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Uri

Säumer machen Halt in Uri

Auf ihrem 103 Kilometer langen Fussmarsch überqueren Säumer aus Disentis Urner Pässe, um nach Vevey zu gelangen. Sie treibt dabei nicht nur die Freude an der «Fête des Vignerons» an.

Hoch oben auf dem Oberalppass hat eine Gruppe von Säumern eine Pause eingelegt. Noch sind sie rund 200 Kilometer von ihrem Ziel entfernt: Der «Fête des Vignerons» in Vevey. Die Strecke von Disentis über Sedrun, Andermatt, Realp bis Brig legen sie zu Fuss zurück. Für den letzten Abschnitt steigen sie dann in den Zug.

Die Vorfreude auf das grösste Winzerfest der Schweiz ist unter den Säumern bereits gross. «Für mich ist die Teilnahme am Weinfest eine Premiere», sagt Aaron Heinzmann aus Eyholz, Wallis, Projektleiter des Säumertreks. Am 23. Juli wird der Säumerzug an der Fête des Vignerons einmarschieren, begleitet von Tiba-Spielern (einer Art Bündner Alphorn), Tamburen und Fahnenträgern. «Wir laufen an der Promenade entlang zum Stand von Graubünden, um die Produkte zu übergeben», sagt Heinzmann. Am Mega-Event, der nur einmal pro Generation stattfindet, werden rund eine Million Besucher erwartet. Die Säumer des Graubünden Viva Treks stammen aus der ganzen Schweiz, laufen aber alle unter der Fahne Graubündens.

Das Wetter auf dem Oberalppass zeigt sich von seiner freundlichen Seite: Sonne und Wolken wechseln sich ab, was für angenehme Temperaturen sorgt. «Wir sind zwar wetterfest. Trotzdem ist es schöner so», sagt Reto Dürst aus Davos, Pferdeverantwortlicher des Säumertreks. Er und seine Säumerkollegen haben soeben die Pferde von ihrer Last befreit und sie getränkt. «Die Tiere werden immer vor den Menschen versorgt», sagt er. Nachdem die Arbeit getan ist, nehmen er und Heinzmann sich im Restaurant Ustria Alpsu die Zeit, sich den Fragen unserer Zeitung zu stellen.

Für das leibliche Wohl der Säumer ist gesorgt

Die Route des Säumertreks hat es mit einer Distanz von 103 Kilometern, 3600 Höhenmetern aufwärts und 4100 Höhenmetern talwärts zwischen Disentis und Brig in sich. Mit den Pässen Oberalp (2024 Meter über Meer) und Furka (2429) überschreitet der Trek zweimal die 2000-Meter-Grenze. Ob Säumer und Pferde erschöpft sind? «Wäre ich heute schon erschöpft, wäre das nicht gut. Wir sind gut drauf. Am Abend weisst man aber schon, was man gemacht hat», sagt Dürst.

Um das leibliche Wohl müssen sich die Säumer unterwegs keine Sorgen machen. Neben Material für Tier und Säumer tragen die Saumtiere eine Auswahl feiner Produkte und Spezialitäten aus Graubünden auf ihrem Rücken mit. Dazu zählen Salsize (Trockenwürste), Früchte, Äpfel, Chriesi, Röteli, Bündner Nusstorten, Tote Beindli, Most und Wein.

Bisher sei die Reise reibungslos verlaufen. Verletzt hat sich niemand. «Das ist immer das oberste Ziel», so Dürst. Den Start des Säumertreks haben beide in guter Erinnerung: Er erfolgte am Dienstag, 16. Juli, im historischen Innenhof des Benediktiner-Klosters Disentis. Im Rahmen einer feierlichen Zeremonie wurden sie mit dem Segen des Abtes auf die erste Etappe von Disentis nach Sedrun verabschiedet.

Im Zeitalter von Bahn und Strassen: Tradition lebt weiter

Die zweite Etappe führt sie nun entlang der Alpenrosen von Sedrun über den Oberalppass nach Andermatt. Den grössten Teil des Weges legen sie auf den Wanderwegen zurück. «Unterwegs zum Oberalppass mussten wir die Pferde nur zwei Kilometer weit an der Strasse entlangführen», erzählt Dürst.

