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Luzern

Wie ein Feuerwehrmann zum meistgesuchten Brandstifter wurde

Das Kriminalgericht hatte diese Woche über die Zukunft eines Mannes zu entscheiden, der aus einem höchst ungewöhnlichen Grund zum Schwerverbrecher wurde: Weil er es partout allen recht machen will.
Ursprünglich hat der Mann angefangen Feuer zu legen, um mehr mit seinen Feuerwehrkollegen zusammen zu sein. Insgesamt gehen 27 Brände auf sein Konto. (Symbolbild: Salvatore Di Nolfi/Keystone)

Lena Berger

Es ist, als würde man Meister Eder vor Gericht stellen. Der ältere Herr, der auf dem Befragungsstuhl sitzt, sieht nicht nur aus, wie Pumuckls Schreinermeister, er wirkt auch genauso gutmütig. Es mutet geradezu absurd an, dass der Verhandlungssaal von zwei Polizisten bewacht wird und die Besucher aus Sicherheitsgründen sämtliches Gepäck abgeben mussten. Welche Gefahr sollte von diesem «gmögigen» Grossvater schon ausgehen?!

Der harmlose Eindruck allerdings täuscht. Der Mann ist für die Luzerner Justiz keineswegs ein Unbekannter. In den Jahren 1988 bis 1992 hat er als Mitglied der städtischen Feuerwehr elf Brände gelegt. Weitere 17 Häuser fackelte er zwischen 2002 und 2006 ab. Zudem gehen 310 Einbruchdiebstähle auf sein Konto.

Heute steht er vor Gericht, weil der Vollzugs- und Bewährungsdienst ihn nicht auf freien Fuss lassen will. Wegen seiner zweiten Verbrechensserie war er 2013 zu einer Freiheitsstrafe von 9,5 Jahren verurteilt worden. Weil er diese bereits vorher angetreten ist, wäre er eigentlich bereits ein freier Mann. Wäre. Wenn er nicht dieses spezielle Problem hätte.

Ein Mann ohne Eigenschaften

Wie die Titelfigur «Ulrich» in Robert Musils Roman ist er ein «Mann ohne Eigenschaften» – weil er jede beliebige annehmen könnte. Gemäss Gutachten leidet er an einer dependenten Persönlichkeitsstörung. Betroffene haben die Neigung, sich engen Bezugspersonen extrem unterzuordnen und alles dafür zu tun, geliebt zu werden. Für ihre Geliebten sind diese sonst eher passiven Personen zu allem bereit – im vorliegenden Fall sogar, Verbrechen zu begehen.

Dieses Motiv zieht sich wie ein roter Faden durch das Leben dieses Mannes. Die erste Brandserie begann, weil der Verurteilte unbedingt wollte, dass seine Feuerwehrkollegen ihn mögen. Er wollte mehr Zeit mit ihnen verbringen – und erreichte dies, in dem er Brände legte.

Auch zur zweiten Serie kam es, weil der Mann das zwanghafte Bedürfnis hat, es allen recht zu machen: Er legte die 17 Brände für die Familie seiner Frau, deren Mitglieder sich mit «warmen Sanierungen» ihren Lebensunterhalt finanzierten. Obwohl die Polizei eine Sonderkommission einrichtete, um den Brandstifter zu fassen, kamen ihm die Ermittler jahrelang nicht auf die Schliche. So etwas habe sie in ihrer langjährigen Karriere noch kaum je erlebt, sagte die Staatsanwältin:

«Es handelte sich um Brandstiftungen in einem fast noch nie da gewesenen Umfang.»

Der Mann tat es, weil er richtig zu der Familie seiner Frau dazu gehören wollte. Das Gericht hatte deshalb 2013 entschieden, den Vollzug der Gefängnisstrafe aufzuschieben und ihn in eine stationäre Therapie zu schicken. Diese sollte ihn befähigen, sich künftig nicht mehr zu Straftaten verleiten zu lassen.

Wie es von einem Menschen mit einer dependenten Persönlichkeitsstörung zu erwarten ist, bemühte sich der Mann in den Folgejahren sehr, seine Therapeutin zufriedenzustellen. Vor Gericht versicherte er:

«Ich traue mich nicht mal mehr daran zu denken, ein Feuerzeug in die Hand zu nehmen.»

Der Vollzugs- und Bewährungsdienst sowie die Staatsanwaltschaft sind aber nicht davon überzeugt, dass der Mann heute gesund ist. Er benimmt sich im offenen Vollzug zwar vorbildlich. Sein Beziehungsbedürfnis ist aber noch immer sehr ausgeprägt. Gemäss Gutachten besteht das Risiko, dass er wieder für kriminelle Machenschaften missbraucht wird: Obwohl er erst kürzlich eine neue Frau kennen gelernt hat, spricht er schon von Heirat – ein Alarmzeichen für die Gutachter, die wegen deren unklaren Aufenthaltsstatus an den guten Absichten zweifeln.

Das Kriminalgericht hat entschieden, dass die Massnahme um zwei Jahre verlängert wird. Der Mann wird weiter in einer betreuten WG leben und von seiner Therapeutin auf eine neue Beziehung und ein Leben in Freiheit vorbereitet.

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