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Luzern

Wenn dieses Nidwaldner Paar vorfährt, verneigt sich sogar der Verkehrsdienst

Pia Murer und Stefan Schmid fallen auf, wenn sie unterwegs sind. Die Frau hat schon als 16-Jährige auf sich aufmerksam gemacht.
(Bild: Manuela Jans-Koch (Oberdorf, 21. August 2020) )

Roger Rüegger

Pia Murer und Stefan Schmid aus Oberdorf NW sind «Entenliebhaber». Sie besitzen sechs Citroën 2CV. Die französischen Autos sind für den Lehrer (61) und die gelernte Kinderkrankenschwester (63), die an der Heilpädagogischen Schule als Assistentin tätig ist, eine Herzensangelegenheit.

Sie zu finden ist leicht. Auf Google Maps sind Döschwo vor dem Haus erkennbar. Sind die Autos fahrbereit?Stefan Schmid: Alle vier. Zwei weitere stehen in der Scheune.Pia Murer: Den einen kauften wir 1987. Es war einer der letzten importierten und praktisch neu.Wie neu ist neu?Schmid: Nur rund 1000 Kilometer. Er ist eingelagert, aufgebockt und quasi konserviert.Murer: Wenn man die Tür öffnet, duftet es nach Neuwagen.Kommt der auf die Strasse?Murer: Das wissen wir nicht.Schmid: Es hat noch Zeit. So jung wie wir sind, müssen wir nicht zu weit nach vorne schauen.Autos aus den 80ern sind rostanfällig. Wie intensiv müssen die gepflegt werden?Schmid: Dauernd. Zumal die ja alle zwei Jahre geprüft werden müssen. Ich habe den Eindruck, ich sei ständig auf der MFK.Murer: Ein Freund hat seine Lehre auf Citroën gemacht. Er ist unser Privatmechaniker.Legt ihr selber Hand an?Murer: Den Zündverteiler ersetzen oder ein Rad wechseln kann ich. Und wie man abschleppt, weiss ich inzwischen auch.Schmid: Wenn ich mir Zeit nehmen würde, könnte ich ziemlich alles reparieren. Aber eben, wir haben einen guten Freund, der uns hilft. Das ist einfacher.Warum schlagen eure Herzen für den Döschwo, der weder eine anständige Heizung noch eine Klimaanlage hat? Von Leistung und Komfort ganz zu schweigen.Schmid: Eben weil man selber schrauben kann. Bei einer Panne helfen wir uns in der Regel selber. Ersatzteile haben wir dabei, wenn wir verreisen. Zudem ist das Fahren ein Genuss.Murer: Wenn wir es bequem haben wollen, bleiben wir daheim.Und falls nicht, wohin geht’s?Murer: Wir waren fast überall in Europa. Jedes zweite Jahr fahren wir ans Döschwo-Welttreffen. Zuletzt in Kroatien, das nächste findet 2021 in Delémont statt.Fährt ihr immer Döschwo?Murer: Zur Arbeit fahre ich immer mit dem Velo.Schmid: Und ich finde immer eine Ausrede, damit ich das Auto nehmen kann. Ja, ich fahre ausschliesslich den roten Döschwo.Zwischen den Citroën vor dem Haus steht ein fast moderner Peugeot. Warum?Murer: Beachten Sie den lieber nicht. Ich gebe es zu, das ist mein Winterfahrzeug. Meinen pinkfarbenen Döschwo schone ich seit zwei Jahren vor dem Streusalz. Ich schäme mich etwas, weil ich den Peugeot fahre.Die Liebe zu Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren ist für Lehrer ungewöhnlich. Bedienen wir das Klischee: das ist doch Teufelszeug?Schmid: Wir wurden deswegen in manche Schublade gesteckt, als Hippies und Grüne bezeichnet. Erstaunlich, mit welcher Fantasie Leute ausgestattet sind.Murer: Grün ist der Döschwo von der Verbrennungseffizienz her nicht. Da wir die Autos viele Jahre fahren, sind sie umweltfreundlich. Bei der Co2-Bilanz spielt auch die Herstellung eines Gerätes eine Rolle.Apropos. Den pinkfarbenen gab es so nicht ab Werk?Murer: Nein, der war hässlich blau. Ich wollte ihn pink mit schwarzen Kotflügeln.Schmid: Den lackierten wir nicht selber, obwohl wir auch improvisieren. Bereits mehreren Fahrzeugen haben wir mit dem Farbroller einen Anstrich verpasst.Sehr rustikal. Der pinkfarbene ist hübsch – aber auffällig. Alle Welt weiss, wo Schmid oder Murer sind.Schmid: Das ist okay. Im Döschwo findet man sowieso Beachtung. Wenn wir mit dem Ferienauto mit Anhänger, den ich aus einem Döschwo baute, unterwegs sind, gibt’s kein Hupkonzert oder Stress, weil wir gemütlich fahren. Im Gegenteil, wer überholt, winkt uns zu. Keiner zeigt dem Döschwo den Vogel.Murer: Wir bereiten vielen Leuten Freude. Das schönste Erlebnis war, als ich vor einer Baustelle halten musste. Der Verkehrsdienst verneigte sich vor mir. Das passiert nicht vielen.Verneigen tun eher Sie sich, wenn Sie als Laienschauspielerin auf der Bühne stehen. Sind Sie sehr engagiert?Murer: Sehr. Theater interessiert mich. Als ich nach Oberdorf zog, spielte ich beim Theaterverein Volksschauspieltheater. Es folgte das Theater in Stans, wo man Castings durchlaufen muss. Dann kamen mit der Zeit Produktionen in Luzern, Giswil und anderen Orten hinzu. Ich bin gut vernetzt und kenne viele Leute.Derzeit spielen Sie im Südpol. Welches Stück?Murer: Es heisst «They Shoot Horses, Don’t They» und handelt von einem Tanzmarathon, einem Wettbewerb, bei dem nur ein Paar gewinnen kann. Wir proben jeden Tag für sechs Vorstellung innerhalb acht Tagen. Premiere ist Mitte September.Ein enormer Aufwand. Wollten Sie nie beruflich Theater spielen?Murer: Wenn mich jemand für Auftritte bezahlen will, sofort. Nein, mir gefällt es so. Weil ich nicht Berufsschauspielerin bin, kann ich Nein sagen. Ich bin nicht auf eine Gage angewiesen.Mit einem Auftritt schrieben Sie Geschichte: Als Sie bei der ersten Nidwaldner Landsgemeinde nach Einführung des Frauenstimmrechts eine Rede hielten.Murer: Das war 1973. Ich hätte mit 16 Jahren richtigerweise nicht einmal in den Landsgemeindering treten dürfen und brauchte dafür eine Bewilligung des Regierungsrates.Wie kam es dazu?Murer: Der Beckenrieder Walter Käslin, der Gemeinderat, Lehrer, Kirchenrat und Mundartdichter war, hatte die Rede geschrieben. Weil er mich kannte und wusste, dass ich gerne vorlese – und weil ich so schön nidwaldnere – fragte er mich an. Offenbar bewies ich damals schon ein gewisses Talent.Bemerkenswert. So wie die Geschichte Ihres Hauses, dem Wydächerli. Nicht?Murer: Es ist eines der einzigen Häuser, das beim Franzoseneinfall 1798 nicht niedergebrannt wurde. Als wir es 1987 übernahmen, war es eine Lotterhütte. Niemand wusste, wie alt es ist. Man schätzte es auf 100 Jahre.Schmid: Erst als wir renovierten, entdeckte der Zimmermann am Dachfenster beim zweiten Balken die Jahreszahl von 1740.
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