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Luzern

Westschweizer und Deutsche sollen im Sommer die Luzerner Hotels füllen – doch das Geld fürs Marketing fehlt

Der Luzerner Tourismusdirektor Marcel Perren will in der Schweiz und in Deutschland die Werbetrommel rühren, obwohl das Budget auf einen Schlag um ein Drittel geschrumpft ist. Jetzt bittet er auch die Stadt Luzern um finanzielle Hilfe.
Allein auf der Kapellbrücke: Marcel Perren.
(Bild: Boris Bürgisser (13. Mai 2020))

Robert Knobel

Marcel Perren, alle Schweizer Tourismusdestinationen hoffen, dass die Schweizer Gäste den Sommer 2020 retten. Auch Luzern?Ja, natürlich. Luzern war bisher schon die beliebteste Stadt für Schweizer Tagestouristen – allein schon dank des Verkehrshauses und den vielen Ausflugsmöglichkeiten. Dennoch wird es sehr anspruchsvoll, auch nur einen Teil der wegfallenden Einnahmen durch Schweizer zu kompensieren. Nicht zuletzt deshalb, weil Schweizer im Schnitt weniger Geld ausgeben als asiatische und amerikanische Gäste.Was ist denn daran so schwierig, zusätzliche Schweizer nach Luzern zu locken?Vieles, was in einem normalen Sommer einen Städtebesuch attraktiv macht und Motivation für eine Reise ist, fällt dieses Jahr weg: Es gibt keine Festivals, keine Seminare, keine Kongresse. Eine grosse Herausforderung wird auch, die Leute dazu zu bringen, mehrere Tage in Luzern zu bleiben und hier zu übernachten. Die Stadt ist aus allen Schweizer Regionen schnell erreichbar. Das ist normalerweise positiv – doch wer schnell hier ist, ist auch schnell wieder weg.Ihre Heimat, das Wallis, wirbt seit Wochen in grossem Stil für Ferien im Bergkanton. Was tut Luzern marketingmässig?Um möglichst viele Übernachtungsgäste nach Luzern zu holen, setzen wir unseren Fokus auf weiter entfernte Regionen. Insbesondere in der Westschweiz kennt man Luzern noch nicht so gut. Weiter wollen wir Luzern und die Zentralschweiz verstärkt als Destination für Familien und Gäste, die sich aktiv erholen möchten, positionieren. Bisher war es zwar nicht unbedingt üblich, längere Ferien in einer Stadt zu verbringen. Doch unsere Wunschvorstellung ist, dass die Leute in Luzern übernachten und von hier aus Ausflüge in die Berge und auf den See unternehmen. Deshalb ist für uns auch sehr wichtig, dass die Bergbahnen und Schiffe bald wieder ihren Betrieb aufnehmen können. Eine Knacknuss wird allerdings die Finanzierung dieser Werbekampagnen. Das Jahresbudget der Luzern Tourismus AG ist auf einen Schlag von 15 auf 10 Millionen geschrumpft, auch unsere Mitarbeitenden sind in Kurzarbeit. Hoffen Sie auf Hilfe vom Staat?Der Kanton Luzern hat bereits 700'000 Franken gesprochen. Dies kompensiert ungefähr den Beitrag, den wir aufgrund des Wegfalls der kantonalen Beherbergungstaxen erleiden. Nun hoffen wir, dass uns auch die Stadt Luzern zusätzlich unterstützt, um unseren professionellen Gästeservice sicherzustellen und ein dringliches «Recovery-Programm» für unsere Tourismuspartner umzusetzen. Wir haben hierzu ein Gesuch über 440’000 Franken bei der Stadt eingereicht. Diese Gelder von Stadt und Kanton sind für uns unerlässlich, um überhaupt eine zusätzliche Marketingkampagne durchführen zu können. Denn auch unsere Partner wie Hotels und Bergbahnen sind zurzeit nicht in der Lage, viel Geld ins Marketing zu investierenDie kantonsrätliche Kommission Wirtschaft und Abgaben (WAK) fordert vom Kanton weitere Hilfe für den Tourismus – allerdings mit Fokus auf die ländliche Regionen. Ärgert Sie das?Wichtig ist, dass die stark betroffene Tourismusbranche unterstützt wird. Es freut mich, dass