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Kolumne

Zu viel des Schlechten

Er ist ein leidenschaftlicher Sammler. Eigentlich. Zwei Gründe haben «Ich-meinti»-Kolumnist Primus Ettlin nun dazu bewegt, künftig keine Panini-Bildchen mehr zu sammeln.

Primus Ettlin, Student aus Engelberg.
Bild: Bild: Florian Arnold (Stans, 13. Mai 2022)

Seit Monatsbeginn sind die beliebten Panini-Sticker wieder im Handel erhältlich. Für alle, bei denen das Wort Panini höchstens ein Knurren im Magen auslöst: Panini-Sticker sind die «Tschuttibildli», die man sammeln, tauschen und schliesslich in ein Heft kleben kann. Zu meiner Überraschung verpasste ich den Start der diesjährigen Reihe anlässlich der WM in Katar. Dabei bin ich ein leidenschaftlicher Sammler – zumindest war ich einer. Denn nach einer langen, emotionalen Beziehung, die die Panini-Sticker und ich zusammen geniessen durften, habe ich mich jetzt getrennt. Ein kurzer Rückblick:

Es fing alles im Jahre 2002 an. Die ersten fünf Bilder in meinen kleinen Händen. Erinnern kann ich mich nur noch an den blutjungen Iker Casillas und irgendein japanisches oder koreanisches Stadion. Voller Stolz musterte ich die Bilder beim Einschlafen immer und immer wieder, bis mir die Augenlider zufielen. Die Aufregung war so gross, dass die Bilder am nächsten Morgen komplett durchnässt waren. Ich meinti damals, ich hätte bloss stark geschwitzt, doch da war wohl der Wunsch Vater des Gedankens. Die Bilder waren futsch und ich enttäuscht. Ansonsten bleiben aber fast nur gute Erinnerungen. Bei der Erstkommunionsreise 2006 ins Kloster Einsiedeln wurde im Car reichlich gefeilscht und meine Ausbeute war beachtlich. Der liebe Gott möge es mir verzeihen, aber Ricardo Cabanas hat mich damals wesentlich mehr interessiert als die Schwarze Madonna in der Klosterkirche, konnte ich mit ihm doch in meinem Heft die Doppelseite der Schweizer Nati vervollständigen.

In der Primarschule war das Sammeln ohnehin ein Leichtes. In jeder Pause herrschte Hochkonjunktur an der Panini-Tauschbörse. Es waren dann die äusseren Umstände, welche meine Leidenschaft komplizierter machten. Je älter ich wurde, desto weniger Bekannte teilten meine Passion. Ein halbes Dutzend Panini-Begeisterte reichte schliesslich nicht mehr, um eine florierende Tauschbörse auf die Beine zu stellen. Auch wenn der Pausenplatz eine Goldgrube für Sammler wäre, hielt ich es als erwachsener Mann nicht für die beste Idee, mich dort rumzutreiben.

Eine solche liessen auch die Herren der Fifa vermissen, als sie Katar zum Austragungsort kürten. Nicht zuletzt deswegen ist es nun vorbei mit meiner Sammelei. Die WM in Katar ist zu viel des Schlechten. Neben all den wunderbaren Dingen wie den Genderbüebu, Raclette und Eringerkühen hat uns das Wallis leider auch Gianni Infantino und Sepp Blatter beschert. Letzterer hat sich gemeinsam mit seinen Kumpanen für den Wüstenstaat als Austragungsort entschieden. Über die Bedingungen auf den Baustellen der WM-Stadien wurde viel geschrieben. Auch die Tatsache, dass die Stadien gekühlt werden müssen, um bespielbar zu sein, verliert im Zuge der drohenden Energiemangellage nicht an Sinnlosigkeit.

Im Vorfeld dieser Weltmeisterschaft keine Panini-Bildli zu sammeln, ist natürlich ein lächerlicher Boykott-Versuch. Und ich gebe zu: Trotz all den negativen Schlagzeilen, schütte auch ich mir im Freudentaumel den Glühwein über den Wintermantel, wenn Noah Okafor am 4. Advent die Schweiz in der 93. Minute zum Weltmeistertitel schiesst.

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