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Uri

Plastik-Recycling: Urner Pionier strebt Ausweitung seines Angebots auf die ganze Schweiz an

Das Altdorfer Recyclingsunternehmen Paul Baldini ist das schweizweit erste gewesen, das die Wiederverwertung von Haushaltsplastik angeboten hat. Behörden würden den Ausbau des Angebots aber mancherorts verzögern.
Ivo Baldini, Geschäftsleiter der Baldini AG. (Bild: Georg Epp (Altdorf, 8. Juni 2017)
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Horst Mempel, Geschäftsleiter der Zimmermann Umweltlogistik Uri AG. (Bild: PD)
Edi Schilter, Geschäftsführer der Zaku. (Bild: Florian Arnold (Seedorf, 6. November 2017))

Lucien Rahm

Lucien Rahm

Lucien Rahm

Aus der Idee ist bislang keine Realität geworden: Die Migros hätte vor kurzem ihr eigenes Plastiksammel-Projekt lancieren wollen. Vorerst in Zentralschweizer Filialen hätten die Kunden einen Recyclingsack beziehen können, in dem sie ihre Kunststoffabfälle entsorgen können. Der Grossverteiler hat das Projekt jedoch auf unbestimmte Zeit verschoben, um sich mit den Zentralschweizer Abfallverbänden zu koordinieren. Bei diesen stösst die Idee nämlich nicht durchgehend auf Begeisterung.

Währenddessen wird im Kanton Uri bereits seit Jahren fleissig Kunststoff gesammelt, um ihn wiederzuverwerten. Von Anfang an dabei ist das Urner Recyclingunternehmen Paul Baldini AG, und das seit mittlerweile acht Jahren. «Wir waren schweizweit das erste Unternehmen, das Plastik-Recycling mittels eines Kunststoffsammelsackes für Haushalte angeboten hat», sagt Ivo Baldini, Geschäftsleiter des Altdorfer Betriebs. «Mich hat das genervt, dass Shampoo- und Waschmittelflaschen im Hauskehricht entsorgt werden. So ist der Abfallsack schnell mal voll.» Auch in der Bevölkerung sei er darauf angesprochen worden, ob man da nicht etwas machen könne. So hat die Paul Baldini AG schliesslich einen Sack für «fast alle Kunststoffe» lanciert.

Seit zwei Jahren gibt es den «Retürsack»

«Das Echo aus der Bevölkerung war äusserst positiv. Dann kamen die rechtlichen Fragen auf», erinnert sich Baldini. Auch in Uri kam es zunächst zu Streitigkeiten, als private Recyclingfirmen begannen, sich dem Plastikabfall aus den Haushalten anzunehmen. Auch die Altdorfer Firma Wyrsch bot bald ein Kunststoffrecycling per Sack an – zum Missfallen der Zentralen Organisation für Abfallbewirtschaftung im Kanton Uri, kurz Zaku. Sie erliess 2014 eine Verfügung gegen die zwei Privatunternehmen. Sie sei auf den Plastikabfall als Bestandteil des Hauskehrichts angewiesen, weil das Plastik ein wichtiger Brennstoff für die damals im Bau befindliche Verbrennungsanlage Renergia sei. Seit 2015 wird der Urner Abfall dort, im luzernischen Perlen, verbrannt, um damit Strom und Wärme zu produzieren. Bestimmte Liefermengen wurden vereinbart, die auch durch den Kunststoff zusammenkommen würden. Gegen die Beschwerde wehrte sich die Paul Baldini AG dann beim Regierungsrat, welcher die Verfügung sistierte.

Vier Jahre später konnten sich die mittlerweile drei privaten Urner Plastikrecycler schliesslich mit der Zaku auf eine Zusammenarbeit einigen – obwohl die Zaku am ökologischen Nutzen des Plastiksammelns zweifelte. 2018 wurde der sogenannte «Retürsack» eingeführt, die Privaten stellten ihre eigenen Angebote ein. Seither kann der Einheitssack mit einer Füllmenge von 110 Litern bei staatlichen wie auch privaten Sammelstellen zurückgebracht werden.

Die Paul Baldini AG sorgt dafür, dass die gesammelten Plastikabfälle in eine spezielle Recyclinganlage im deutschen Rheinfelden gelangen, die nahe neben der Schweizer Grenze liegt. Zu Beginn hätten sie den Kunststoff jeweils noch in Altdorf verarbeitet, sagt Baldini. «Damals haben wir nach Auge und von Hand sortiert, was entsprechend weniger genau war.» Mit den zunehmenden Mengen sei diese Methode auch irgendwann «nicht mehr zeitgemäss» gewesen. Als die Preise für wiederaufbereiteten Kunststoff dann gesunken seien, habe sich das eigene Sortierverfahren nicht mehr gelohnt.

