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Uri

Das Rezept bleibt geheim

Claudia Arnold wurde bereits mehrmals für ihren Alpkäse ausgezeichnet. Damit dies gelingt, braucht es vieles: Leidenschaft fürs Käsen, zuverlässige Milchlieferanten, die Mitarbeit der Familie und von Helfern. Auch der Milchpreis muss stimmen.
Alp Oberalp in Isenthal: Käserin Claudia Arnold-Aregger. (Bild Christof Hirtler, Isenthal, 25. Juli 2018)
Alp Oberalp in Isenthal: Melkstand auf dem Oberstafel Schöntal. (Bild: Christof Hirtler, Isenthal, 25. Juli 2018)
Alp Oberalp in Isenthal: Ferdi Ziegler und sein Neffe Sandro tragen die Brennten zur Materialseilbahn im Schöntal. (Bild: Christof Hirtler, Isenthal, 25. Juli 2018)
Alp Oberalp in Isenthal: Ferdi Ziegler lädt die Brennnte auf die Seilbahn. (Bild: Christof Hirtler, Isenthal, 25. Juli 2018)
Alp Oberalp in Isenthal: Josef Arnold-Aregger seilt die Milch vom Schöntal auf die Oberalp. (Bild: Christof Hirtler, Isenthal, 25. Juli 2018)

Christof Hirtler

Christof Hirtler

Christof Hirtler

Christof Hirtler

Christof Hirtler

Die Oberalp im Isenthal ist umgeben vom Bärenstock, dem Oberalpgrat, der Bannalper Schonegg, dem Ruchstock und dem Engelberger Rotstock. Die Alp liegt auf einer Terrasse oberhalb des Grosstals auf rund 1750 bis 2100 Meter über Meer. Eine spektakuläre Seilbahn führt von der Gossalp entlang der Oberalper Flüe vorbei am 80 Meter hohen stiebenden Wasserfall auf die Oberalp. Die Fahrt muss telefonisch bei einer der Älplerfamilien angemeldet werden, bei der Talstation der Oberalpbahn besteht keine Natelverbindung. Da nützt auch endloses Kurbeln am Seilbahntelefon nichts, die Bergstation ist nicht besetzt. Von der Seilbahn führt eine der Erschliessungstrassen zu den Hütten auf die Hinteralp. Eine Astgabel mit dem Schild «Holzschuenis Alpbeizli» weist zur Hütte und Käserei von Claudia und Josef Arnold-Aregger. Um 9 Uhr ist die Milch im Kessi längst am Wärmen.

Claudia Arnold erzählt von ihrem Arbeitsalltag: «15 Kubikmeter Holz brauchen wir auf der Oberalp zum Käsen und Kochen.» Bereits um 3.30 Uhr hat sie den Heizkessel in der Küche angefeuert, rund 600 Liter Milch vom Vorabend befinden sich im Kessi. Claudia Arnold verkäst neben der Milch der eigenen Tiere auch diejenige von drei weiteren Alpbetrieben. Gustav Zurfluh, Ferdinand Ziegler (beide Hinteralp) und Eduard Ziegler (Gehrenwald) sind ihre Lieferanten. Um 6 Uhr liefert Eduard Ziegler seine Milch, um 6.30 Uhr trifft die Milch mit der Materialseilbahn vom obersten Stafel Schöntal ein. «1200 Liter fasst unser Kessi», sagt Claudia Arnold. «Wir verarbeiten die Milch von rund 78 Kühen.»

Perfektion und Gespür beim Käsen

Claudia Arnold-Aregger kommt aus Werthenstein LU. Aufgewachsen ist sie im Bauernhof Staldigwald mit 17 Geschwistern. Mit 18 begann sie ihre Ausbildung als Pflegefachfrau, arbeitete in verschiedenen Spitälern, unter anderem auch im Kantonsspital Uri. Der Landwirtschaft blieb sie verbunden. Zwei Brüder arbeiteten als Käser. 1985 heiratete sie den Maurer und leidenschaftlichen Älpler Josef Arnold. Das Gen des Käsens brachte Claudia Arnold mit. 1987 zogen sie das erste Mal mit 16 Kühen, 8 Geissen und 12 Schweinen zusammen «z Alp». Seit 2001 alpen die beiden am heutigen Standort.

