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Luzern

Zentralschweizer Verbände fordern schnellere Verfahren bei Baugesuchen

Vertreter der Baubranche kämpfen für einfachere Abläufe bei Baubewilligungen. Nun wollen sie Druck auf die Behörden machen – und haben eine Umfrage in zwei Zentralschweizer Kantonen gestartet.
Architekt Patrick Müller vor der teilweise realisierten Überbauung «Bertiswil». Dem Projekt droht eine Verzögerung. (Bild: Jakob Ineichen, Rothenburg, 5. November 2019)
Mario Conca, Abteilungsleiter Baubewilligungen Kanton Luzern

Sandra Peter

Sandra Peter

Wer in der Schweiz ein Wohnhaus, einen Stall oder ein Gewerbegebäude bauen will, muss dafür bekanntlich eine Bewilligung einholen. Von der Baueingabe bis zum Baustart vergehen manchmal Monate oder gar Jahre. Die Interessengemeinschaft (IG) Baubewilligung hat deswegen nun eine Online-Umfrage für Fachleute und Privatpersonen in den Kantonen Luzern und Nidwalden gestartet, um die Zufriedenheit mit den Bewilligungsverfahren zu erheben.

Die «IG für effiziente Baubewilligungen» hat gemäss eigenen Angaben das Ziel, Bewilligungsverfahren «zu vereinfachen, zu professionalisieren und zu beschleunigen». Sie will sich auf politischer Ebene für «bessere Abläufe» einsetzen und nach der Auswertung der Umfrage-Ergebnisse mögliche Lösungsvorschläge präsentieren. Die Umfrage kann zwar auch anonym ausgefüllt werden. Die IG hofft jedoch auf detaillierte Angaben und Fallbeispiele verschiedener Bauten in diversen Gemeinden. Die IG wird von verschiedenen Verbänden unterstützt (s. Box am Ende des Textes).

Vorwurf: Bewilligungspraxis teilweise uneinheitlich

«Verzögerungen bei Baueingaben sind heutzutage an der Tagesordnung und wie lange ein Prozess dauert, ist unkalkulierbar», sagt der Präsident der IG Baubewilligung, Patrick Müller. Gründe dafür seien einerseits Einsprachen, andererseits aber auch das Vorgehen der Behörden. Der Inhaber der Müller Architekten AG in Kriens und der Mittler Architekten AG in Buochs erläutert:

«Es besteht teils eine uneinheitliche Bewilligungspraxis. So fehlt die Planungssicherheit».

Die Folgen seien hohe Kosten für Investoren, Planer und Handwerker. In der Umfrage beurteilen die Teilnehmer auch, für wie kompetent sie die zuständige Behörde halten. «Nicht jede Baubehörde arbeitet in gleichem Masse professionell», so Müller. Denn die Gesetzeslage und auch die damit verbundene Rechtsprechung sei komplexer geworden.

Mario Conca, Abteilungsleiter Baubewilligungen der Dienststelle Raum und Wirtschaft (Rawi) des Kantons Luzern, bestätigt: Verordnungen und Gesetze in bestimmten Bereichen, vor allem auf der Stufe Bund und Kanton, sind umfassender und komplexer geworden. Conca sagt:

«Es ist möglich, dass Vertreter von kommunalen Bewilligungsbehörden an ihre Grenzen stossen.»

Und er ergänzt: «Wenn beispielsweise bei einer Gemeinde mit durchschnittlich 30 Baugesuchen im Jahr zwei komplexe Vorhaben zu prüfen sind, etwa mit einer Umweltverträglichkeitsprüfung und mehreren kantonalen Sonderbewilligungen, kann es schon happig werden.» Zudem würden Gesetze oder Verordnungen teils im Jahresrhythmus angepasst, beispielsweise im Raumplanungs- und Umweltrecht.

Die Gemeinden im Kanton Luzern sind unterschiedlich organisiert. Einige verfügen über ein eigenes Bauamt, andere haben Teilprozesse ausgelagert. Es gibt regionale Bauämter, die für mehrere Gemeinden zuständig sind, wie etwa das Regionale Bauamt Oberseetal für Ballwil, Eschenbach und Inwil. «Der Kanton Luzern begrüsst solche Modelle mit gut ausgebildeten Ansprechpersonen», sagt Conca. So komme es auch zu einer Entflechtung von Prüfern und den zuständigen Entscheid-Behörden.

Langwierige Verfahren

Aus Sicht der IG dauert die Bearbeitung einer Baubewilligung oft zu lange. «Bei grösseren Bauvorhaben reichen dafür acht bis neun Monate oft nicht aus», sagt Präsident Patrick Müller. Im Kanton Luzern gilt die Bestimmung, dass die Bearbeitung im vereinfachten Verfahren bei 80 Prozent der Fälle innert einer Frist von 25 Arbeitstagen und im ordentlichen Verfahren innert 40 Tagen mit einem Entscheid abgeschlossen wird. Gemäss Mario Conca wird dies bei vereinfachten Verfahren eingehalten. Bei ordentlichen und komplexen Verfahren habe die Frist von 40 Arbeitstagen in den letzten zwei bis drei Jahren aus verschiedenen Gründen nicht oder nur knapp eingehalten werden können. Für Müller ist das «eine Farce. Die Zahlen werden erreicht, wenn es sich bei Baueingaben um Kleinigkeiten wie den Einbau eines Dachfensters geht.» Conca entgegnet, dass bei länger dauernden Fällen oft Unterlagen fehlen würden oder Einsprachen zu behandeln seien. «In solchen Fällen wird das Verfahren sistiert. Die zur Behebung der Mängel oder Behandlung der Einsprachen erforderlichen Arbeitstage sind für die Verfahrensdauer also nicht mit zu rechnen.»

