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Luzern

Wo nachts der Bär steppt – unterwegs auf der Gasse und in den Luzerner Fasnachts-Beizen

Der Urknall ist verhallt, der erste Umzug vorüber. Die Fasnacht aber, sie pulsiert munter weiter. Wo ihr Rauschen besonders heftig ist, hat unser Autor zu später Stunde herausgefunden – auf eigene Leber.

Überall tanzt es. Überall gurgelt man Holdrio und Hexentee. Du aber hast dich geschont. Weil du weisst: Fasnacht ist nicht nur Fötzeliregen und wilde Nummern am Bilderbuch-Fritschi-Umzug. Fasnacht ist auch Versumpfen in Spunten, Schlager-Gewummer auf Gassen, «Priis» mit Fremden und Kaffee, so dünn und mit so viel Güx, dass es diese Bezeichnung gar nicht mehr verdient. Fasnacht in Luzern, das ist ein Langstreckenlauf, der sich weit bis in die Morgenstunden zieht.

Schmudo, 18.40 Uhr, Bahnhofplatz – «Weiss der Geier...»

Gerade eben ist die Sonne untergegangen. Das Wetter, es hat die Fasnächtler komplett verarscht, im besten Sinn. Der Winter hat längst das Weite gesucht, ein Hauch Frühling weht durch die Gassen, während sich ein güldenes Glühen über die Ausläufer des Pilatus zieht. «Guantanamera» johlt ein Trupp ausladender Sombreros, tänzelt rasselnd der Reuss entlang. Man folgt, trinkt einen kräftigen Schluck «Weissen Russen» aus der stilvollen Plastikmilchflasche...

19.20 Uhr, Bahnhofstrasse – «Däpp, däpp, däpp, Johnny Däpp!»

Nicht alle sind süferli in den Schmutzigen Donnerstag gestartet – das merkt man schon nach wenigen Metern Kampf durch Affen-Grenden, Clown-Fratzen und Co. Junge Bierdosen-Presser nicken wie ferngesteuert wummernde Bässe ab. Ein Turner-Bibi, schon ordentlich aus dem Gleichgewicht geraten, plumpst bei ihrem Kopfstandversuch ungebremst ins wogende Narrenmeer. «Hier beginnt die Techno-Meile» erklärt ein blutgetränkter Wolf – seiner Tante? – und sollte nicht Recht behalten. Bald schon schränzt in eben jener Meile eine Guuggenmusig, wird ein Stern, «der deinen Namen trägt» besungen. Und natürlich ist auch Joana eine «geile Sau».

20 Uhr, Restaurant Ente – heulende Saxophone

Ein paar dünne Scheiben trennen uns von der wilden, rammelvollen Gasse. Hier drin aber geht es deutlich gesitteter zu. Es spielt nur eine Band – eine Handvoll angegrauter Blech- und Holzbläser, man sitzt artig an Festgarnituren. Klar, auch hier dampfen Holdrios, benetzen Gerstensäfte Zungen, wird ordentlich geschunkelt. Und doch ist alles ein Zacken zivilisierter. Es ist offenkundig: Hier feiert, wer schon etliche Male hat die Narrenzeit ins Land ziehen sehen. Schön. Nett. Und doch irgendwie zu abgeklärt. Ob anderswo ausgelassener die Glieder geschüttelt werden?

20.55 Uhr, Restaurant Magdalena – Balkan-Brass

Der Marsch über den Rathaussteg, durch Narrenpulk, Tabak- und Marihuana-Rauch, über Konfetti und Bierdosen hat gedauert – und sich gelohnt. Gabalier ist jenseits der Fenster, ebenso der sexbesessene Ast-Flöru. Hier bläst frischer Wind vom Balkan, hornen sich die Herren und Frauen von Saund Ekspress die Seele ins Guuggi, während das Publikum jauchzt, sich die Hände wund klatscht. Verhockgefahr: gross. Aber da geht bestimmt noch mehr.

22.53 Uhr, Brasserie Bodu – «Nachtfieber, hier bei uns im Norden»

Die heimtückischen Holdrios und Hexentees; sie ziehen jeden noch so kurzen Marsch in die Länge. Egal. Jetzt wird Beizenfasnacht konsumiert, mit einem kühlen Blonden in der Hand, schlotenden Zeitgenossen rundherum – und angeregten Diskussionen. Me too. Die Frau, der Mann. Der Mensch. Es geht ordentlich zur Sache. Und dann gibt es noch diesen Zürcher, der für seine «grossartige Fasnacht» Werbung macht...

23.30 Uhr, Jazzkantine – «Skandal um Rosi!»

Erst Theater, dann völlig losgelöst und zu guter Letzt wird der Vorhang aufgezogen, für Alex. Stimmung: gut. Es hat viele Leute. Die vielen Tees und kühlen Ponys zeigen langsam Wirkung. Wo einst Hirn war, ist jetzt Birenweggen.

02.37 Uhr – irgendwo an der Fasnacht

Armdrücken, noch mehr Hexentees und viele, viele neue Bekanntschaften. Fasnacht funktioniert.

04.49 Uhr – «Fasnacht! Schalalalala!»

Fasnacht du alter Kraken: Berauschst und entzückst mich, küsst den Poeten in mir wach. Du lässt mich nicht aus deinen Fängen, bist ach so wild und aufregend. Wie ein Tanzbär auf Speed.

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