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Uri

Gründer erinnern sich: Als die «Alternative» in Uri Politik machte

Im Staatsarchiv Uri hat sich am Donnerstagabend, 21. März, alles um die Zeitschrift «Alternative» gedreht. Deren Mitbegründer Reto Gamma und Alf Arnold waren am «Runden Tisch» zu Gast und erklärten, wie das gesellschaftskritische Magazin ins Leben gerufen wurde.
Haben sich am «Runden Tisch» über die «Alternative» unterhalten: (von links) Rolf Gisler, stellvertretender Staatsarchivar, Carla Arnold, wissenschaftliche Mitarbeiterin, mit den Referenten Reto Gamma und Alf Arnold. (Bild: Remo Infanger, Altdorf, 21. März 2019)

Remo Infanger

Es war im wahrsten Sinne des Wortes eine «Bieridee», die zum Startschuss für eine lokale Zeitung der etwas anderen Art führte. «An einem Samstagabend im März 1973 sassen ein paar Freunde und ich im Restaurant Reiser am runden Tisch. Wir waren damals rund 20 Jahre alt und ärgerten uns über veraltete Denkweisen und politische Ansichten», erinnert sich Alf Arnold. «Am Montag darauf trafen wir uns dann bereits zur ersten Redaktionssitzung.» Alf Arnold ist Mitinitiant der gesellschaftskritischen Zeitschrift «Alternative», die zwischen 1973 und 2000 monatlich als «die andere Urner Zeitung» herauskam.

Sowohl um diese Zeitschrift als auch um die daraus resultierende Partei Kritisches Forum Uri drehte sich am Donnerstagabend, 21. März, im Urner Staatsarchiv alles. Im Rahmen der 35. Ausgabe des «Runden Tischs» blickten die Referenten Alf Arnold und Reto Gamma – auch er war Mitinitiant der «Alternative» – auf eine Zeit zurück, die geprägt war von Umweltbewegungen, neuen Lebensstilen und politischen Revolutionen.

Von Verhütungsmethoden und Armeeverweigerern

Angefangen habe alles während der Zeit am Altdorfer Gymnasium. «Das Gymi, damals noch sehr religiös geprägt, ist eine reine Männerinstitution gewesen», sagte Arnold. So habe es Vorschriften gegeben, die dem Maturanden missfielen. Es sei beispielsweise verboten gewesen, in Jeans zum Unterricht zu kommen, was irgendwann für Aufruhr sorgte. «Ich weiss noch, wie ich daraufhin meinen ersten Lesebrief an die Pinnwand der Schule geheftet habe», erinnerte er sich. Ein paar Stunden später sei dieser jedoch von der Schule stillschweigend entfernt worden.

«Von da habe ich gewusst, dass es eine Plattform für eigene Meinungen braucht.»

Auch Reto Gamma erinnert sich an die Anfangszeiten der «Alternative». «Zu Beginn sind es zehn A4-Blätter gewesen, die wir bei der Studentendruckerei in Bern doppelt bedrucken durften», schilderte Gamma. Zuhause auf dem Küchentisch habe man dann stundenlang die Seiten von Hand zusammengeheftet und dabei und vier Bostitche pro Abend «duräglah».

Die Artikel handelten etwa von Verhütungsmethoden für Jugendliche, Spraydosen, die die Ozonschicht zerstören oder von Kontrapunkten des Militärs – inklusive Tipps für Armeeverweigerer. «Die Themen, über die wir geschrieben haben, hatten stark mit der persönlichen Betroffenheit zu tun», erklärte Gamma.

«Bereits dort ist klar gewesen, in welche politische Richtung unsere Zeitschrift zielt. Das hat aber nicht allen gefallen.»

Eine Folge war etwa, dass drei Redaktionsmitglieder ein Berufsverbot erhielten. Das ambitionierte Team liess sich davon aber nicht abbringen und nutzte die «etwas andere Urner Zeitung» weiterhin, um auf gesellschaftskritische Themen aufmerksam zu machen. Während es zu Beginn noch 200 monatliche Auflagen waren, stieg die Zahl schnell auf 1800.

Umweltschutz stand im Fokus

Mit der Zeit sei im Zeitschriften-Team immer mehr das Bedürfnis aufgekommen, auch aktiv in die Politik einzugreifen. Es entstand die Diskussionsplattform «Kritisches Uri». Das wurde weitergesponnen, bis 1983 aus der Vereinigung die eingeschriebene Partei Kritisches Forum Uri (KFU) wurde, die mit eigenem Parteiprogramm die politische Arbeit aufnahm.

«Die ‹Alternative› diente uns dabei als Medium und Sprachrohr zur Verbreitung der eigenen Botschaften.»

Klar sozialistisch waren die Ausrichtungen. Die Schwerpunkte der Partei lagen bei den Arbeitsbedingungen in der Urner Industrie, bei der Bildungspolitik oder bei der politischen Partizipation der jugendlichen Bevölkerung. «Ständig in unserem Fokus war aber der Schutz der Umwelt», so Arnold. Im Zentrum stand etwa der Kampf gegen den zunehmenden Transitverkehr. Aus denselben Kreisen stammen auch namhafte Bewegungen wie der Verein Alpeninitiative oder «Neat in den Berg». National für Aufsehen sorgte das KFU auch mit der Bürgerinitiative «Atommüll – Hiä niä», mit der sich die Partei gegen ein geplantes Endlager für radioaktive Abfälle im Oberbauenstock einsetzte.

Heutige Generation muss auch noch zu tun haben

In einer abschliessenden Fragerunde wollte das sehr zahlreich erschienene Publikum von den beiden Referenten wissen, ob sie aus heutiger Sicht ihre gesteckten Ziele erreicht haben – jetzt, wo der Umweltschutz oft medial im Zentrum steht, es Mutterschaftsurlaub gibt und Atomenergie so kritisch wie nie zuvor betrachtet wird. «Gesellschaftlich hat sich Einiges verbessert, viele Probleme sind gelöst worden», holte Gamma aus. «Das bedeutet aber nicht, dass nun alles gut ist.» Im Gegenteil – Probleme und Herausforderungen würden täglich neue auftauchen. «Aber die heutige Generation muss schliesslich auch noch etwas zu tun haben», sagte Gamma mit einem Augenzwinkern.

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