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Luzern

Wärmeverbunde sind in der Region Luzern auf dem Vormarsch

Fernwärme, Wärme aus Grund- oder Seewasser: In Sachen Heizen und Kühlen wird derzeit ökologisch aufgerüstet. Ein Überblick über die vier grössten Wärmeverbunde in der Region Luzern.

Beatrice Vogel

Beatrice Vogel

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Beatrice Vogel

Die Schweiz setzt auf erneuerbare Energie. Strom wird schon relativ lange durch Wind oder Wasser erzeugt, bei der Wärme sieht es etwas anders aus. In der Region Luzern gibt es erst seit einigen Jahren Wärmeverbunde, die grössere Gebiete versorgen. Doch nun gewinnt dieser Versorgungszweig an Fahrt, wie folgende Übersicht zeigt:

Der kleinste Verbund: Grundwasser am Seetaplatz

Erst kürzlich hat die neu gegründete Wärmeverbund Seetalplatz AG angekündigt, in den kommenden Jahren die Viscosistadt und die geplanten Gebäude am Seetalplatz mit Wärme zu versorgen. Als Wärme- und Kältequelle nutzt sie Grundwasser in Kombination mit der Abwärme der Garnherstellerin Monosuisse AG. Das Investitionsvolumen beträgt 25 Millionen Franken, erzeugt werden im Endausbau jährlich 25 Gigawattstunden Energie (wir berichteten).

Der grösste Verbund: Fernwärme aus Perlen

Der grösste Wärmelieferant in unserer Region ist die Fernwärme Luzern AG, eine Tochtergesellschaft von Energie Wasser Luzern (EWL). Sie nutzt seit 2015 die Abwärme der Verbrennungsanlage Renergia in Perlen sowie der Stahlherstellerin Swiss Steel AG in Emmen. Das gesamte Leitungsnetz erstreckt sich derzeit über 21 Kilometer – übers Rontal, Emmen und Reussbühl. Angeschlossen sind etwa das Luzerner Kantonsspital, das Emmen Center und die Mall of Switzerland. Erst kürzlich wurde die Verbindung nach Emmen fertiggestellt.

Geplant ist eine Erweiterung des Netzes nach Littau, Emmen Dorf und Root D4. Mittelfristig rechnet die Fernwärme Luzern AG mit einem Wärmeabsatz von 100 Gigawattstunden pro Jahr. Mit dem aktuell geplanten Endausbau beträgt das Investitionsvolumen rund 130 Millionen Franken. Dabei ist ein möglicher Ausbau, etwa nach Dierikon, nicht eingerechnet. «Die Renergia hätte genug Abwärme, damit weitere Gebiete erschlossen werden könnten», sagt Jörg Hoffmann, Gesamtprojektleiter Fernwärme bei EWL.

Der älteste Verbund: Seewasser im Zentrum

EWL betreibt zudem die älteste Wärmezentrale der Region – beim Bahnhof Luzern. Die Zentrale befindet sich unter dem langen Gebäude am Inseliquai und wurde 1984 von SBB und Post gebaut. 2016 hat EWL die Zentrale gekauft, die den Bahnhof, das KKL und das umliegende Gebiet mit Wärme beliefert. Rund 30 Gigawattstunden Energie kann sie produzieren, genutzt wird Seewasser. Per Ende 2020 soll die Zentrale für rund 18 Millionen Franken saniert werden. Dabei ist auch ein Ausbau geplant. So sollen bis 2023 auch ein Teil der Kleinstadt und Neustadt sowie das Tribschengebiet versorgt werden. Beispielsweise soll etwa die Kantonsschule Alpenquai, die derzeit über eine alte Wärmepumpe verfügt, ins Netz eingebunden werden. Ein weiterer Ausbau in den Gebieten Neustadt, Schönbühl sowie am rechten Seeufer wird derzeit geprüft.

Der lang geplante Verbund: Seenergy Horw und Kriens

Ein weiteres Projekt, das schon lange in Planung ist und noch dieses Jahr starten soll, ist Seenergy in Horw und Kriens. EWL ist an der privaten Gesellschaft zu 70 Prozent beteiligt. Auch hier wird mit Seewasser – aus dem Horwer Seebecken – geheizt. Das Pumpwerk befindet sich beim Horwer Seefeld. Es kann im Endausbau 50 Gigawattstunden Energie produzieren. Ab Herbst 2020 soll als erstes die Überbauung Schweighof mit Wärme und Kälte beliefert werden. Zunächst wird für rund 46 Millionen Franken das Gebiet bis zum Nidfeld erschlossen. Der Endausbau, der dann bis zum Eichhof geht, würde nochmals 48 Millionen Franken erfordern.

See würde noch mehr Wärme hergeben

Technisch funktionieren alle diese Systeme über einen geschlossenen Wasserkreislauf. Mittels Wärmetauschern wird dem Wasser Wärme zugefügt oder entzogen. Bei allen Systemen sind zusätzlich Gaskessel im Einsatz, die allerdings nur den Spitzenbedarf bei sehr tiefen Aussentemperaturen abdecken.

Für die aktuelle und geplante Seewassernutzung wird dem Wasser lediglich 2 Grad Celsius an Wärme entzogen. «Der See würde noch viel mehr hergeben», sagt Rolf Samer, Mitglied der EWL-Geschäftsleitung. Da das Wasser im See-Energie-Kreislauf nur 8 bis 10 Grad Celsius beträgt, können Kunststoffleitungen verwendet werden. «Allerdings sind diese relativ voluminös, was gerade im dicht bebauten Stadtgebiet das Verlegen der Leitungen zu einer Herausforderung macht.»

Bei Wasser als Energiequelle besteht zudem der Vorteil, dass dieses auch zum Kühlen verwendet werden kann. Das ist insbesondere für Industrie-, grosse Dienstleistungsbetriebe oder Rechenzentren interessant. Ein Vorteil des Wärmeverbunds ist zudem, dass Wärme auch von Abnehmern eingebunden werden kann. «Wenn etwa die Mall viel Abwärme produziert, wird damit das Kino und das Freizeitgebäude geheizt», sagt Jörg Hoffmann.

Dort bauen, wo der Kunde ist

Ziel ist es, die gegebenen Wärmequellen zu nutzen. Sprich: Wo Grund- oder Seewasser ist, wird dieses lokal verwendet, wo Abwärme entsteht, können auch kleinere Wärmeverbunde diese nutzen. Wobei der Netzausbau natürlich nicht willkürlich ist: «Wir müssen dort bauen, wo die Kunden sind», so Hoffmann. Dafür brauche es grössere Energieabnehmer, wie Schulhäuser, Einkaufszentren oder Grossüberbauungen. «Natürlich werden aber auch Einfamilienhäuser angeschlossen, wenn ohnehin eine Leitung gebaut wird.» Alle Liegenschaftseigentümer, die sich im Perimeter befinden, würden kontaktiert. Und: Wer erst kürzlich seine Heizung erneuert hat, kann für eine spätere Verwendung einen verzapften Anschluss machen lassen.

Hunderte von Millionen Franken werden in diese Infrastruktur investiert. Rolf Samer:

«Das sind Projekte, die über Generationen nutzbar sind.»

Insgesamt werden die genannten vier Projekte dereinst jährlich 210 Gigawattstunden Energie produzieren. Damit kann der CO2-Ausstoss um rund 46000 Tonnen pro Jahr reduziert werden.

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