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Uri

So reagieren Reisende auf den Osterstau am Gotthard

Wer über Ostern in den Süden will, stand bereits ab Mittwochmorgen im Stau am Gotthard. Die Stimmung bei den Reisenden war gemischt, wie ein Augenschein bei der Gotthard Raststätte zeigt.
Bereits am Wochenende vor Ostern staute sich der Reiseverkehr vor dem Gotthard bis auf 12 Kilometer Länge. Fast so lang wurde der Stau auch am Mittwoch vor Gründonnerstag. (Bild: Keystone/ Urs Flüeler (Erstfeld, 9. April 2022))

Carmen Epp

Mittwochmorgen auf dem Parkplatz der Gotthard Raststätte in Erstfeld. Es ist die Ruhe vor dem Sturm, der am ersten Osterwochenende seit Corona erwartet wird. Und tatsächlich: Was die Kantonspolizei Uri vorausgesagt hat, bewahrheitet sich. Nachdem der Verkehr sich schon am Wochenende vor Ostern auf bis zu 12 Kilometer gestaut hat, beginnt auch der eigentliche Osterstau früher als üblich. Bereits kurz vor 9 Uhr meldet der TCS Stau von 1 Kilometer, danach nimmt er stündlich zu.

Kurz nach 10.30 Uhr wird die Einfahrt Göschenen gesperrt, mittags ist die Blechkolonne bereits 5 Kilometer lang, Zeitverlust: bis zu 55 Minuten.

Die Reisegäste scheint das nicht zu kümmern. In aller Ruhe steigen die Reisenden aus ihren Fahrzeugen, einige strecken sich, andere zücken ihr Smartphone, um die Kulisse der Raststätte mit dem Bristenstock im Hintergrund fotografisch einzufangen. Von Eile oder Stress keine Spur, geben die Gäste Auskunft, fotografieren lassen will sich jedoch niemand.

Trotz Stau: Reisestrapazen lohnen sich

So auch Marc Solker aus der Nähe von Würzburg. Der 31-Jährige reist zusammen mit seiner Freundin und einem befreundeten Paar für zwei Wochen ans Ligurische Meer. Die Hälfte der 800 Kilometer langen Strecke ist geschafft, abends wollen sie im Hotel einchecken. Den Verkehr nimmt die Gruppe in Kauf. «Das bisschen Stau gehört dazu», sagt Solker. Verglichen mit den Staus in Deutschland seien die paar Kilometer am Gotthard «Peanuts», sagt er. «Auf dem Weg von der Arbeit nach Hause stehe ich freitags oft bis zu zwei Stunden auf der Autobahn, und nichts geht.»

Ähnliches sagt auch eine Rentnerin aus der Nähe von Darmstadt, die mit ihrem Mann und dem gemeinsamen Mischlingshund heute in die Nähe von Florenz und tags darauf weiter nach Süditalien reist. Zwar hätten sie nicht mit Stau gerechnet, da in ihrem Bundesland Hessen bereits seit Montag Osterferien sind. «Bis zu zwei oder drei Stunden Stau sind für uns aber sowieso nicht der Rede wert.» Allerdings bleibt das Paar auch gleich bis September in Süditalien. «Da lohnen sich die Reisestrapazen auch.»

Keine Wahl hingegen hat ein Taxifahrer aus Zürich, der ein älteres Ehepaar aus Winterthur nach Ascona fährt. «Das ist mein Job, der Auftrag kam kurzfristig. Über den Stau habe ich mir keine Gedanken gemacht», sagt er. Ähnliches gilt auch für Carfahrer Micha Linz, der eine Reisegruppe aus dem Raum Stuttgart über Ostern an den Gardasee fährt. Die Hinfahrt habe man extra auf Mittwoch verlegt, um den gröbsten Stau zu vermeiden. «Zurück geht es dann aber am Ostermontag, da rechne ich mit langen Wartezeiten an der Grenze und am Gotthard.» Und weiter: «Darauf lässt man sich halt ein, wenn man in dieser Zeit verreisen will.»

