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Zug

Wandel, Megatrends, Inklusion – ein Abend mit dem Theater Hora

Die Zukunft ist zurzeit das Thema eines neuen, hauseigenen Kulturprogramms der Zuger Chollerhalle. Als dritte der den «Megatrends» gewidmeten Veranstaltungen war das Theater mit geistig Behinderten mit einer Werkschau zu Gast.
Die Schauspieler haben ihre Figuren selbst erfunden. (Bild: Jakob Ineichen (Zug, 13. März 2022))
In drei Wochen haben die Darstellenden das Stück erarbeitet. (Bild: Jakob Ineichen (Zug, 13. März 2022))

Dorotea Bitterli

Dorotea Bitterli

Immer öfters begegnet man momentan dem Begriff «Megatrends», und auch das junge Team der Chollerhalle Zug hat sich des Themas angenommen – mit ihrer Kulturreihe «mittendrin». «Megatrends sind ein komplexes, mehrschichtiges Feld, in dessen Mittelpunkt der globale Wandel steht», erklärt Laura Hürlimann, die verantwortliche Projektleiterin.

Zur Information verweist sie auf die deutsche Website www.zukunftsinstitut.de, deren Team aus etwa 40 Trendforschern, Sprach-, Kultur-, Sozial-, Psychologie- und Politikwissenschaftlerinnen, IT-Ökonomen und Designspezialistinnen den Begriff Megatrends als «die Lawinen in Zeitlupe» umschreibt: Megatrends sind langsam vorwärtsschreitende, aber mächtige, zukunftsformende Entwicklungen, die global und hochkomplex alle Lebensbereiche auf institutioneller, unternehmerischer und individueller Ebene beeinflussen. Zwölf Megatrends haben die Forscher ausgemacht, so zum Beispiel Neo-Ökologie, New Work, Urbanisierung, Gender Shift oder Mobilität.

Beginn im letzten Jahr

Was sich in der Theorie schwierig und kompliziert anhört, möchte die Chollerhalle mittels künstlerischer Darbietungen aus verschiedenen Sparten (Musik, Tanz, Film, Theater) dem Publikum nahebringen – sinnlich und spielerisch. Sie möchte dazu einladen, in Auseinandersetzung mit den künstlerischen Aussagen «mittendrin» zu sein und sich interaktiv einzubringen. Die Serie begann im Herbst 2021 mit einer Reihe von Kurzfilmen, die gleich mehrere Megatrends ins Visier nahmen. An der zweiten Veranstaltung vom 21. Januar 2022 thematisierte Famm, eine Gruppe aus vier Luzerner Sängerinnen, den Wandel im Verhältnis zwischen den Geschlechtern.

Am vergangenen Freitag nun ging es um «Inklusion». Mittlerweile beschäftigen sich alle schweizerischen Kulturunternehmen – vom Bund beauftragt – mit der Frage, wie Menschen ungeachtet ihrer Herkunft oder Hautfarbe, mit oder ohne Behinderung an Kultur- und Kunstereignissen teilhaftig werden können. Und so stand der dritte «mittendrin»-Abend im Zeichen des Theater Hora.

Ausgewiesene geistige Behinderung

Fantasie – dieses Wort blitzte einem durch den Kopf, sobald man die dunkle Chollerhalle betrat. Auf drei niedrigen Podesten waren allerhand bunte Gegenstände drapiert oder aufgehängt – ein schwarzes Sofa, zwei aufgeblasene Riesenvögel, Pyramiden aus farbigen Plastikbechern, barocke Sessel, Laternchen, eine schillernde Discokugel. Ebenso bunt ging es im Stück her, das nun folgte und in dem fünf Akteure während rund 70 Minuten über die Bühne tollten, rollten, sprachen, sangen, tanzten, jauchzten.

Die Hora-Schauspielenden sind Menschen mit einer «IV-zertifizierten geistigen Behinderung», aber auch Profis mit täglichem Training, wechselnden Engagements und – vor allem seit ihrer Produktion «Disabled Theater» mit dem französischen Choreografen Jérôme Bel im Jahre 2012 – einem inzwischen internationalen Renommee. Unter der Leitung der deutschen Schauspielerin Florentine Krafft hatten sie in einem dreiwöchigen Labor spielerisch ein Stück erarbeitet, das sie nun in einer Werkschau der Öffentlichkeit präsentierten.

Pandemiebedingten Ausfällen getrotzt

«Die Hora-Leute haben ihre Figuren selbst erfunden, mit einer ungeheuren Fantasie, die uns abgeht», berichtet Krafft begeistert. «Sie hatten ein Thema, Kreuzfahrtschiff, und damit haben sie Geschichten entwickelt, kleine Szenen, die ich eigentlich nur noch zusammenfügen und rahmen musste.» Anfangs dreizehn, waren sie am Ende, vor allem coronabedingt, noch fünf, aber einzelne der Abwesenden spielten auf den drei über die Bühne verteilten Screens in Videoeinspielungen (Johannes Senn) mit.

Der Schiffskellner Ruffy (Simon Stuber) fungierte als selbstbewusster Moderator und Quizmaster, der mit dem Ladenbesitzer Tom (Julia Häusermann) sich mal stritt, mal verbrüderte. Max Moritz als Elektriker (Noah Badir) schraubte und knarrte sensationell an seiner eigenen Puppenkörpermotorik herum, während der Bademeister Moritz (Andy Böni) im Hawaiihemd fantastische Storys zum Besten gab. Und irgendwann kam gross und stockbewehrt eine bärtige Gestalt daher, die an russische Oligarchen gemahnte und sich auch so verhielt, Pablo Mattheo Paranovsky (Remo Beuggert).

Was am Spiel der Hora-Theaterleute ins Auge fiel, waren drei Dinge: Wie gern sie ­Geschichten erzählen, wie authentisch eins zu eins ihre Emotionalität auf das Publikum überschwappt und wie körperbetont präsent sie sind. Gute Schauspieler eben. Im anschliessenden Publikumsgespräch war denn auch der Tenor zustimmend, neugierig, begeistert, engagiert – das Ensemble hatte die Zuschauenden für sich eingenommen.

Die vierte Veranstaltung von «mittendrin» findet am 9. September statt und bringt King Lori #Instagration auf die Bühne. Infos gibt es hier.

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