Matthias Piazza
Matthias Piazza
«Man kann es fast nicht in Worte fassen», sagt Alban Dillier, Präsident des Vereins Sarner Fachgeschäfte und Inhaber von Bücher Dillier in Sarnen, zur neuen Situation. Seit Dienstag ist die fünfwöchige Schliessung von Restaurants und Geschäften, die nicht Lebensmittel verkaufen oder wichtig fürs Gesundheitswesen sind, in Kraft. Damit soll die Übertragung des Corona-Virus eingedämmt werden. Doch Not macht erfinderisch. Wenn die Kunden schon nicht in Dilliers Geschäft kommen dürfen, kommen die Bücher eben zu ihnen nach Hause – portofrei. Bestellen kann man über E-Mail, Facebook, Instagram und Telefon. «Der Hauslieferdienst stösst auf grosse Nachfrage. Bücher, Spiele und DVDs sind zurzeit sehr gefragt.» Andere Geschäfte, bei denen sich kein Hauslieferdienst eigne, würden stärker leiden, sagt Alban Dillier. Er hofft, dass der Bund der Wirtschaft mit mehr als den angekündigten 10 Milliarden Franken unter die Arme greifen werde.
Auch Martin von Matt, Inhaber der Buchhandlung von Matt in Stans, hat einen solchen Lieferdienst aufgezogen. Mit dem E-Bike liefert er die Bücher aus, die seine Kunden bei ihm bestellt haben:
«Wir müssen alles versuchen, den Motor irgendwie am Laufen zu halten», meint Martin von Matt. «Machen wir doch das Beste aus der Situation.» Dankbar sei er auch, dass der Kanton die Möglichkeit bietet, so kurzfristig für die Mitarbeiter ein Gesuch auf Kurzarbeit zu stellen. «Wenn nun die Stanser uns treu bleiben, statt bei einem Onlinehändler ihre Bücher zu bestellen, werden wir diese besondere Zeit gut überstehen», gibt er sich zuversichtlich. In die Hände dürfte den beiden Buchhändlern auch der Umstand spielen, dass die Kantonsbibliotheken geschlossen sind.
Neue Wege geht auch die Jugendarbeitsstelle der Gemeinde Stans. Sie hat die Koordinationsstelle «Stans hilft!» eingerichtet – für Stanser, die Hilfe brauchen oder Hilfe anbieten können, sei es etwa beim Einkaufen oder bei der Kinderbetreuung. «Wir spüren eine grosse Solidarität», sagt Leiter Matthias Rutz dazu. «Es haben sich schon viele Leute gemeldet, um zu helfen.» Dass bisher noch niemand dieses Hilfsangebot in Anspruch genommen hat, erklärt er sich damit, dass sich die Leute auch selber gegenseitig unterstützen, teilweise auch über Facebook. Er geht davon aus, dass die Nachfrage in den kommenden Tagen anziehen wird.
Einige Restaurants haben auf Take-away umgestellt
«Die Existenz vieler Restaurants steht auf dem Spiel. Das ist eine Katastrophe», sagt Nathalie Hoffmann, Präsidentin von Gastro Nidwalden. Sie rechnet damit, dass dies das definitive Aus für einige Restaurants bedeutet. Einige Betriebe hätten auf Take-away umgestellt, um so wenigstens einen Teil des Umsatzausfalles wettzumachen. Viele in der Gastrobranche hätten Anträge auf Kurzarbeit eingereicht.
Für konkrete Aussagen zum wirtschaftlichen Schaden sei es allerdings noch viel zu früh. Die Wirtin des Seehotels Baumgarten in Kehrsiten sagt:
«Wenn die Restaurants am 20. April wieder öffnen dürfen, ist die Branche im besten Fall mit einem dunkelblauen Auge davongekommen.»
Sie hofft, dass sie wie geplant ihr Restaurant nach der Winterpause am 1. Mai wieder eröffnen kann.
Von Zukunftsängsten und Verunsicherung in der Branche spricht auch Bruno della Torre, Vizepräsident von Gastro Obwalden. Für seine 14 Angestellten im Restaurant Kreuz in Sachseln und die fünf Mitarbeiter der «Rose» in Kerns hat er Kurzarbeit beantragt. Auch er wagt keine Prognose zu den wirtschaftlichen Auswirkungen.