Urner recyceln jährlich mehr Plastik

Seit sechs Jahren arbeite man daher mit dem süddeutschen Partner zusammen. Dieser verwertet auch Kunststoff aus deutschen Haushalten, womit bei ihm jährlich rund 80'000 Tonnen zusammenkommen würden, erklärt Baldini. Wegen der grossen Menge sei die dortige Anlage hochspezialisiert und könne sehr genau trennen. Rund 70 bis 80 Prozent des Sackinhalts könnten so dem Recycling zugeführt werden. Aus 100 Kilogramm gesammelten Haushaltskunststoffen könnten so über 55 Kilogramm wiederverwertbare Kunststoffe gewonnen werden. Als Granulate oder Rohstoffe für neue Kunststoffprodukte kommen diese dann zum Einsatz. «Leitungsrohre, Nummernschilder oder vielerlei Verpackungsmaterial können aus rezyklierten Kunststoffabfällen erneut produziert werden.» Nicht verwertbar seien bislang Etiketten, Flüssigkeiten oder gemischte Kunststoffe wie zum Beispiel Fleischverpackungen.

Die Menge des zurückgebrachten Plastiks sei in Uri in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen, sagt Baldini. In ihrem ersten Jahr in 2012 hätten sie 70 bis 80 Tonnen Kunststoff angenommen. «2019 waren es im ganzen Kanton Uri 116 Tonnen.» Auch Horst Mempel, Geschäftsleiter der Zimmermann Umweltlogistik Uri AG, zu der mittlerweile auch die Wyrsch AG gehört, beobachtet die Zunahme. «Die Themen Nachhaltigkeit und Umweltschutz haben über die letzten Jahre massiv an Interesse gewonnen.» Pro Woche werden an ihrem Standort in Altdorf etwa 120 bis 150 Säcke abgegeben.

Schweizweite Koordination als Herausforderung

Und die Zunahme wird sich fortsetzen, schätzt Mempel. «Die EU hat sich als Ziel gesetzt, dass alle Verpackungen bis 2030 kreislauffähig sind. Analoge politische Vorstösse gibt es auch in der Schweiz.» Dabei seien nebst Plastik auch weitere Stoffe wie beispielsweise Tetra-Pak-Verpackungen ein Thema.

Es würden sich aber auch Herausforderungen stellen, wie ein gutes Verhältnis von Kosten und Nutzen. «Kritische Faktoren sind dabei auch eine schweizweite Koordination, die Finanzierung und ein hochwertiges Recycling», so Mempel.

Auch für Edi Schilter, Geschäftsführer der Zaku, sind «noch grosse Anstrengungen bezüglich Sortiertechnik und Investitionen in Sortierwerke in der Schweiz notwendig», um dem Bedürfnis der Bevölkerung nach einem Kunststoff-Recycling «mit einem positiven Umweltnutzen» gerecht zu werden. Auch wenn der derzeitige Transport nach Rheinfelden sehr effizient erfolge, wäre eine Verarbeitungsanlage in der Schweiz ökologisch noch sinnvoller.

«Behörden sind noch nicht überall so weit»

Ivo Baldini möchte das Kunststoffrecycling denn auch möglichst rasch weiter vorantreiben. Zusammen mit einer Aargauer Entsorgungsfirma wurde zu diesem Zweck die Kunststoffsammelsack Schweiz GmbH ins Leben gerufen. Nicht nur in Uri, mittlerweile auch in sieben weiteren Kantonen bieten sie ihr Sammel- und Recyclingsystem an. «Eigentlich wollten wir schon lange viel weiter sein», sagt Baldini. Ihr Ziel sei es, das Angebot schweizweit auszubauen. «Aber die Behörden sind noch nicht überall so weit. Die Bevölkerung wartet jedoch auf ein Angebot.»

Die damalige Befürchtung der Zaku, durch das Plastiksammeln nicht mehr ausreichend Brennstoff im Hauskehricht zu haben, hat sich übrigens nicht bestätigt. «Die gesammelten 116 Tonnen im Jahr 2019 machen bei rund 6000 Tonnen Kehricht, die im Kanton Uri gesammelt werden, einen Anteil von knapp zwei Prozent aus», so Schilter. Diese Veränderung in der Zusammensetzung des Abfalls habe keine Auswirkungen auf die Entsorgung in der Verbrennungsanlage Renergia – die derzeit modernste Kehrichtverbrennungsanlage der Schweiz. Aus der ganzen Zentralschweiz seien im vergangenen Jahr 250'000 Tonnen Kehricht nach Perlen gelangt.

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