Lassen sich Behörden von Einsprechern beeinflussen?

Die Erhebung enthält auch Fragen zur Zusammenarbeit mit Behörden. Dabei sind einige negativ formuliert. So wird gefragt, ob Bauherren «unter Druck gesetzt» wurden, ihr Projekt anzupassen. Weiter wird erhoben, ob die Leitbehörde bei der Lösung der Probleme die Teilnehmer «sogar behindert» hat. Der Präsident der IG Baubewilligung sagt dazu:

«Gewisse Behörden sind sehr baukritisch oder lassen sich von Einsprechern sehr stark beeinflussen. Da ist es für die Behörde manchmal einfacher den Gesuchsteller unter Druck zu setzen als sich gegen den Einsprecher zu stellen».

Das Baugesetz sei aber nicht schwarz und weiss, es gebe einen Graubereich. «Wir wollen wissen, ob die Bauherrschaft teils mit dem Argument einer möglichen Ablehnung bei solchen Punkten unter Druck gesetzt wird». Mit dieser Äusserung konfrontiert, reagiert Mario Conca folgendermassen: «Bei der Rawi gilt die Devise, dass Ermessensspielräume zu nutzen sind.» Und er ergänzt:

«Es gibt aber auch klare Vorgaben ohne Spielraum. Wir sind auch die Vollzugsbehörde des Bundes, etwa wenn es um das Bauen ausserhalb der Bauzone geht.»

In der Umfrage der IG wird auch dazu aufgefordert, «besonders negativ aufgefallene Personen oder Behörden» mit Namen zu nennen. Die Angaben dazu würden nicht veröffentlicht, allenfalls aber anonym bei Gesprächen mit Gemeinden genannt, heisst es. «Es geht nicht darum, jemanden schlecht zu machen, sondern um konstruktive Kritik üben zu können», sagt der IG-Präsident dazu.

Diskutiert wird in der Baubranche und der Politik insbesondere der Umgang mit Einsprachen. Müller erklärt:

«Einen Konsens zu finden, ist erfahrungsgemäss nicht der Punkt, der lange dauert, wenn es um ein konkretes Anliegen geht.»

Häufig sei es aber so, dass die Einsprecher nicht an einem Konsens interessiert seien, sondern einen Bau komplett verhindern oder möglichst lange verzögern wollten. Dies sei etwa beim bisher um zwei Jahre verzögerten Projekt des «Sonnhaldenparks» in Kastanienbaum in Horw der Fall (wir berichteten). Und auch bei der Überbauung «Bertiswil» in Rothenburg drohe für die zweite Etappe eine Beschwerde gegen die Baubewilligung. Dies, obwohl die erste Etappe unter ähnlichen Voraussetzungen bereits gebaut worden ist, ohne dass jemand Einsprache erhoben hat.

Dies stört Müller. «Eine Einsprache an sich ist nicht kostenpflichtig. Verzögert diese den Bau beispielsweise um ein Jahr, kann dies die Bauherren und Planer auch schon mal eine Million kosten.» Denn sie tragen die Kosten für Baulandzinsen, Anwälte und allenfalls Gerichtsverfahren. Auch Auflagen und allenfalls neue gesetzliche Bestimmungen, die während der Verzögerung in Kraft treten, können den Bau verteuern. Wenn ein Einsprecher vor Gericht zieht und verliert, trägt er keine Verfahrenskosten. Der seit 25 Jahren in der Branche tätige Rawi-Abteilungsleiter Conca sagt:

«Einsprachen haben gegenüber früher klar zugenommen. Und auch Beschwerdeverfahren vor Gericht.»

Kanton Schwyz prüft Abschaffung von Einsprachen

Im Kanton Schwyz befassen sich Politiker bereits damit, wie zukünftig mit Baueinsprachen umgegangen werden soll. So hat der Schwyzer Kantonsrat im Oktober unter anderem ein Postulat für erheblich erklärt, das die Abschaffung der Baueinsprachen verlangt. Der Regierungsrat muss deswegen prüfen, ob das Instrument der Baueinsprache verschwinden soll. Ebenfalls für erheblich erklärte das Parlament eine Motion, die fordert, dass Beschwerden gegen Baubewilligungen nicht automatisch eine Verhinderung des Baustarts zur Folge haben.

In welche Richtung die Lösungsvorschläge der IG Baubewilligung auf politischer Ebene gehen könnten, sei «extrem abhängig von der Umfrage», so Präsident Müller. Die Umfrage in den Kantonen Luzern und Nidwalden läuft noch bis Ende 2019. Im Frühjahr 2020 sollen erste mögliche Massnahmen aufgezeigt werden.

Hinweis: Online-Umfrage unter www.ig-baubewilligung.ch

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