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Uri tritt gegen grosse Konkurrenz an – «der Kanton will sein Tafelsilber verscherbeln»

Die künftige Strategie der Regierung zur Wasserkraftnutzung wird kritisch hinterfragt. Uri steht mächtige Konkurrenz gegenüber - eine Minderheitsbeteiligung an EWA-Energie-Uri bei Verzicht auf Eigennutzung reiche dagegen nicht aus.
Das Speicherkraftwerk Lucendro, dessen Konzession 2024 ausläuft.
(Bild: PD)

Anian Heierli und Philipp Unterschütz

Die Zahl beeindruckt. Im Jahr produziert der Kanton Uri aus seiner Wasserkraft 1,6 Milliarden Kilowattstunden Strom. Ein Schweizer Haushalt verbraucht in dieser Zeit 5000 Kilowattstunden. Die Stromproduktion der Urner Wasserkraft reicht also aus, um 320'000 Haushalte mit Strom zu versorgen.

Dass der Kanton Uri und seine Wasserkraft ein starkes Duo sind, weiss auch der Regierungsrat. Die im September 2015 verabschiedete Eignerstrategie Wasserkraft des Kantons Uri enthält als langfristiges Ziel eine stärkere Beteiligung bis hin zu einer Mehrheitsbeteiligung am Stromproduzenten und Energie-Dienstleister EWA-Energie Uri.

Aktuell hält der Kanton Uri 29 Prozent der EWA-Aktien. Dieser Anteil soll in den kommenden Jahren auf bis zu 40 Prozent erhöht werden, gemeinsam mit Korporationen und Gemeinden sollen gar bis 48 Prozent erreicht werden. Der Grund: Die Konzessionen von Kraftwerken laufen aus und müssen erneuert werden. Als erstes jene des Speicherkraftwerks Lucendro in Airolo im Jahr 2024. Zwar liegt die Anlage auf Tessiner Boden. Doch das Wasser stammt zu 55 Prozent aus Urner Gewässern.

Hierzu unterzeichneten der Kanton Uri, das EWA und die Centralschweizerische Kraftwerke AG (CKW) eine Vereinbarung. Diese sieht vor, dass der Kanton Uri Aktienanteile von CKW erwerben kann, wenn er Wasserrechtskonzessionen ins EWA einbringt. Doch über die Konzessionsvergabe entscheidet der Landrat in einer der kommenden Sessionen.

Linke Landräte wollen Mehrheitsbeteiligung

Die aktuelle Strategie des Regierungsrates stösst den Landräten Jolanda Joos (Bürglen), Sylvia Läubli Ziegler (Erstfeld) und Rapahel Walker (Altdorf) von der Fraktion SP/Grüne sauer auf. Sie haben deshalb Anfang Februar eine Interpellation eingereicht. Dass beim Handel «nur» eine Minderheitsbeteiligung des Kantons am EWA-Energie-Uri von 40 Prozent resultieren würde, bei gleichzeitigem Verzicht auf die Eigennutzung, kommt bei ihnen nicht gut an.

In der Interpellation heisst es:

«Der Kanton Uri will sein Tafelsilber verscherbeln! Nur mit einer Mehrheitsbeteiligung der öffentlichen Hand kann die volkswirtschaftliche Bedeutung des EWA-Energie-Uri längerfristig gesichert werden».

Die vage Aussage der Regierung, man strebe eine solche langfristig an, genüge in der heutigen Ausgangslage nicht.

In ihrer Antwort räumt die Regierung ein, dass man sehr wohl eine Mehrheitsbeteiligung anstrebe, diese aber auch in mehrmonatigen beharrlichen Verhandlungen mit CKW und EWA-Energie-Uri nicht erreichen konnte. Die erzielten Ergebnisse und Zugeständnisse könnten sich aber sehen lassen, findet die Regierung. So würden Uri künftig umfassende Vetorechte in massgeblichen unternehmerischen Entscheiden eingeräumt. «Damit kommt dem Kanton de facto die Stellung eines Mehrheitsaktionärs zu.» Und schliesslich bleibe eine weitere Erhöhung der Beteiligung der öffentlichen Hand weiterhin möglich und werde auch angestrebt.

