalden

Zucht und Wertschätzung

Franziska Ledergerber macht sich in ihrem «Ich meinti» Gedanken zum Umgang mit Tieren.
Franziska Ledergerber. (Bild: PD)

Franziska Ledergerber

Unser Freund Hugo hat einen Mops namens Mopsi. Letzthin musste er operiert werden, weil er grunzte wie ein Säuli, – also der Mops. Diese Rasse ist derzeit in. Aus ästhetischen Gründen wurde die Schnauze dieser kleinen Hunde um die Hälfte kürzer gezüchtet. Dadurch wurde der Nasengang derart verkrüppelt, dass die Tiere nicht mehr richtig atmen können. Sie sehen dafür mit ihren dunklen, kugeligen Augen und dem vermeintlich steten Lächeln so herzig aus. Jööh! Hugo hätte, da bin ich mir sicher, nie ein solches Exemplar gekauft. Mopsi übernahm er von seiner Tochter, die den Kleinen zwar liebt, aber berufshalber keine Zeit mehr für ihn aufbringen konnte. Mopsi ist ein freundliches und drolliges Hundchen, aber eben; völlig überzüchtet. Handelt es sich hier etwa um eine sogenannte Zuchtwertschätzung? Ein mir neues Wort, das mich letzthin in einer Zeitungsnachricht irritierte.

Denn Wertschätzung ist im eigentlichen Sinne eine positive Bewertung eines Menschen. Einen Menschen, den wir wertschätzen, ist integer, gerecht, unprätentiös und loyal. Kurz, ihm wird Respekt und Wohlwollen entgegengebracht. So weit so gut, aber was genau heisst nun Zuchtwertschätzung? Eine Zuchtfirma mit Sitz in Sempach hätte einen Grossauftrag an Land gezogen, so die Meldung. Diese würde einem privaten russischen Agrarkonzern, der pro Jahr gut eine Million Schlachtschweine erzeuge, beim Aufbau einer Zuchtwertschätzung beratend zur Seite stehen. Die Firma würde ausserdem mehr in den Bereich der Genetik investieren.

Du meine Güte! Man stelle sich vor: Eine Million Schweine werden dort pro Jahr erzeugt und verwurstet. Wer oder was wird wohl bei einer solch horrenden Zahl noch wertgeschätzt? So ein Megaunternehmen kann doch, ausser einer Gewinnmaximierung, gar nichts anderes mehr wertschätzen. Am allerwenigsten die gebeutelten Schweine.

Als zucht- und gentechnisch wenig gebildete Fleischesserin (meistens Bio – zu meiner Entlastung) musste ich mich zu diesem Thema erst einmal informieren: «Mit den Zuchtwerten wird die Vererbungskraft der Tiere für verschiedene wirtschaftlich interessante Merkmale ausgedrückt. Zuchtwerte sind Schätzungen aufgrund statistischer Modelle. Die Zuchtwerte werden für den Züchter die zuverlässige Grundlage für eine effiziente Selektion seiner Zuchttiere bilden.»

Bei diesem Forschungszweig geht es demnach nicht darum «eine Zucht wert zu schätzen», sondern um «den Zuchtwert zu schätzen». Und wenn die Firma bei derart profitorientierten Zuchtprojekten zusätzlich noch mehr in die Genetik investieren will, kann das nur heissen, dass die Absicht besteht, vermehrt in die DNA der Tiere einzugreifen. Irgendwie unheimlich. Die armen Schweine!

Diese Firma würde besser Biohöfe oder kleine Familienbetriebe unterstützen, die nachhaltig und naturnah produzieren. Zum Wohl der Tiere und letztlich auch der Menschheit. Was nützen uns überzüchtete, leidende Fleischberge, die ohne Antibiotika, Hormone oder sonst welche Medikamente gar nicht mehr lebensfähig wären. Von der Qualität des Fleisches ganz zu schweigen. Auf eine Sempacher Schlachtplatte kann ohne Not verzichtet werden.

Da lob ich mir die traditionelle «Metzgete», zu welcher verschiedene Innerschweizer Restaurants wie das Kreuz in Dallenwil, das Kreuz in Emmen oder das Bacchus in Hildisrieden laden. Diese Gastronomen kennen die meisten Produzenten persönlich. «Wir veredeln das ganze Tier vom Schwänzli bis zum Schnörrli», so ihr Leitspruch. Gerne setzte ich mich jeweils im Winter an ihre grosse Tafel und esse alles, was formidabel gekocht und aufgetischt wird.

Franziska Ledergerber, Hausfrau und ausgebildete Lehrerin, Hergiswil, äussert sich abwechselnd mit anderen Autoren zu einem selbstgewählten Thema.

Kommentare (0)