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Obwalden

Wenn Schillers «Räuber» junge Damen sind

Das Engelberger Kollegitheater führt Schillers «Räuber» auf. Erstaunlich: Auf der Bühne agieren nur zwei Schüler und gleich zehn Schülerinnen.
Schillers «Räuber» sind in Engelberg für einmal vorwiegend weiblich.  (Bild: Romano Cuonz (Engelberg 6. Februar 2022))
Vreni Läucli (links) verkörpert den Schurken Franz variantenreich. Kevin Ehrler spielt glaubhaft dessen Gegenpart, den edlen Grafen Karl.  (Bild: Romano Cuonz (Engelberg 6. Februar 2022))
Die Räuberinnen sorgen im Kollegitheater für turbulente Szenen.  (Bild: Romano Cuonz (Engelberg 6. Februar 2022))

Romano Cuonz

Romano Cuonz

Romano Cuonz

«Die Räuber» sind ein schier unverwüstliches Theaterstück – gerade der hitzigen Unbedenklichkeit des jungen Autors wegen. Nun ja: Friedrich Schiller war eben 20-jährig, als er diesen, seinen Erstling schrieb. Nicht viel älter als einige der 12 jungen Mitglieder der Engelberger Kollegi-Theatergruppe. Wohl auch deshalb konnten sich diese sehr schnell für den Bühnenklassiker entscheiden. In monatelanger Arbeit studierten zehn Schülerinnen und zwei Schüler das Drama ein. Corona zum Trotz! Eine ganze Truppe weiterer Helferinnen und Helfer sorgten und sorgen hinter und neben der Bühne für Kostüme, Lichttechnik, Plakate, Bühnenbau, Bar, Garderobe und Vorverkauf. Regie führt, einmal mehr sehr mit Gespür für junge Leute und ihre Anliegen und Möglichkeiten, die bekannte Theaterpädagogin Franziska Bachmann Pfister.

«Die Räuber» – in einer Bearbeitung von Marcus Braun – werden vom Schillerschen Pathos weitgehend befreit. Und so sind sie für junge Leute heute aktueller denn je. Zurzeit büssen auch sie – obschon nicht unter dem Druck tyrannischer Fürsten, so doch wegen einer nicht weniger bösartigen Pandemie – viele Freiheiten ein. Da können sie schon verstehen, warum der junge, an eine Militärakademie verbannte und zum Theologiestudium gezwungener Schiller, damals «Die Räuber» erfand. Sie gegen schrankenlose Willkür und Eingriffe absolutistischer Fürsten aufständisch werden liess. Für eine Gemeinschaft freier Menschen sollten sie kämpfen.

Das Stück, das 1782 uraufgeführt wurde, verbindet mannigfaltige Variationen des «Sturm-und-Drang-Themas» mit einem glühenden Appell für die Freiheit. Die Grafensöhne Franz und Karl Moor liegen als Gegenspieler im Kampf miteinander. Franz (von Vreni Läuchli in der Männerrolle unglaublich reif und variantenreich dargestellt) verkörpert das Böse. Das Schurkische gar. Karl, der edle Räuberhauptmann (Kevin Ehrler zeichnet im Spiel dessen Gegenpart ideal und glaubhaft), kämpft mit eigener Moral gegen Tyrannei und Absolutismus. Doch die beiden Kontrahenten haben ihrerseits einen grösseren, unsichtbaren Gegenspieler, dem sie nicht gewachsen sind: Gott! Im dialektischen Zwiegespräch von Franz und Pastor Moser (von Victoria Schenker selbstbewusst dargestellt) drückt der Jüngling Schiller eine in späteren Stücken oft wiederholte Überzeugung aus. Nämlich: selbst Gott bedarf seiner tyrannischen Widersacher oder moralisch nicht immer über alle Zweifel erhabenen Heldinnen und Helden, um schliesslich gross und herrlich dazustehen.

Auf der Bühne liegen jede Menge Tote

Das Publikum braucht jedoch nicht zu befürchten, dass es im Kollegium Engelberg ein von philosophischen, religiösen oder politischen Motiven durchtränktes Schauspiel zu sehen bekommt. Eines, mit dem junge Spielerinnen und Spieler ohnehin überfordert wären. Die kleine, aber feine Truppe zeigt vor allem grosse Lust, endlich wieder Theater spielen zu dürfen. Und genau diese Lust bringt sie in die Nähe von «Sturm und Drang». Franz darf lustvoll mit dem Bösen experimentieren, ohne dabei gleich auch auf aktuelle Themen anzuspielen. Ebenso Räuber Karl, der mordend und raubend staatliche Gesetze bricht und es gerne der Zuschauerschaft überlässt, über Moral oder Unmoral seines Tuns zu befinden. Die Regisseurin jedenfalls hält fest: «Die Freude an Spiel und Witz sei erlaubt – und möge das Publikum gut unterhalten!»

Grosse Freude hat man an der jungen, durch und durch weiblichen Räuberbande. Da hantieren sechs «Girls» in «Hosenrollen» mit Gewehren und Pistolen lustvoll mordend: Victoria Schenker, Jasmin Lütolf, Romina Zeugin, Amélie Barman, Stefanie Rani Heyder-Behr und Vivienne Eugster. Ob sie da wohl für volle Gleichberechtigung fighten, wie sie leider noch immer nur im Theater existiert? Jedenfalls wirkt ihr Auftritt frisch und amüsant. Aber auch Schillers eher dramatischen Figuren hobelt die Kollegibühne augenzwinkernd einiges von ihrem ursprünglichen Pathos ab. Kevin Ehrler mimt den zu Tränen rührenden Grafen von Moor. Jessica Eugster die vor Liebeskummer tränenreiche Amalia und Rafaela Fernandes die zwischen Moral und Unmoral hin- und hergerissene Hermine. Und dann ist da noch Noeh Balmer, die mit viel Witz mal eine gebeutelte und doch listige Hausknechtin des Grafen und mal einen dubiosen Pater spielt.

Dass, bei so viel Banditentum und noch mehr höfischen und andern Intrigen, am Schluss auf der Bühne jede Menge Tote liegen, ist tatsächlich dem aufmüpfigen, jungen Friedrich Schiller geschuldet. Der sah seine Aufgabe als Dichter in etwas, das ein junges, vorwiegend weibliches Schülerensemble durchaus nachzuvollziehen im Stand ist: «Die Liebe herstellen, und niederreissen, was der Liebe in der Welt entgegensteht.»

Hinweis: Die Aufführungen im Kollegitheater Engelberg finden statt am Freitag, 11. und Samstag, 12. Februar, jeweils um 20 Uhr sowie am Sonntag, 13. Februar, um 17 Uhr. Reservation online: www.stiftschule-engelberg.ch oder telefonisch unter 041 639 61 00.

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