Die Grundlagen des Käsens erwarb sie am Alpsennenkurs in Seedorf. Wichtig waren für sie die Besuche der Käsereiinspektoren Albert Häberli und Toni Bättig in ihrer Käserei. Von ihnen erhielt sie viele praxisorientierte Tipps. Die Aussage von Toni Bättig, «ein schlechter Käse ist einer zu viel», hat Claudia Arnold nie vergessen. «Ich bin ein sehr genauer Mensch», sagt die Käserin – und lächelt. Sie sucht die Perfektion in den Abläufen. Vor allem brauche es Sauberkeit beim Reinigen, beim Käsen und möglichst keimfreie Milch. «Die Sirtenkultur züchten wir selber, vielleicht ist das eines meiner Geheimnisse für einen guten Käse. Das Rezept bleibt geheim», sagt sie und lächelt verschmitzt. Damit ist sie so verschwiegen wie die Appenzeller. Erfolgreich ist sie alleweil. 2017 erhielt sie für ihren Ziegenkäse an der Olma den ersten Preis.

Kurz nach 11 Uhr trifft eine Wandergruppe ein. Sie setzt sich an den Holztisch im Freien. Claudia Arnold begrüsst sie herzlich, fragt nach ihren Wünschen. Auch das Enkelkind, Sepp 3, braucht Aufmerksamkeit. Die Schwiegertochter, eben hat sie noch den Käse gewendet, püriert gekochte Rüebli. «Wir sagen ihm Josef, zur Unterscheidung», erklärt Claudia Arnold. «Mein Mann heisst Sepp, und unser Sohn heisst Sepp. Irgendeinmal wäre das Durcheinander perfekt.»

Aus der Ruhe bringen lassen sich die Arnolds nicht. Cornelia wäscht ab, Sepp setzt sich mit dem kleinen Sepp 3 an den Tisch zu den Gästen. Grossvater Sepp ist ganz stolz. Sepp 3 strahlt und lacht. Alle lachen und bewundern den kleinen Knopf. Sepp Arnold liebt das Gespräch mit seinen Gästen, dafür hat er immer Zeit. Das ist beste Werbung für seinen Alpkäse. Den grössten Teil verkaufen sie privat, ein Teil der Produktion wird von der Genossenschaft Urner Alpkäseproduzenten vermarktet. Ende Jahr erhalten die Arnolds viele Briefe und Geschenke von begeisterten Besuchern ihres Alpbeizlis. «Die Menschen fühlen sich bei uns wohl, geniessen es, wenn wir mit ihnen reden und Zeit für sie haben», sagt Sepp Arnold. Viele kommen immer wieder, werden Stammkunden.

Pro Sommer 8 bis 9 Tonnen Käse produziert

Jeden Sommer produzieren «Holzschuenis» rund 8 bis 9 Tonnen Käse, der muss auch verkauft werden. Für die arbeitsintensiven Tage auf der Alp braucht Claudia Arnold Unterstützung von allen Seiten. Ihr Mann Sepp ist für das Melken, die Käsepflege und die Gäste im Alpbeizli zuständig. Die Kinder Heidi, Karin, Ruedi und Sepp helfen mit. Sepp und seine Frau Cornelia verbringen den ganzen Sommer auf der Alp. Es kommen aber auch Jugendliche und Kinder aus dem Dorf oder von auswärts. «Jede Hilfe beim Servieren, in der Küche oder im Stall ist willkommen», sagt Claudia Arnold. Zu tun gibt es mehr als genug. Neben 36 Kühe haben die Arnolds 8 Geissen, 17 Schweine, 9 Hühner und eine Katze «z Alp».

«Wird unser Alpkäse ausgezeichnet, wird in den Medien die Leistung zu sehr auf mich fokussiert», betont Claudia Arnold-Aregger. «Hinter einem guten Produkt stecken aber auch die Arbeit und die Leistung vieler anderer.»