das politische Lobbying der ländlichen Regionen offenbar gut gefruchtet hat. Deren Vertreter sind ja im Kantonsrat auch in der Mehrheit. Dabei ist aber zu beachten, dass die Stadt Luzern von der Tourismuskrise weit stärker betroffen ist als der übrige Kanton. Gleichzeitig ist es gefährlich, in zu kleinen Räumen zu denken. Den Gast interessiert nicht so sehr, ob er in den städtischen oder ländlichen Kanton Luzern reist. Wichtig ist ein attraktives Angebot und dass jetzt alle am selben Strick ziehen und die Destination Luzern-Vierwaldstättersee als Ganzes vermarkten. Dazu gehört die Stadt genauso wie die weitere Region.Schweizer Touristen sind sich günstige Preise im Ausland gewohnt. Wie weit soll man ihnen entgegen kommen?Grosse Preisermässigungen sind nicht zu empfehlen und wirtschaftlich kaum tragbar. Zeitlich begrenzte Spezialangebote liegen im Ermessen der touristischen Leistungspartner. Zudem gab es in Luzern schon immer auch günstige Übernachtungsmöglichkeiten. Auch Airbnb und Ferienwohnungen werden im Sommer bestimmt gut genutzt. Ein grosses Thema wird wohl auch die Hygiene und Sicherheit sein. Wer hier überzeugende Lösungen anbieten kann, hat gute Karten.Die Nachbarländer wollen die Grenzen wieder öffnen. Hoffen Sie auch auf Gäste aus dem nahen Ausland?Das ist tatsächlich eine erfreuliche Nachricht. Wir waren ursprünglich davon ausgegangen, dass wir frühestens im Herbst wieder mit ausländischen Touristen rechnen können. Jetzt müssen wir flexibel reagieren und lancieren schon bald einzelne Marketingaktivitäten in Deutschland, unserem wichtigsten europäischen Markt. Für Marketingaktivitäten in Frankreich und Österreich hingegen haben wir im Moment keine finanziellen Ressourcen.Wann werden Sie wieder in China werben?Zurzeit sind sämtliche Aktivitäten in China sistiert. Da werden wir frühestens im Herbst wieder aktiv werden. Die Frage ist aber nicht nur, wann die Flugkapazitäten wieder hochgefahren werden, sondern auch, ob sich die Chinesen angesichts der Wirtschaftskrise eine Schweizreise noch leisten können.Bis wann werden wir wieder gleich viele Touristen in Luzern sehen wie vor der Krise?Das wird sicher bis 2023 dauern.Es gibt Leute, die froh wären, wenn der Gruppentourismus gar nicht mehr zurück kehren würde. Ist denkbar, dass der Tourismus jetzt ganz neu ausgerichtet wird?Ich muss immer wieder betonen: Der Tourismus ist weit weniger steuerbar als viele glauben. Luzern hat sich über Jahrzehnte als starke Tourismusmarke aufgebaut. Das wird nicht einfach verschwinden und soll es auch nicht. Die Stadt wird auch in Zukunft eine international begehrte Tourismusdestination bleiben – selbst wenn wir sämtliche Marketingaktivitäten einstellen würden. Ich bin überzeugt, dass die Krise zu einer Stimmungsänderung geführt hat: Vielen Luzernerinnen und Luzernern wird jetzt erst richtig bewusst, wie systemrelevant der Tourismus ist. Von ihm profitieren nicht nur einige Uhrengeschäfte und Hotels, sondern beispielsweise auch lokale Handwerker, das Kleingewerbe und viele weitere Unternehmen. Apropos systemrelevant: Wie schlimm steht es um die Tourismusbranche – drohen auch in Luzern Konkurse?Gemäss Umfragen rechnen schweizweit bis zu einem Viertel der Betriebe mit einem Konkurs. Ich denke aber, dass Luzern besser aufgestellt ist. Viele Transport- und Gastrobetriebe waren in den letzten Jahren sehr erfolgreich unterwegs und konnten entsprechend Reserven aufbauen. Gemäss meinem jetzigen Kenntnisstand ist keiner der grossen Tourismusbetriebe in seiner Existenz bedroht.
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