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Zug

Witzige und berührende Rede: «Manchmal braucht es mehrere Anläufe»

In Unterägeri hielt Radiomoderator Dominique Iten die Rede zum 1. August.

Harry Ziegler

Harry Ziegler

Der Dank gehört zur Eröffnung einer Rede zum Bundesfeiertag. So auch bei Radiomoderator Dominique Iten. Seine in Mundart gehaltene Rede begann er deshalb so: «Ich möchti zerscht danke säge. Danke für die Iladig und d’Glägeheit, hüt Abig döfe da z’Unterägeri d’Fäscht-Red zum 1. August z halte.»

Eine solche Rede halten zu können, sei ja alles andere als alltäglich. «Bsunders no i sim Heimatdorf. Dete, womer här chunnt», sagte der im Dorf Aufgewachsene, der auf der Unterägerer Gemeindeverwaltung sogar seine Lehre absolvierte.

Mehrere Anläufe und fast der erste Kuss

Iten gestand, dass er für die Rede mehrere Anläufe brauchte – wie auch für den ersten Kuss. Denn diesen hätte er beinahe als junger Teenager an einem solchen Geburtstagsfest der Schweiz erhalten. Aber eben nur beinahe. Dem Kuss funkte das Feuerwerk dazwischen, was die sich anbahnende Romantik sprichwörtlich in Luft auflöste.

Recherche zum Verfassen einer Rede

Dominique Iten, der fürs Radio arbeitet, ist sich die Recherche gewohnt. Also ging er auch diese Rede, wie er erklärte, entsprechend an. Dabei habe er herausgefunden, dass eine emotionale Ansprache der Zuhörerinnen und Zuhörer praktisch die halbe Miete sei.

Das mache ihn als Redner menschlicher, nahbarer. Also eine Geschichte, «we die vo mim fascht erste Kuss mit 15ni, woni eu vori verzellt ha. Die hani zwar total frei erfunde, das meitschi häds nie gäh – wenner Jugendbilder vo mier gönd go aluege, de wüsseder au warum ...»

Er erzählte, dass das Magazin «Republik» 170 1.-August-Reden analysiert und dabei herausgefunden habe, dass es starke Schweizer Wörter gibt: «Freiheit. Leben. Eidgenossinnen und Eidgenossen. Demokratie. Solidarität.» Das stärkste jedoch – keines wurde in den analysierten Reden häufiger verwendet – lautet «Schweiz».

Es gibt laut Itens Recherche aber weitere wichtige, oft zitierte Worte: «Land. Menschen. Zukunft. Schweizerinnen und Schweizer. Freiheit. Gemeinschaft. Zeit.» Sie dürfen in keiner Rede fehlen. Kriterien erfüllt – bleibt die Frage: «Was will ich jetzt eigentlich erzählen?»

«Für mich isch aso vo Afang ah klar gsi, dassi ned die grosse politische Gschütz wott uffahre. Drum bini am Schluss bi dere Frag glandet, woni mier sälber di ganzi Ziit gstellt ha: ‹Warum ich?›»

Das sei übrigens auch die erste Frage gewesen, die er dem Gemeinderat gestellt habe, als er fürs Halten dieser Rede angefragt worden war.

Nachdem er die Festgemeinde mit seinem Beinahe-ersten-Kuss etwas verwirrt hatte, erzählte Iten seine persönliche, berührende Geschichte: «Warum ich?

Es ist jene Frage, welche ich mir vor 23 Jahren stellen musste, als mein Bruder und ich zu Vollwaisen wurden. Kurz nach dem Tod unserer Mutter Vroni verstarb auch unser Vater Urs nach kurzem Kampf an Krebs. Warum ich? Warum passiert das schon wieder mir? Es war ein unfassbarer Moment. Dunkel. Schwer. Voller Trauer und Wut. Ich fühlte mich ohnmächtig.»

Dann sei jedoch etwas so Unglaubliches geschehen, «dass es mich heute noch tief berührt und bewegt. Ein ganzes Dorf, nein, ein ganzes Tal packte gemeinsam mit an. Es wurde dafür gesorgt, dass es diesen beiden Buben gut geht. Dass sie im Dorf bleiben können. Eine neue Familie finden. Dass Geld da ist. Dass man sie in Vereinen unterstützt. Dass ihnen in der Schule geholfen wird.

Da rollte uns eine Welle der Hilfsbereitschaft und Wärme entgegen, welche ich mir heute noch nicht erklären kann. Warum ich? Diese Leute kennen mich teils gar nicht, dachte ich damals.»

Es zeige jedoch, wa­rum er dieses Tal und die Menschen darin so schätze und liebe. «Es sind urschweizerische Eigenschaften. Zusammenhalt. Mut. Solidarität. Gemeinschaft. Starke Wörter, welche für mich in diesem Kontext aber nie lächerlich und ältlich klingen. Sondern wichtig sind. Es sind starke Wörter, starke Eigenschaften, deren wahre Stärke erst dadurch entfaltet wird, wie wir sie als Menschen leben.»

Aufruf, mit gutem Beispiel voranzugehen

«In einer Zeit, in welcher Demokratien auf der ganzen Welt unter Angriff stehen und Menschen mit Macht nur auf deren Macht und das eigene Portemonnaie fixiert sind», liege es an uns Schweizerinnen und Schweizern, mit gutem Beispiel voranzugehen. «Zu zeigen, wie man es richtig macht. Mit Anstand, Respekt und Solidarität.» Viel mehr als die Frage «Warum ich?» stelle sich aber jene «Warum nicht wir alle zusammen?». Ja, warum nicht?

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