Zum Säumen ist Dürst vor zehn Jahren gekommen. «Wir sind Säumer aus der ganzen Schweiz, die sich damals auf der Sbrinz-Route kennengelernt haben», sagt er. Es habe sich eine Gruppe herauskristallisiert, die sich jedes Jahr zusammen auf einen Trek aufmache. «Wir wählen immer wieder andere Kantone aus, um verschiedene Landschaften zu erleben», sagt er. Voraussetzung für das Hobby sei es, dass man Pferde gerne habe. «Der eine reitet, der andere sprintet, wir säumen», sagt er. Die Absicht ist es, eine alte Tradition am Leben zu erhalten, die vor allem in den Alpkantonen verbreitet war, bevor es die Bahn und Strassen gab. «Früher war Säumen ein knallharter Beruf, viele sind umgekommen, etwa in Lawinen. Und auch im Sommer war es schwierig, weil die Pferde oft so viel geladen hatten, wie möglich», sagt er. Der aktuelle Säumertrek hingegen wird von einem Lastwagen begleitet, der Heu und Koffer transportiert.!=

Die Ladung entspricht in etwa dem Gewicht eines Menschen

Die neun Pferde und zwei Maultiere tragen zwischen 30 und 70 Kilogramm mit sich. «Das ist auch nicht mehr, als wenn ein Reiter auf ihnen sitzt», sagt Dürst. Die meisten der Pferde sind Freiberger. Diese Rasse hat ihre Eignung zum Transport von Waren auch schon beim Militär unter Beweis gestellt.

Nach der Mittagspause ist es an der Zeit, für die Säumergruppe aufzubrechen. Die Pferde werden gesattelt, der Zug marschiert ab. Die Strecke bedeutet auch für die erfahrenen Säumer Neuland. Die Gruppe hat die Strecke deshalb in den vergangenen Wochen abschnittsweise rekognosziert, wie Sepp Durrer aus Obwalden auf dem Weg nach Andermatt erzählt. «Wir passieren Schneefelder, in denen die Pferde einsinken könnten», sagt er. Eine andere Herausforderung stellen schmale Treppen, Brücken oder Moorlandschaften dar. Darum werde man zum Beispiel am Furka streckenweise auf die Strasse ausweichen müssen. Durrer führt den jungen Maulesel Baloo (15 Monate alt) an der Leine. «Wir haben ihn nach dem gutmütigen Bären im Dschungelbuch benannt», sagt er. Die Pferdemutter von Baloo geht hinter dem Maultier, ein anderes Pferd aus demselben Stall vor ihm. «Das haben wir extra so eingerichtet, damit sich Baloo in vertrauter Gesellschaft fühlt», sagt Durrer. Den Maulesel hat er selber gezüchtet auf seinem Bauernhof in Obwalden. «Maulesel sind gut geeignet zum Säumen, denn sie brauchen weniger Wasser als Pferde, sind trittsicher und haben aufgrund der Kreuzung keinen so ausgeprägten Fluchtinstinkt wie die Pferde.»

Am Säumertrek-Markt haben die Besucher die Qual der Wahl

Während die Säumer unterwegs sind, ist der Säumer-Trek-Markt in Andermatt bereits in vollem Gang: Es gibt Käse, Alpmolkedrink und Ziger vom Galenstock, Geissenprodukte aus Sedrun vom Biohof Steiger-pur oder roten und weissen Wein vom Weingut Marugg aus Fläsch, Graubünden – die Besucher haben die Qual der Wahl. Uschi Stalder aus Sempach hat sich für einen Rotwein entschieden. «Er schmeckt sehr gut, weil er unfiltriert ist», sagt sie nach der Degustation.

Um 17 Uhr treffen die Säumer in Andermatt ein und werden von den Markt-Besuchern mit viel Applaus begrüsst. Sozialvorsteher Jost Meyer überbringt die Grüsse des Gemeinderates. Er zeigte sich beeindruckt aber der langen Strecke, welche die Säumer auf sich genommen haben. «Schön, dass es noch Pioniere wie euch gibt.»

Nach einem Apéro, an dem die Säumer Bündner-Spezialitäten feilbieten, werden die Pferde in ihre Unterkunft gebracht. Danach begibt sich die Truppe ins Hotel Bergidyll und unter die warme Dusche. Zum Ausklang des Abends folgt schliesslich ein Anlass mit vierzig geladenen Gästen, bei dem die Säumer von Gault-Millau-Koch Fatmir Spescha bekocht werden.

Organisiert wird der Säumertrek durch Graubünden Viva. Ziel des Vereines ist es, den Wirtschaftsstandort Graubünden über das Thema Kulinarik zu positionieren. Der Säumertrek ist Teil eines mehrjährigen Programmes, das von Mai 2019 bis Oktober 2020 im Fest der Sinne gipfelt: Dieses findet quer durch Graubünden aber auch an ausgewählten Schauplätzen in der ganzen Schweiz statt.

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