Das Thema Migration und Asylpolitik ist seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine wieder in aller Munde. Das zeigte sich auch am Mittwochabend am Podium «Willkommen in der Zentralschweiz?», organisiert von der Caritas. Bis auf den letzten Platz war das LZ-Auditorium an der Maihofstrasse besetzt.
Neben Stimmen von betroffenen Personen äusserten sich Vertreterinnen und Vertreter von Kanton, Kirche und Wirtschaft. Das Ziel: Die Informationen zu diesem vielschichtigen Thema bündeln, wie es der Mitorganisator und Stadtluzerner Sozialdirektor Martin Merki ausdrückte.
Ungleiche Behandlung
Der Abend war auf zwei Gesprächsrunden aufgeteilt. Zuerst bat Moderator und LZ-Chefredaktor Jérôme Martinu die Geflüchteten Farida Agaiarova und Luqman Saleh auf die Bühne. Obwohl sie beide vor einem Krieg geflohen sind, werden sie in der Schweiz sehr unterschiedlich behandelt.
Die 61-jährige Ukrainerin Agaiarova, die seit Mai 2022 in der Schweiz lebt und kurz nach dem Beginn des Ukraine-Krieges aus Kiew floh, hatte nur gute Worte für die Schweizer Integrationsbemühungen übrig. Sie fühle sich sehr wohl hier. «Ich hätte nicht gedacht, dass es so einfach für mich wird.» Kaum sei sie angekommen, habe sie schon eine möblierte Wohnung in Kriens mit drei anderen Ukrainerinnen beziehen können. «Sogar Haushaltsgegenstände wie Geschirr haben wir erhalten.»
Ganz anders erging es Luqman Saleh. Der 40-Jährige ist bereits seit sieben Jahren in der Schweiz und flüchtete vor dem Bürgerkrieg in Syrien. Die erste Zeit verbrachten er und seine Frau in einem Asylzentrum in Bremgarten. «Es war wie in einem Gefängnis», erinnert sich Saleh. Seine Habseligkeiten wie Handy und Geld habe er abgeben müssen. Kontakt nach aussen sei nicht erlaubt gewesen. Auch nicht zu seiner Familie in Syrien. «Sie wussten lange nicht, ob wir die Bootsfahrt übers Mittelmeer überlebt haben.»
Asylchefin: «Niemand nutzt die Situation aus»
Diese Ungleichbehandlung führte Silvia Bolliger, Leiterin Dienststelle Asyl- und Flüchtlingswesen des Kantons Luzern, in der zweiten Gesprächsrunde auf den unterschiedlichen Schutzstatus zwischen Ukrainern und schutzsuchenden Menschen aus anderen Ländern zurück. Der Status S sei eingeführt worden, um in kürzester Zeit die grosse Flüchtlingsbewegung aus der Ukraine bewältigen zu können. Damit falle das sonst übliche Asylverfahren weg.
Moderator Martinu nahm dies zum Anlass, um über die jüngsten Aussagen von Regierungsrat Guido Graf zu debattieren. Dieser sprach von «fordernden» Ukrainern, die «mit dem SUV herumfahren und gleichzeitig Sozialhilfe beziehen», was zu Unmut in der Bevölkerung führe. Bolliger erklärte daraufhin, dass es für Ukrainer weiterhin möglich sei, ihr Auto zu behalten und trotzdem Sozialleistungen zu beziehen. «Das hat mit dem Status S zu tun, niemand nutzt die Situation aus.»
Deutlicher wurde Nicola Neider vom Fachbereich Migration und Integration der Katholischen Kirche Stadt Luzern. Die Aussagen von Graf seien «nicht hilfreich und bringen uns nicht weiter».
Nur 20 Prozent im Arbeitsmarkt
Weiterbringen würde die Integration von Flüchtlingen, wenn der Begriff der «vorläufigen Aufnahme» überdenkt würde, zeigte sich Michael Egli, Leiter Fachstelle Migrationspolitik bei der Caritas Schweiz, überzeugt. So würden auch die Jobchancen steigen. Das bestätigte Ivan Buck, Direktor der Wirtschaftsförderung Luzern. Derzeit hätten nur 20 Prozent der ukrainischen Flüchtlinge in Luzern einen festen Job. «Oft reichen die Deutschkenntnisse nicht.»
Dieses Problem sahen auch Silvia Bolliger und Nicola Neider. Die Sprachförderung müsse vorangetrieben werden. Bolliger versprach, der Kanton werde die Angebote ausbauen. «Wir werden unsere Bemühungen in die Integration verstärken.»
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