Am 24. Juli durften die Kühe von Arnolds, Zurfluhs und Zieglers auf ihren liebsten Stafel, das Schöntal. Hier gefällt es auch Armin und Thomas Zurfluh besonders gut. Thomas arbeitet in führender Position bei der Metallbaufirma Ruch und kann hier richtig Ferien machen. Er darf mit seinem Bruder Armin 16 Kühe melken. Gelebt wird draussen. In den Überresten eines alten Stalls haben sich die beiden eingerichtet. Hier wird gekocht und gegessen. Bratpfannen, Krüge, Geschirr, Besteck sind in Mauernischen und auf Brettern verstaut. Die Melkmaschinen, der Waschtrog und die Brennten sind in Griffnähe. Eine grüne Plastikplane schützt vor Regen und Wind. «Das Schlimmste hier oben sind Schneefall, Hagel und Gewitter», erzählt Armin Zurfluh. «Die Berge sind sehr nahe, der Blitz schlägt in die Kreten oder in die Geröllhalden. Der Donner ist furchterregend. Die Tiere befinden sich ungeschützt auf der Weide. Da braucht es Gottvertrauen.» Gegen die Oberalp fällt das Schöntal steil ab, ist felsig und mit Geröllhalden durchsetzt. Thomas Zurfluh betont, dass sie nicht bis ans äusserste Ende des Schöntals hagen. Flüchten die Tiere bei Hagel – sie rennen dann immer talwärts – bleibt für die Tiere immer noch genug Platz, um vor dem Hag abzudrehen und nicht von den nachfolgenden Kühen über den Abgrund gestossen zu werden.

Ferdi Ziegler und sein Neffe Sandro melken die Kühe im Stall, die Zurfluhs und Arnolds im offenen Melkstand. Sepp 1 und 2 steigen während zwölf Tagen am Nachmittag zum Melken ins Schöntal, übernachten und kehren am nächsten Morgen auf die Oberalp zurück. Armin und Thomas Zurfluh geniessen das Melken und arbeiten ohne viel Worte, alles ist eingespielt. Glückliche Momente. Bald sind die beiden 50-Liter-Brennten bis zum Rand gefüllt. Rund 200 Meter ist die Bergstation der Materialseilbahn entfernt, das Tragen der schweren Brennten braucht enorm viel Kraft. Ein Stock hilft beim Ausbalancieren und dient als Stütze.

Heute ist die Bahn mit fünf Brennten, sechs Milchkannen, einer Melkmaschine und einem Kessel schwer beladen. Sepp 1 seilt die Bahn im Leerlauf talwärts, bis die Bremsen rauchen. Eine gelbe Markierung am Seil ist das Zeichen, dass die Bahn auf der Oberalp den Puffer erreicht hat. Sepp 1 fixiert die Bremse und lacht: «Fertig für heute.»

Geissen haben eigene Ideen

Die Kannen und Brennten werden in der Käserei gewaschen. Claudia Arnold zieht die weisse Gummischürze ab und setzt sich im Alpbeizli an den grossen Holztisch. Feierabend, einen Kaffee trinken und die Aussicht auf den Urirotstock, den Brunnistock und die Schächentaler Berge geniessen. Sepp 2 ruft an und fragt Claudia, ob die Geissen schon im Tal seien. Sie greift zum Feldstecher. 2, 3, ... 7, 8 Geissen weiden unter den Felsen. Die Geissen wollen noch nicht heim zum Melken, das schmackhafte Gras ist zu verlockend. «Gizz Geisseli, gizz, gizz, gizz, gizz, gizz...», lockt Claudia Arnold. Die Geissen antworten mit Gemecker, kümmern sich nicht weiter darum und steigen ins nächste Grasband. Die Käserin bleibt gelassen und lacht: «Die Geissen sind eigenwillig, da kann man nichts machen.» Vielleicht sind ihre Gelassenheit und ihre Fröhlichkeit das Berufsgeheimnis für einen guten Käse? Wer weiss. Es brauche auch Gottvertrauen und den Betruf. Den macht sie jeden Abend.

PS: Die Geissen kamen erst spät abends zurück zur Oberalp. Sepp 2 hat sich vom Schöntal auf den Weg gemacht und sie talwärts getrieben.

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