Der Regierungsrat erwähnt denn auch verschiedene Möglichkeiten, wie eine Mehrheitsbeteiligung der öffentlichen Hand zustande kommen könnte. Beispielsweise verfüge der Kanton über CKW-Aktien, die man später allenfalls gegen EWA-energieUri Aktien eintauschen könne. «Denkbar ist auch, dass der Kanton seine Beteiligungen an den Kraftwerken Bristen, Schächen und Erstfeldertal in EWA-energieUri gegen eine Erhöhung seiner Beteiligung an EWA-energieUri einbringt.» Und schliesslich verfüge auch die Korporation Uri über Beteiligungen an den Kraftwerken Bristen, Gurtnellen, Schächen und Erstfeldertal und einen bedeutenden Anteil der Göscheneralp-Konzession, die sie im Tausch gegen eine Erhöhung ihrer Beteiligung an EWA-energieUri einbringen könnte.

SBB als mächtiger Gegenspieler

Die Antwort der Regierung zeigt auch auf, wie komplex die Situation rund um die Wassernutzung ist und dass mit der SBB und dem Kanton Tessin weitere gewichtige Player im Spiel sind, die ihre Ansprüche durchsetzen möchten. Die Urner Reusskaskade mit den Kraftwerken Göschenen, Wassen und Amsteg steuert beispielsweise jetzt schon einen bedeutenden Anteil von über 40 Prozent des gesamten schweizerischen Bahnstrombedarfs bei. Dieser Anteil soll nach den Vorstellungen der SBB weiter ausgebaut werden, da ihr Strombedarf in den kommenden Jahren um rund 25 Prozent steigt. Die SBB kann als Institution von gesamtschweizerischer Bedeutung für die Gewässer der Reusskaskade eine gesetzliche Inanspruchnahme geltend machen und so die Wassernutzungsrechte letztlich auch gegen den Willen des Konzessionsgebers an sich ziehen.

«Um einer Inanspruchnahme durch die SBB wirksam entgegentreten zu können, muss sich der Kanton entschieden mit einem Konzept und einem starken lokalen Know-how-Partner für die Nutzung der Reusskaskade positionieren», schreibt die Regierung weiter. Mit der Vereinbarung zwischen dem Kanton Uri, CKW und EWA-energieUri bestehe eine klare Position, wie der Kanton langfristig seine Versorgung sicherstelle und wie er zukünftig einen höheren volkswirtschaftlichen Nutzen in Form von Entschädigungen und Arbeitsplätzen vor Ort aus der Urner Wasserkraft im Kanton erziele.

Verhandlungen mit dem Kanton Tessin sind «ernüchternd»

Bei den Verhandlungen zur Neukonzessionierung des Kraftwerks Lucendro sitzen Uri mit dem Kanton Tessin und der Azienda Elettrica Ticinese (AET) ebenfalls zwei starke Partner gegenüber, die ihre Eigeninteressen konsequent durchsetzen wollen. «Ernüchternd muss festgehalten werden, dass der Kanton Uri, der die Mehrheit des Wassers für den Betrieb des Kraftwerks Lucendro liefert, in den bisherigen Verhandlungen keinen Erfolg erzielte», hält die Regierung fest. Die Tessiner verfolgen das Ziel, dass sich die AET die Betriebs- und Geschäftsführung und die Einsatzplanung aller Maschinen für einen optimierten Betrieb über die ganze Kaskade inklusive aller zugehörigen Wertschöpfungen sichern kann. Für den Kanton Uri drängt die Zeit, da er heute beim Betrieb des Kraftwerks nicht unmittelbar involviert ist, dies aber ab 2025 ändern will. Einigen sich die Kantone nicht rechtzeitig, kann das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) eine provisorische Konzession erteilen.

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