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Gletscherlehrpfad am Rhonegletscher öffnet Besuchern die Augen

Zusammen mit dem Gletscherexperten David Volken wurde der zweite Teil des Gletscherlehrpfades am Rhonegletscher eröffnet. Der Pfad ist nicht nur eine Attraktion für Touristen, gezeigt wird auch der dramatische Rückgang des Gletschers.
Auf dem Gletscherpfad erklärte David Volken den Gästen den Rückgang des Rhonegletschers. (Bild: Paul Gwerder, Furkapass, 14. Juli 2018)

Paul Gwerder

Der altehrwürdige Rosensaal des Hotels Belvédère am Rhonegletscher ist am vergangenen Samstag kurzzeitig aus seinem Dornröschenschlaf geweckt worden. «Im Sommer vor zwei Jahren durften wir die erste Etappe unseres Gletscherlehrpfades sowie den Alpen- und Kneippgarten feierlich einweihen», sagte Philipp Carlen zu den zahlreichen Gästen und Freunden im Saal. «Heute können wir den zweiten Teil des steinigen Pfades bis zum namenlosen Gletschersee eröffnen.»

Der Gletscherlehrpfad, für den die Leute rund eine Stunde einplanen sollten, führt vom Parkplatz des ehemaligen Hotel Belvédère zum namenlosen Gletschersee hinunter. Auf diesem Weg wird der Wissensdurst der Gäste durch insgesamt zwölf Infotafeln gestillt, die durch die Gletscherexperten David Volken und dem verstorbenen Benedikt Schnyder erstellt worden sind. «Wir haben diesen Lehrpfad im Auftrag der Familie Carlen verwirklichen können», erklärte Volken bei der Führung. «Die Besucher können nicht nur den Rhonegletscher besser kennen lernen, sondern auch den dramatischen Rückgang des Gletschers mit eigenen Augen sehen.»

Abflussmenge wird noch ansteigen

Am Fuss des Gletschers, der in den vergangenen sechs Jahren ungefähr 160 Meter Länge verloren hat, bildete sich ein riesiger See, bis zu 59 Meter tiefer See. Am Ausfluss desselben entspringt die Rhone, die mit etwa 10000 Litern Wasser pro Sekunde gespiesen wird. Aufgrund der prognostizierten Temperaturerhöhung und der verstärkten Eisschmelze ist gemäss Modellrechnungen bis ins Jahr 2030 mit einem Anstieg der Jahresabflussmenge zu rechnen. «An heissen Tagen wie heute, nimmt das Volumen des Gletschers um zehn Zentimeter ab», erklärte Volken. «Obwohl es im Winter 2017/18 ausserordentlich viel Schnee gegeben hat, nützt dies dem Gletscher nicht viel, denn aufgrund des warmen Wetters seit Frühlingsbeginn schmilzt der Schnee viel schneller weg als in früheren Jahren. Dazu kommt, dass es während der Sommermonate nicht mehr bis auf den Gletscher schneit und dieser Niederschlag ebenfalls fehlt», so der Experte.

Die Befürchtung liegt nahe, dass sich der Rhonegletscher bis 2050 halbiert haben und Ende Jahrhundert hier praktisch kein Eis mehr übrig bleiben wird. «Der Gletscher hier verlor in den letzten 15 Jahren durchschnittlich 1 Meter Eis pro Sommer», so Volken. Insgesamt hat der Gletscher, der früher bis nach Gletsch hinunterreichte, seit 1870 mehr als 1,4 Kilometer Länge eingebüsst.

Aus dem Leben Familie Ritz erzählt

Bevor die Gäste aber auf den Gletscherlehrpfad gingen, erzählten die beiden Schauspieler Barbara Heynen und Daniel Mangisch eine Geschichte zu dem 100. Todestag des Königs der Hoteliers Cäsar Ritz und von dessen Ehefrau Marie-Louise. «Nichts würde wohl besser als Theaterkulisse für eine Lesung herhalten als unser Hotel», meinte Philipp Carlen, der das Hotel von 1990 bis 2010 zusammen mit seiner Frau Rosmarie geleitet hat. «Ich habe das Hotel gerne geführt und es hat auch rentiert, aber es wurde meiner Familie zeitlich zu viel, da ich noch als Anwalt in Brig gearbeitet habe», erklärte Carlen. «Danach haben wir für drei Jahre lang das Hotel verpachtet, ehe es geschlossen werden musste.»

Cäsar Ritz ist 1850 in Niederwald (VS) geboren worden. Zuerst schickte ihn der Vater nach Brig ins «Hotel Couronne et Poste», wo der junge Ritz eine Kellnerlehre absolvieren sollte. Aber bald schon setzte ihn der Chef mit den klaren Worten vor die Tür: «Aus dir wird nie ein rechter Hotelier!» Danach verliess der 17-Jährige seine Heimat und reiste nach Paris, wo eben die Weltausstellung eröffnet worden war. Im «Hôtel de la Fidélité» fand Cäsar Ritz eine Stelle als Kellner, und er wurde schnell einmal «César le rapide» genannt, erregte aber auch Aufsehen mit viel zerschlagenem Geschirr. In verschiedenen anderen Betrieben arbeitete er sich vom Hilfskellner über den Oberkellner bis zum Leiter empor. Mit zarten 19 Jahren schien er dem Höhepunkt seiner Karriere bereits nahe: Im renommierten «Voisin» erlernte er die Gepflogenheiten der noblen Gesellschaft kennen. Ritz erkannte früh, dass alle Gäste mehr Komfort erwarteten. Statt einer Etagenbadewanne gab es bald in jedem Appartement ein eigenes Bad sowie elektrisches Licht, Zimmertelefone, schöne Möbel und geräumige Schränke. Im Jahr 1898 erfüllte sich Ritz seinen Traum und baute für 6 Millionen Franken am Pariser «Place Vendôme» ein prunkvolles Hotel, dem er seinen Namen gab. Für Ritz war es immer wichtig, erstklassiges Personal in seinen Hotels zu haben. Und noch heute gilt auch seine Devise: «Ein gutes Hotel steht und fällt mit einer guten Küche.»

Der Star der Hotellerie mit seinen kühnen Ideen führte zeitweise zehn Hotels gleichzeitig in ganz Europa. 1903 fand sein Arbeitsleben durch einen körperlichen Zusammenbruch ein jähes Ende. Danach litt er an einer langjährigen tiefen Depression, aus der er sich bis zu seinem Tod 1918 nicht mehr erholte. Die Arbeit wurde von seiner Ehefrau Marie-Louise zusammen mit Sohn Charles Ritz weitergeführt. Marie-Louise Ritz starb 1961 im Alter von 93 Jahren. Auf ihren Wunsch wurde sie zusammen mit ihrem Mann César und ihrem Sohn René in ihrem Geburtsort Niederwald beigesetzt.

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