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Luzern

Von der Überraschungswahl zum Kantonsratspräsidenten – Grünen-Mitgründer Andreas Hofer hört auf

Andreas Hofer tritt nach 14 Jahren aus dem Luzerner Parlament zurück. Am Herzen liegen dem Fischereibesitzer die Natur und das Tierwohl. Bei der Energiewende wünscht er sich mehr Tempo.
Andreas Hofer politisierte 14 Jahre im Kantonsrat, nun tritt er zurück. Als Höhepunkt nennt er das Jahr als Kantonsratspräsident, im Bild die Wahlfeier in Sursee.
(Eveline Beerkircher (21. Juni 2016))
Andreas Hofer. (Bild PD)

Reto Bieri

Reto Bieri

Besonders stolz ist Andreas Hofer darauf, dass er sich nie verbiegen musste. «Auch als Kantonsrat konnte ich mich selber bleiben.» Am Montag tritt er nach 14 Jahren aus dem Parlament zurück, notabene an seinem Wohnort Sursee, wo der Rat wegen Corona tagt. Eigentlich will Hofer sein Ausscheiden nicht an die grosse Glocke hängen. Lieber stellt er die Sache in den Vordergrund. Konkret: die Umwelt, das Klima, das Tierwohl.

Insbesondere der Gewässerschutz ist dem Berufsfischer, der während 13 Jahren als Sozialpädagoge mit verhaltensauffälligen Jugendlichen gearbeitet hat, ein grosses Anliegen. Politisiert worden ist Hofer durch das Fischsterben im Sempachersee in den 1980er-Jahren. Der elterliche Fischereibetrieb in Oberkirch am Sempachersee war direkt betroffen. Diesen führt Andreas Hofer seit 2013 mit seinem Bruder. Zusätzlich haben sie den Baldeggersee gepachtet.

Ein Grund für den Rücktritt ist die berufliche Belastung:

«Ich bin 55 und werde nicht jünger. Das politische Amt bringt viele Sitzungen am Abend mit sich. Wenn ich um 3 Uhr zum Fischen aufstehen muss, stecke ich das nicht mehr so einfach weg.»

Hofer war nicht der Einzige mit einem «sture Grend»

Hofer nimmt meist kein Blatt vor den Mund. In der Politik habe er allerdings lernen müssen, andere Meinungen zu akzeptieren. «Ich habe gemerkt, dass nicht nur ich ein ‹sturer Grend› bin», sagt er schmunzelnd. Seine Wahl war 2007 eine grosse Überraschung. «Wir hatten die Grüne Ortspartei Sursee erst im März gegründet, einen Monat später fanden die Wahlen statt.» Sie hätten nicht damit gerechnet, dass jemand gewählt wird. Doch es kam anders, die Grünen holten mit Hofer im Wahlkreis Sursee einen Sitz. Insgesamt legte die Partei 2007 im Kantonsrat von sechs auf neun Sitze zu. Nach Verlusten 2015 folgte vier Jahre später auch in Luzern die grüne Welle. Die Partei verdoppelte die Sitzzahl im Kantonsrat auf 14.

Dass ein Grüner so lange im Kantonsparlament sitzt, ist ungewöhnlich. Parteiintern gilt eine Amtszeitbeschränkung auf zwölf Jahre. Für Hofer machte man bei den Wahlen 2019 eine Ausnahme, die nötige Zweidrittelmehrheit an der Delegiertenversammlung überstand er locker. Bei der Wahl holte Hofer viele Stimmen und schaffte es bei den Grünen des Wahlkreises Sursee auf Platz eins. Ein Sesselkleber wollte er zwar nie sein, betont er. «Aber wahltaktisch war es halt besser, dass ich nochmals antrat.» Nun tritt Hofer zurück, damit sich seine Nachfolgerin Gertrud Galliker aus Beromünster bis zu den Wahlen 2023 einarbeiten kann.

Als Kantonsratspräsident musste er mit einem Armeehelikopter fliegen

Bekanntheit über Sursee hinaus verschaffte sich der Fischer mit Meisterprüfung in seinem Jahr als Kantonsratspräsident, das er ab Juni 2016 ausübte. Angestrebt habe er es nicht. Vorgesehen war eigentlich der Krienser Nino Fröhlicher, doch dieser wurde 2015 abgewählt. Hofer sprang nach anfänglichem Zögern ein.

«Ich fürchtete mich vor dieser Bürde. Rückblickend möchte ich das Jahr aber nicht missen. Ich habe extrem viele interessante Menschen getroffen und den Kanton Luzern besser kennen gelernt.»

Sich selbst nicht ganz treu wurde er nur zweimal: An einer Beerdigung galt eine Krawattenpflicht. Und bei einem Truppenbesuch musste er mit einem Armeehelikopter fliegen.

Als grossen Erfolg bezeichnet Hofer das kantonale Energiegesetz. Die erste Fassung haben die Grünen in einer unheiligen Allianz mit der SVP versenkt. «Das hat sich aber gelohnt, weil die Regierung gezwungen war, nachzubessern.» Selten habe er in der Kommission Raumplanung, Umwelt und Energie derart gute und konstruktive Gespräche erlebt. «Jeder ist ein bisschen von seiner Position abgerückt, sodass wir eine gute Lösung hingebracht haben.» Heute habe der Kanton Luzern eines der fortschrittlichsten Energiegesetze der Schweiz.

Seit 30 Jahren isst Andreas Hofer kein Fleisch

Trotzdem sagt Hofer: «Der Kanton Luzern unternimmt definitiv zu wenig gegen den Klimawandel.» Vor allem in der Landwirtschaft und dem Gewässerschutz brauche es grössere Fortschritte. Man sei zwar auf gutem Weg, für Hofer geht aber alles viel zu langsam vorwärts.

Was trägt der Grüne selber gegen den Klimawandel bei? «Ich besitze zwar ein Auto, aber nur ein kleines. Einen Fiat Cinquecento, den ich so wenig wie möglich benutze, ich fahre meist ÖV.» Seit 30 Jahren ist Hofer Vegetarier – obwohl er Fleisch mag. Ihm gehe es ums Tierwohl. «Im Kanton Luzern leben 400'000 Schweine. Komisch nur, dass ich davon keines sehe», sagt er ironisch.

Superreiche sollen mehr Steuern bezahlen

Dank der Zeit im Kantonsrat habe er viel Neues gelernt, zum Beispiel über Finanzpolitik, mit der er sich verstärkt auseinandergesetzt habe. Auch hier verbiegt er sich nicht: Wie die Bürgerlichen findet Hofer Schulden machen nicht nachhaltig. Wie die Linken befürwortet Hofer höhere Steuereinnahmen.

Seiner Meinung nach müsste man die Steuerprogression ändern. Dass die bürgerlichen Parteien darin eine Neiddebatte sehen, kann Hofer nicht nachvollziehen. «Wenn Superreiche ein paar Franken mehr zahlen müssen, haben sie ja immer noch genug. Der Kanton aber könnte innovativ vorwärtsgehen und Dinge anpacken.»

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