Simon Mathis
Eine skurrile Meldung liess mich vor einiger Zeit aufhorchen: Das französische Parlament verabschiedete ein Gesetz, das es erlaubt, spezifische Gerüche und Geräusche als «sensorisches Kulturerbe» zu schützen. Nun können französische Gemeinden eigenständig ein Inventar anlegen; es definiert, welche Sinneseindrücke erhaltenswert sind – zum Beispiel das Krähen eines Hahnes oder das Läuten der Kirchenglocken. So berichtete zum Beispiel CNN. Das Anliegen fand breite Unterstützung von rechts bis links. Kein Wunder, ist die Idee doch konservativ und progressiv zugleich. Sie will Traditionen bewahren und weitet den Kulturbegriff auf ungewohnte Bereiche aus.
Das Gesetz hat vor allem die Situation auf dem Lande im Blick. Offenbar hat Frankreich vermehrt ein Problem mit zugezogenen Städtern, die sich über die starke Geräusch- und Geruchskulisse beklagen. Für solche Streitigkeiten will das Parlament die Dörfer besser wappnen.
Auch im Kanton Luzern ist die Sensorik längst zum Politikum geworden. Man denke an den Schweinestall der Familie Hofer in Meggen oder die immer mal wieder aufflackernde Diskussionen ums Kirchengeläut. Jüngst hat das Stadtluzerner Parlament ein Postulat versenkt, das «Clubzonen» definieren wollte, wo es auch mal etwas lauter hätte zu und her gehen dürfen.
Die Thematik betrifft also durchaus ebenso die Stadt. Auch hier sind die Sinneseindrücke intensiv und vielfältig. Welche von ihnen sind schützenswert? Die Guuggen an der Fasnacht? Der Geruch von Marroni? Das Hornen der Dampfschiffe? Das Knallen und Flimmern der Feuerwerke am 1. August? Das «Chlöpfen» der Geisseln und Bimmeln der Trycheln im Dezember?
Klar: Wir haben im Moment dringendere Probleme. Dennoch ist es interessant, darüber nachzudenken, welchen Eindrücken wir einen besonderen Wert zusprechen – und welche wir vermissen würden, wären sie plötzlich verschwunden.