Die Hotels dürfen offen bleiben, doch sind sie laut Josef Lussi-Waser, dem Präsidenten von Nidwalden Tourismus, fast leer, weil die Touristen ausbleiben. «Viele Hoteliers werden darum eine vorübergehende Schliessung in Betracht ziehen, weil es sich je nach Grösse des Betriebes einfach nicht lohnt, das Hotel offen zu halten.» Den Teufel an die Wand malen will er aber nicht. «Es könnte noch ein gutes Sommergeschäft werden, auch wenn es natürlich nie an das vergangene Jahr anknüpfen kann. Vorausgesetzt, dass dieser Ausnahmezustand nicht länger als bis Ende April andauert und wir die Schweizer davon überzeugen können, aus Solidarität bei uns Ferien zu machen statt im Ausland.»
Florian Spichtig, Präsident von Obwalden Tourismus, appelliert an den Durchhaltewillen der Tourismusanbieter. «Gefordert sind aber Taten aller ohne langes Abwägen und Beobachten, insbesondere von Kantonsrat, Obwaldner Regierung und Bund, um einen Ruin von Betrieben abzuwenden. Sonst droht ein herber Verlust unseres touristischen Angebots.»
Schnelle staatliche Hilfe gefordert
«Für viele Unternehmer wird es eng», sagt Claudio Clavadetscher, Präsident des Gewerbeverbandes Nidwalden. «Für jene, denen es bisher wirtschaftlich gut lief, kann es existenzbedrohend werden. Und für Unternehmen, die bereits heute kaum Reserven haben, könnte die Corona-Krise endgültig die Pleite bedeuten.» Eine entscheidende Rolle spiele auch, ob der bis am 19. April verordnete Lockdown verlängert werde oder nicht. Auch Unternehmen, die ihren Betrieb nicht unterbrechen müssen, seien nun gefordert. «Meine Mitarbeiter und ich müssen uns auf Home-Office einstellen. Es braucht neue Arbeitsabläufe und Organisationen, die sich erst noch einpendeln müssen», sagt der Mitinhaber eines Architekturbüros in Dallenwil und Oberdorfer Gemeinderat.
Als Projektleiter müsse er etwa auch für genügend Mannschaftscontainer auf der Baustelle besorgt sein, damit der Mindestabstand der Bauleute gewährt sei. Claudio Clavadetscher ist überzeugt, dass die Corona-Krise so oder so ihre Spuren im Nidwaldner Wirtschaftsjahr 2020 hinterlassen wird. Staatliche Hilfe müsste schnell greifen, um Konkurse im grossen Stil zu vermeiden.
«Wir erwarten ein unkompliziertes Handeln, auch was das Bewilligen von Kurzarbeit und Liquiditätssicherungen betrifft.»
Trotz der schwierigen Situation spüre er im Gewerbe Verständnis für die drastischen Massnahmen, um die Verbreitung des Corona-Virus einzudämmen.
«Die Angst geht um, dass man das Geschäft aufgeben oder Mitarbeiter entlassen muss», beschreibt Dunja Rutschmann die Stimmung der Geschäftsinhaber am Dorfplatz in Stans. Die Präsidentin des Vereins Stanser Ladenbesitzer erlebt die Zwangspause selber. Sie ist Inhaberin einer Schneiderei mit Boutique, die auf Nidwaldner Trachten spezialisiert ist. «Ich bin auf Laufkundschaft spezialisiert und weniger auf telefonische Bestellungen. An guten Tagen habe ich in meinem Laden bis zu drei Kundinnen gleichzeitig. Nun ist mein Geschäft zum Stillstand gekommen.»
Fünf Wochen ohne Umsatz würden ein Riesenloch in der Kasse hinterlassen. Das Gesuch um Kurzarbeit für ihre drei Mitarbeiter reiche sie in diesen Tagen ein. Auch hoffe sie auf finanzielle Unterstützung durch den Staat. Trotz katastrophaler Auswirkungen auf die Wirtschaft könne sie die Massnahmen des Bundes nachvollziehen. «Im Moment können wir nur hoffen und wünschen, dass unsere Kunden uns treu bleiben, wenn wir wieder aufmachen und nicht ins Internet abwandern.»
«Unsicherheit ist Gift für die Wirtschaft»
«Niemand weiss, wie lange die Corona-Krise anhält. Diese Unsicherheit ist Gift für die Wirtschaft. Die Unternehmen können nicht längerfristig planen», sagt Emmanuel Hofer, Geschäftsführer des Gewerbeverbandes Obwalden. «Die Aufträge gehen in allen Branchen zurück.» Das Wichtigste sei nun, dass die Firmen liquid bleiben, sonst drohe der Konkurs. «Dabei zählen wir auch auf staatliche Hilfe.»
«Stans hilft!»: Wer in Stans Hilfe anbieten kann oder Hilfe braucht, kann sich werktags zwischen 9 und 17 Uhr bei der Jugendarbeitsstelle Stans melden: 077 407 07 92, jugendarbeitsstelle@stans.nw.ch