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Obwalden

Was für ein Schlitten – bei Rohrers hobelt die ganze Familie

Stefan Rohrer (40) aus Lungern wollte für sich und seine vierjährige Tochter Emma einen Holzschlitten bauen. Das Modell überzeugte seinen Chef derart, dass der Maschinentechniker den «Hobel» in einer Kleinserie herstellen liess.
Stefan Rohrer und Tochter Emma auf ihrem «Hobel». (Bild: Patrick Hürlimann (Stans, 12. Februar 2021))
Geplant war ein Schlitten, inzwischen wurde eine Kleinserie produziert.  (Bild: Patrick Hürlimann (Stans, 12. Februar 2021))

Roger Rüegger

Roger Rüegger

Ein alter Mann bezeichnete meine noch ältere Harley als «e feine Hobel». Dieses Kompliment gebe ich an Ihren Schlitten weiter. Warum heisst der «Hobel»?Alles, worauf man sitzen und fahren kann, nenne ich so. Meinen Holzschlitten, der einem Hobel tatsächlich ähnelt und auch mein Motorrad.Von einem Holzschlitten hat man gewisse Vorstellungen, wie der auszusehen hat. Ist der «Davoser» für Sie zu gewöhnlich?Bestimmt nicht. Der ist ein einwandfreies Gerät, von dem ich immer noch begeistert bin. Ich aber hätte ihn gerne in einer etwas anderen Form, weshalb ich mich selber an die Arbeit machte.Was stört Sie an der Form?Die Funktionalität ist für uns nicht gegeben. Ziel ist, dass ich beim Fahren meine Tochter Emma zwischen die Beine nehmen kann, wo sie sicher sitzt. Der Davoser hat an der Front keine Sitzfläche, weshalb die ideale Sitzposition nicht möglich ist.Dann baut man eben kurzerhand einen Schlitten, der für sich und die Tochter massgeschneidert ist. Für einen Maschinentechniker nichts leichter als das.Genauso ist es. Mein «Hobel» ist etwas höher als andere Modelle und er besteht praktisch aus einem Stück. Der «Hobel» ist ein Frästeil, dessen Design ich mit einem Konstruktionsprogramm entwickelte.Das Resultat könnte auch als Designermöbel durchgehen. Woran orientierten Sie sich bei der Formgebung?Primär schon am Davoser-Schlitten. Bei der Herstellung hatte ich mich aber tatsächlich auch an ein Möbel angelehnt, das ich bei meiner Ausbildung zum Industriedesigner hergestellt hatte. Wir bogen damals verleimte Holzbretter mit einer selbstgemachten Presse zu einem Stuhl. Diese Technik übernahm ich auch bei meinem Schlitten.Das Holz haben Sie selber gebogen?Dafür hätte ich zuerst eine Vakuumpresse bauen müssen, das war mir dann aber doch zu umständlich. Nein, das Holz presste und formte ein Schreiner. Ich erstellte sämtliche technischen Zeichnungen und übernahm später auch die Nachbearbeitung zusammen mit meinem Vater. Wir sägten die Aussparungen aus und schliffen die Kanten. Dann folgten die Tests.Wie waren die Resultate?Eines ergab das andere. Zuerst schichteten wir 25 Holzlagen übereinander, wie damals in der Ausbildung. Der Schlitten wurde dadurch wuchtig und schwer, weshalb er im Schnee nicht sehr wendig war. Die aktuellen Modelle bestehen nur noch aus acht Holzlagen. Insgesamt bauten wir rund 30 Modelle, bis wir beim Produkt angelangt waren, das wir jetzt auf den Markt bringen.Welche Überlegungen spielten noch eine Rolle?Die Funktionalität beschränkt sich nicht nur auf das Fahren, sondern auch auf das Handling auf dem Weg zur Piste. Als ich einen Familienvater sah, der sich nach dem Schlittelplausch mit drei Schlitten seiner Kinder abmühte, suchte ich eine Möglichkeit, den «Hobel» wie einen Rucksack zu schultern. Es funktioniert.Das ist nicht ganz uneigennützig. Wie sehr hat sich Emma einbringen können?Sie gab mir Ideen für die Sitzposition. Entscheidend war auch, wo und in welchem Umfang die Aussparungen für die Beine sind und wo sie sich festhalten kann. Und natürlich hatte sie ein gewichtiges Wort bei der Erscheinung. Es ist zwingend, dass wir einen pinkfarbenen Schlitten fahren.Auf der Website werben Sie mit Eiche oder Nussbaum. Sie werden den Holzschlitten doch nicht etwa lackieren?Nein, das nicht. Das Deckblatt können wir nach Belieben gestalten. Da sind keine Grenzen gesetzt. Man kann jede Farbe, ein Foto oder ein Logo grossflächig zeigen, wenn das gewünscht wird. Es ist dasselbe System wie bei Laminatböden. Das ist auch interessant für Werbung.Werbung? Wen interessiert eine Werbefläche auf einem privaten Schlitten?Imholz Sport in Andermatt hat 12 «Hobel» von uns erworben und bietet diese als Mietschlitten an. Der Name des Geschäfts ist auf dem Schlitten gut sichtbar. Wer mit einem «Hobel» unterwegs ist, findet Beachtung und somit auch der Werbeschriftzug.Wie fühlt es sich für Sie an, wenn jemand mit einem Rohrer-Hobel an Ihnen vorbeifährt?(Rohrer lacht) Sehr gut, sehr speziell. Noch schöner wäre es, wenn unbekannte Personen an mir vorbei hobeln und es von irgendwo her tönt: «Wow, was für ein Schlitten.»Man sieht Ihnen ja nicht an, dass Sie der Konstrukteur sind. Ursprünglich wollten Sie nur einen Schlitten für Emma bauen. Inzwischen haben Sie 80 Stück herstellen lassen. Weshalb der Gesinnungswandel?Die Skizzen für den Prototyp liess ich im Geschäft, der Aceon in Stans, auf meinem Tisch liegen. Unsere Firma entwickelt im Auftrag internationaler Industrieunternehmungen unter anderem seriennahe Prototypen. Mein Chef entdeckte die Zeichnungen und fand, dass der Schlitten eine geniale Idee sei. Er ermunterte mich, das Projekt weiter zu verfolgen. Inzwischen wurde eine kleine Serie gefertigt.Das war nicht Ihre Vorstellung?Nein, zuerst wollte ich nicht. Die Idee war wirklich, dass ich nur für mich und meine Tochter einen baue. Aber ich musste eingestehen, dass es keine schlechte Idee ist, den Schlitten auf den Markt zu bringen, zumal ich finde, dass der «Hobel» ein wirklich schönes Produkt ist. Bereits sind 30 Stück verkauft.Allerdings auch mit einem stolzen Preis. Wer bezahlt 450 Franken für einen Schlitten?Der «Hobel» ist zu 100 Prozent ein Schweizer Produkt. Ja, der hat seinen Preis, dafür ist die Qualität hochstehend.Welches Publikum sprechen Sie an?Es ist ein Familienschlitten, der leicht zu manövrieren ist und sehr gut gleitet. Mit dem «Hobel» kann man zwar unanständig hohe Geschwindigkeiten erreichen, aber er ist ganz klar kein Sportgerät.Wie oft fahren Sie selber?Da wir den perfekten Winter haben, bin ich praktisch jedes Wochenende auf dem Schlitten. Manchmal hobelt die ganze Familie.
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