Kurz vor dem Mittag füllt sich der Parkplatz bei der Gotthard Raststätte allmählich. Die meisten Fahrzeuge tragen deutsche, französische oder holländische Nummernschilder, dazwischen auch solche aus Luzern, dem Aargau, Bern oder Basel. «Wir sind nur gekommen, um hier zu Mittag zu essen, danach machen wir wieder kehrt», sagt ein Mann, der gerade aus einem Auto mit Basler Nummernschild gestiegen ist. Er und seine Frau seien Heimweh-Urner und auf Besuch in der Heimat. Vom Osterstau will das Paar nichts wissen. «Das tun wir uns nicht an.»

Schweizer Reisegäste sind stauempfindlicher

Allgemein scheint der Stau den Reisenden aus der Schweiz mehr auszumachen als den Touristinnen und Touristen, die von weiter her anreisen. So ist etwa eine vierköpfige Familie aus der Nähe von Basel mit Reiseziel Lugano extra mittwochs losgefahren, um den Stau zu meiden. «Dass es jetzt bereits welchen hat, haben wir nicht erwartet.»

Tatsächlich meldet der TCS gegen 13 Uhr bereits 9 Kilometer Stau – jetzt schon ab Erstfeld – und eine Wartezeit von anderthalb Stunden. «Gut, dass wir noch kurz einen Halt gemacht haben, auch für den Hund.» Nun hofft die Familie, dass der Verkehr immerhin auf der Rückfahrt fliesst; um den Rückreiseverkehr zu meiden, bleiben sie eine Woche statt nur übers Osterwochenende im Tessin.

Eines ist den Reisenden aus allen Ländern gemeinsam: Auf die aktuellen Benzin- und Dieselpreise angesprochen, winken alle ab. «Das ist in diesem Jahr fast das Teuerste am gesamten Urlaub», sagt Marc Solker. «Geteilt durch vier ist's grad noch so knapp verkraftbar.» Aber, und das gaben ebenfalls viele Befragte an, nach den zwei Coronajahren im eigenen Land wolle man sich das Fernweh auch was kosten lassen. «Wer weiss, wann der nächste Lockdown kommt», fügt Solkers Freundin an.

Stauspitzen am Donnerstag und Freitag erwartet

Was erstaunt: Obwohl der Verkehr auf der Autobahn Richtung Süden stündlich zunimmt, hält sich der Andrang im Shop und im Restaurant der Gotthard Raststätte in Grenzen. «Wenn Reisende mit langem Stau rechnen, fahren sie in der Regel eher weiter anstatt anzuhalten und machen die Pause nach dem Stau auf der Südseite»,

erklärt Stephan Rohrer, Leiter Retail & Marketing der Gotthard Raststätte, auf Anfrage. Das grosse Geschäft macht der Betrieb an Ostern Richtung Süden also nicht. «Beim Rückreiseverkehr nach Ostern sind wir dann auf der besseren Seite beziehungsweise nach dem Stau.» Trotzdem bleiben die Tankstelle und der Shop von Gründonnerstag auf Karfreitag in Fahrtrichtung Süd und Ostersonntag auf Ostermontag in Fahrtrichtung Nord 24 Stunden geöffnet.

Mit 10 Kilometern Länge erreicht der Stau ab 14 und bis 17.30 Uhr sein Maximum. Damit geht das erste Osterwochenende nach Corona bereits am Mittwoch in die Geschichte ein. Schliesslich wurden in den Jahren 2017 und 2018 vor Gründonnerstag jeweils kein und 2019 maximal 5 Kilometer Stau verzeichnet, wie Gustav Planzer, Stabchef der Kantonspolizei Uri, auf Anfrage sagt. Von einem Rekord spricht auch Viasuisse.

«Gemäss unserer Statistik der letzten sieben Jahre haben die Staus vor dem Gotthardtunnel am Mittwoch vor Ostern nie mehr als 7 Kilometer betragen», heisst es in einer Mitteilung. Der richtige Osterstau kommt allerdings erst noch. So erwartet die Kantonspolizei Uri die Spitzenfrequenzen weiterhin am Gründonnerstag zwischen 15 und 23 Uhr sowie am Karfreitag zwischen 8 und 15 Uhr, wie Planzer bestätigt. Dann werden bis zu 20 Kilometer Stau erwartet, was eine Wartezeit von bis zu fünf Stunden bedeutet. Mit der Rückreisewelle sei bereits am späteren Ostersonntag zu rechnen. Erhöhter Reiseverkehr wird auch am Ostermontag erwartet. Dann stehen die Fahrzeuge aber auf der anderen Seite des Gotthards.

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