Zéline Odermatt
«Nach 30 Sekunden unter Wasser wusste ich, dass ich das lernen muss», erzählt Ruedi Suter von seinem allerersten Tauchgang in einem Hallenbad. Damals war er 54 Jahre alt. «Wenn ich im Leben etwas anders gemacht hätte, dann das. Ich hätte viel früher angefangen zu tauchen», so Suter. Das Tauchen ist seine grosse Leidenschaft, mittlerweile hat der 73-Jährige fast 700 Tauchgänge hinter sich. Häufig ist er am Lopper in Hergiswil unterwegs. «Das ist ein beliebter Tauchplatz, es kommen viele Tauchschulen aus der Region und sogar Taucher aus Süddeutschland hierher», erzählt er. Anders als in der Schweiz seien die Tauchmöglichkeiten dort begrenzt.
«Ich war bereits als Kind fasziniert von der Unterwasserwelt und habe Filme darüber geschaut», sagt Suter, der in Ebikon wohnt. Doch es sei nicht einfach gewesen, anzufangen. «Das Tauchen war früher eine aufwendige und teure Sache.» Neben Familie und Beruf blieb zunächst keine Zeit für ein solches Hobby. Dank eines Arbeitskollegen bei der Alp Transit Gotthard AG, wo er als Leiter Kommunikation arbeitete, kam er mit 54 Jahren doch noch zum Tauchen. Dieser nahm ihn zum eingangs beschriebenen Tauchgang im Hallenbad mit und kurze Zeit später meldete sich Ruedi Suter bei einem Tauchcenter an. Nach mehreren Tauchprüfungen machte er schliesslich die Prüfung zum «Dive Master». «Ich war wahrscheinlich der Älteste im Kurs.» Die meisten Personen, mit denen er tauche, könnten seine Söhne oder Enkel sein, fügt er lachend hinzu.
Sein langjähriger Tauchpartner Stefan Ramp ist demnach auch einige Jahre jünger als er. Er kam gerade von den Philippinen zurück und ist mit Suter das erste Mal wieder beim Lopper unterwegs. Der Tauchplatz war eineinhalb Jahre geschlossen und ist erst seit Ende Juni wieder offen. Es hat jedoch bereits wieder viele Taucher vor Ort. «Das Interessante ist dort die Steilwand. Der Berg geht im See genauso steil weiter», so Suter. Und der Einstieg sei bequem über eine Treppe erreichbar. «Es ist angenehm, wenn man in meinem Alter nicht mehr über Stock und Stein muss.»
Ein Gartenzwerg, 30 Meter unter Wasser
Ohne seinen Tauchpartner geht nichts. Ruedi Suter taucht aus Sicherheitsgründen nur zu zweit. Weshalb er auch einige Wochen pausieren musste, als der Kollege in den Ferien war. «Ich hatte schon richtige Entzugserscheinungen.»
Vor dem Tauchgang besprechen die beiden jeweils, wo sie genau tauchen, wie tief, wer rechts und wer links unterwegs ist. «Am Lopper gibt es einen Gartenzwerg, der 30 Meter unter Wasser auf einem Stuhl sitzt», erzählt Ruedi Suter. Dorthin tauchen die beiden nach dem Einstieg jeweils. Zunächst wird aber die Ausrüstung angezogen, die Luft kontrolliert und der Computer gecheckt. Dieser gibt die Temperatur, die Tauchzeit und die Tiefe an. Dann wird der Partner kontrolliert. Die ganze Vorbereitung dauert rund 10 Minuten. Dann heisst es: Flossen an und los.
Normalerweise tauchen sie auf einer Tiefe von 10 bis 25 Metern. Die Sicht ist im See eingeschränkt, deshalb gehören auch eine starke Lampe und ein Kompass zur Ausrüstung, um den Ausstieg wieder zu finden. «Ich vergleiche es oft mit Skifahren. Bei blauem Himmel und guten Verhältnissen kann das Jeder. Im See lernt man die Technik und wird zum besseren Taucher», sagt Suter. Das wichtigste sei es, unter Wasser Ruhe zu bewahren. Denn jede Bewegung gibt Auftrieb. «Geniessen kann man das Tauchen erst, wenn man kontrolliert im Wasser liegen kann», so Suter. Beispielsweise die Fische: Am Lopper sehen die Taucher vor allem Eglischwärme, Trüschen und auch Hechte. Nach rund einer Stunde ist der Spass vorbei, die Logbücher werden ausgefüllt und die Partner besprechen den Ausflug im See.
Seinen schönsten Tauchgang erlebte Ruedi Suter nicht im Vierwaldstättersee, sondern auf den Malediven. Neben Haien konnte er dort Mantarochen beobachten. Diese Art von Rochen kann eine Spannweite von bis zu fünf Metern erreichen. Die Planktonfresser haben weit auseinanderstehende Augen. «Das sind faszinierende, majestätische Tiere. Wie Ufos kommen sie in der Strömung daher. Es lief mir kalt den Rücken herunter. Das war ein absolut umwerfendes Erlebnis.»
«Ich kann keinen Fisch mehr töten»
Ab 40 Jahren müssen sich Taucher in der Schweiz jährlich die Tauchtauglichkeit bestätigen lassen. Deshalb ist Ruedi Suter einmal im Jahr beim Arzt, um sein Lungenvolumen testen zu lassen. «Ich tauche aufgrund meines Alters nicht mehr so tief. Sicher nicht tiefer als 30 Meter», so Suter. Es gelte, Respekt vor dem Sport zu haben, gefährlicher als Bergsteigen sei es jedoch nicht. «Für mich hat das Tauchen etwas Meditatives. Die Schwerelosigkeit ist ein irrsinniges Gefühl.» Wann er aufhört, möchte er noch nicht sagen, obwohl er schon eine Idee habe. «Dann verlässt sich meine Frau womöglich auf dieses Datum», sagt Suter schmunzelnd. Ob er dann zu seinem früheren Hobby, dem Fischen, zurückkehrt? Wohl eher nicht. «Seit ich tauche, habe ich eine ganz andere Beziehung zu den Tieren. Deshalb kann ich keinen Fisch mehr töten», erklärt Ruedi Suter.
Je mehr man taucht, desto mehr erfahre man, wie sensibel das Ökosystem sei. «Dies betrifft nicht nur Plastik in den Ozeanen, sondern auch das sinnlose Töten von Haien und das Problem der Überfischung», erklärt Suter. Auch in den Seen habe er bei Tauchgängen schon viel Abfall mitgenommen. «Jedes Mal finden wir ein paar Dosen und anderen Abfall, der ohne Überlegung ins Wasser geworfen wird. Das ist grauenhaft.» Und gerade weil ihm bewusst sei, wie heikel die Systeme sind, geniesst er seine Tauchgänge in vollen Zügen. «Bei guter Konstitution kann ich das noch lange machen», ist sich Ruedi Suter sicher.
Mit diesem Beitrag endet unsere Sommerserie «Die vier Elemente».